TAG DER ABRECHNUNG (Shadow Warriors 2). Stephen England

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TAG DER ABRECHNUNG (Shadow Warriors 2) - Stephen England


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Kilometer westlich von Langley – zusammen mit einer sehr verzweifelten alleinerziehenden Mutter, die einen Wagendiebstahl melden wollte.«

      »Standardvorgehensweise, Thomas«, folgerte Tex. Die Frage aber lautete: Wieso? »Sechzehn Kilometer westlich, sagtest du?«

      »Ja«, antwortete Thomas. »Denkst du dasselbe wie ich?«

      »Wahrscheinlich. Unternimm nichts, bevor ich angekommen bin. Versuche Kranemeyer dazu zu bringen, mich von dir in Dulles abholen zu lassen. Auf die Weise können wir die Passagierlisten umgehen.«

      »Verstanden. Bis dann.«

      Von seinem Wortschwall sichtlich erschöpft tippte Tex auf die Taste, um das Gespräch zu beenden, und legte das Telefon neben sich auf den Sitz. Draußen vor dem Fenster trieben die Wolken an dem schnellen Businessflugzeug vorüber, luftig und weiß. Friedlich. Was ist in dich gefahren, Harry?

       09:22 Uhr Ortszeit

       Ein Wal-Mart

       Manassas, Virginia

      Für einen Mann, der in den Achtzigerjahren in Russland aufgewachsen war, stellte ein Wal-Mart noch immer ein Bild beinahe unermesslichen Reichtums dar.

      Und doch schien es niemand zu würdigen. So waren sie, diese Amerikaner. Pavel Nevaschkin seufzte schwer, als er nach dem Motorradhelm griff, der vom Lenker der Honda baumelte. Der Dezemberwind war kalt, selbst durch die dicke Wollfütterung seiner Lederjacke hindurch. Aber längst nicht so kalt wie in Tschetschenien. Nichts konnte je so kalt sein.

      Damals, als das neue Millennium vor der Tür stand und nichts als weitere gewaltsame Tode verhieß, diente er in der Alfa Group. Das waren üble Zeiten gewesen. Selbst als Speznas verdiente man nicht genug, um solche Risiken einzugehen.

      Pavel überprüfte ein letztes Mal seine Satteltaschen und stellte sicher, dass die Glock 21 einsatzbereit war. Eine Kugel steckte bereits in der Kammer, zwei weitere volle Magazine in der Tasche daneben.

      Alles war bereit. Er warf seinem Partner, einem Moskauer Schützen, den er nur als Grigori kannte, einen flüchtigen Blick zu. »Du kennst den Plan?«

      Der Mann lächelte und offenbarte dabei eine Reihe abgebrochener, rissiger Zähne, die beispielgebend für die Qualität osteuropäischer Zahnmedizin waren. »Natürlich – den Mann umbringen und das Mädchen schnappen. Sollte nicht so schwer sein, da?«

      Pavel zuckte mit den Schultern. »Da. Halte dich einfach an den Plan. Sergei meinte, dass sie etwa sechzehn Kilometer vor uns sind, also sollten wir sie rechtzeitig einholen.«

      Dann brüllte der Motor seines Motorrades auf und übertönte jede weitere Unterhaltung. Pavel schwang sein Bein über den vibrierenden Sattel und winkte Grigori zu, sich hinter ihn zu setzen. Dieser Job sollte in weniger als einer Stunde über die Bühne gegangen sein.

       08:31 Uhr Ortszeit

       Dearborn, Michigan

      Das Haus war das dreizehnte auf Nasir Khalidis Route. Ganz sicher seine Unglückszahl. Als der Müllwagen bremste, sprang er herunter und eilte über den festgefahrenen Schnee auf die Mülltonnen zu.

      Es war die dritte Tonne. Immer war es die Dritte. Er blies sich auf seine kalten Hände und sah zu, wie der mechanische Arm den Inhalt der Tonne in die Presse am hinteren Ende des Müllfahrzeugs kippte. So schlimm die Kälte auch war – im Sommer war der Job noch unerträglicher. Denn dann begann der Müll zu stinken.

      Als die Tonne wieder herabgesenkt wurde, zog Nasir den Reißverschluss seiner Jacke auf. Er zitterte, denn ein kalter Windhauch kam die Straße zwischen den mehrgeschossigen Gebäuden auf beiden Seiten hinuntergeweht, die eine Art Windtunnel bildeten.

      Hier war alles so anders als im Libanon, aus dem er stammte. Nachdem er sich mit einem Blick in beide Richtungen davon überzeugt hatte, dass ihn niemand beobachtete, griff Nasir in die Innentasche seiner Jacke und zog einen DIN-A5-großen Briefumschlag hervor. Nach einem weiteren verstohlenen Blick auf die umstehenden Gebäude ließ er ihn in die Tonne fallen und schob sie an den Bürgersteig zurück.

      Ja, es gab wirklich üblere Jobs als Müllfahrer. Er musste es wissen, denn er hatte einen davon.

      In einem Zimmer in einem der heruntergekommenen Mietshäuser nahm ein Mann seinen Blick von der Reihe von Monitoren, die an der Wand befestigt waren und auf denen er Nasir Khalidi mit einer unauffällig drapierten Kamera beobachtet hatte. Er spulte die Aufnahme zurück, ließ sie noch einmal in Zeitlupe ablaufen und sah zu, wie der gelbe Umschlag in die Untiefen der grauen Mülltonne fiel. Ein Lächeln breitete sich langsam auf seinem Gesicht aus und er griff nach dem Telefon auf dem Tisch vor ihm, direkt neben seiner Beretta. »Status bestätigt«, meldete er, nachdem sein Gespräch angenommen worden war. »Die Übergabe ist erfolgt.«

       09:47 Uhr Ortszeit

       Der Impala

       Virginia

      Schweigen. Harry warf Carol einen verstohlenen Blick zu, während der Wagen nach Süden preschte. Sie hatte kein Wort gesprochen, seit sie das Fahrzeug an der Tankstelle gewechselt hatten. Saß einfach nur da und starrte neben ihm aus dem Fenster. Eine kalte blonde Statue.

      Er seufzte und beobachtete die Nadel der Tankanzeige dabei, wie sie bei jeder Bodenwelle zitterte. Sie hatten noch etwa einen Vierteltank, und das sollte bis zu ihrem Ziel reichen.

      »Ihnen gefallen meine Methoden nicht, stimmt’s?«, fragte er schließlich, um das Schweigen zu brechen.

      Sie ließ sich Zeit, aber dann sah sie ihn an. Er konnte noch immer das Gefühl des Verlustes in ihren Augen sehen, aber auch eine unerwartete Feindseligkeit. »Diebstahl, meinen Sie? Nein.«

      »Was dachten Sie denn, womit ich mir meinen Lebensunterhalt verdiene?«, fragte Harry. »Ich breche das Gesetz. Darauf hat man mich trainiert.«

      »Aber nicht die Gesetze unseres Landes«, antwortete sie mit einer gewissen Schärfe. »Wir wissen beide, dass dort die Grenze gezogen wird. Das ist das Erste, was sie einem auf der Farm beibringen.«

      »Und wie so vieles, was sie einem dort beibringen, wird es sofort irrelevant, sobald man die dortigen vier Wände verlässt.« Harry kniff die Augen zusammen und spähte in den Rückspiegel. Die Trainingseinrichtung der CIA im Camp Peary – oder die Farm, wie sie genannt wurde – war gut, aber es gab so viele Dinge, die man einfach nicht theoretisch lehren konnte.

      Da war ein Motorrad hinter zwei Fahrzeugen, während sie durch die Kleinstadt fuhren. »Sobald Sie aber das erste Mal zum Personenschutz eingeteilt werden, stellen Sie fest, dass das Leben sehr viel simpler ist und es nur eine Regel gibt, die wirklich eine Rolle spielt: Schützen Sie diese Person und tun Sie alles, was nötig ist, damit sie überlebt.«

      Carol sah ihn von der Seite an. »Es hat uns doch noch nicht einmal etwas genützt. Wir haben einfach nur ein gestohlenes Auto gegen ein anderes eingetauscht.«

      »Nicht ganz«, entgegnete Harry, ohne den Blick vom Rückspiegel abzuwenden. »Ich habe uns etwas Zeit verschafft und außerdem einen Wagen, bei dem wir sicher sein können, dass er nicht verwanzt ist. Dafür konnte ich bei meinem nicht mehr garantieren. Zumindest nicht in der kurzen Zeit.«

      »Wie lange folgt uns dieses Motorrad schon?«, fragte sie und wechselte abrupt das Thema.

      Sehr gut. Sie hatte also noch nicht alles aus ihrem Agententraining auf der Farm vergessen, dachte Harry und beschleunigte, um einen langsam dahinrollenden Lastwagen zu überholen. Schreibtischhengste taten das nicht selten. »Schon zu lange.«

      Auf dem Motorrad saßen zwei Personen. Unwillkürlich musste er an einen Einsatz damals in Italien zurückdenken, nur ein paar Jahre her. Anderes Klima, andere Zeit, aber der gleiche Anblick. Nach Jahren politischer Attentate hatte die italienische Regierung schließlich Motorräder mit mehr als einer Person verboten.

      Nicht,


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