Keine Panik, ehrliche Spiegel altern immer mit!. Arno Backhaus

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Keine Panik, ehrliche Spiegel altern immer mit! - Arno Backhaus


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sogenannte »Gebets-Konzerte« an, bei denen ich zur Stille einlade. Neue und alte Anbetungslieder, Choräle, Soaking und Taizé-Meditationen sollen zum Mitsingen, Mitbeten und Ruhe-Tanken auffordern. (In Kapitel 19 berichte ich von meinen ersten Erfahrungen mit »Stille-Gottesdiensten«.)

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      Ich weiß nicht, ob Sie und ich uns ebenfalls schon einmal irgendwo begegnet sind. Aber ich freue mich, dass Sie mich bei diesem Rückblick auf meinen Lebensweg begleiten. Machen Sie sich beim Lesen dieses Buches einfach Ihr eigenes Bild. Und wer weiß – vielleicht können die Bilder meines Lebens sogar einen gewissen Mehrwert für Ihr eigenes Leben darstellen. Das würde mich sehr freuen.

      Jetzt nehme ich Sie aber erst mal wieder mit zurück in meine Kindheit. Da war ich noch nicht als Musiker, Aktionskünstler oder Referent unterwegs, sondern als nerviger Junge, der viel Blödsinn im Kopf hatte und diesen Blödsinn oft auch in die Tat umsetzte.

      Solange ich es fertigbrachte, artig zu sein, war bei uns zu Hause alles in Ordnung. Aber sobald es Stress gab, änderte sich die Stimmung schlagartig – mit Betonung auf Schlag.

      Und Stress hatten wir häufig. Vor allem an Weihnachten. So bemüht meine Eltern auch waren, unser Familienleben zumindest nach außen hin in einem guten Licht dastehen zu lassen: Es gab an allen Ecken und Enden Streit. In einer Zeit, in der eigentlich Harmonie und Frieden herrschen soll, wird das besonders auffällig. Und solche Aktionen wie mein Zündeln am Adventskranz haben auch nicht gerade zur Entspannung beigetragen.

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      Ich wurde 1950 in Frankenberg/Eder geboren. Als leibliches Kind meiner Eltern. Ich erwähne das explizit, weil ich mich als Kind oft ernsthaft gefragt habe, ob ich nicht adoptiert worden bin. Der Grund dafür war das Verhältnis zu meiner Mutter. Dass eine leibliche Mama so brutal mit ihrem Kind umgeht, konnte ich mir einfach nicht vorstellen. Wir beide hatten kein herzliches Verhältnis zueinander.

      »WIR SCHICKEN DICH IRGENDWANN MAL INS HEIM.«

      Diesen Satz habe ich nicht nur zu Weihnachten von ihr gehört. Es war eine verbale Ohrfeige, die mindestens genauso wehtat wie die echten Prügelstrafen, die ich häufig von ihr bezogen habe.

      Zugegeben: Ich habe meinen Eltern das Leben nicht gerade leicht gemacht. Ich war ein auffälliges Kind, denn ich hatte (und habe immer noch) ein ausgeprägtes, hochgradiges ADHS – Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktives-Syndrom. Lange Zeit hatten weder meine Eltern noch ich jedoch die leiseste Ahnung davon. Meine Mutter ist 1909 geboren, mein Vater 1913. Sie waren beide überfordert und wussten nicht, wie sie mit mir umgehen sollten.

      Als Kind und als Jugendlicher ignorierte ich pausenlos Grenzen und wurde mir der Folgen oft erst dann bewusst, wenn es bereits zu spät war. Mal spielerisch, mal mit Vorsatz probierte ich Dinge aus, die sich andere nie getraut hätten. Dafür bekam ich gelegentlich Applaus, aber vor allem sehr viel Ärger.

      Viele meiner Klassenkameraden schauten mich mit großem Respekt an, weil sie sich fragten: »Was wird Arno als Nächstes tun?« Ich war für sie wie ein entfesselter Gaukler, den sie gerne vorschickten, wenn sie selbst für einen Streich zu feige waren.

      Und ich habe mich gerne vorschicken lassen, weil ich auf der Suche nach Anerkennung war. Aber nach kurzem Beifall ist mein Publikum meistens sehr schnell verschwunden. Denn um die nächste Ecke kam womöglich schon der Lehrer, der dann nur mich für kaputtes Schulequipment oder zweckentfremdete Lehrmittel verantwortlich machte.

      Da war ich dann ganz allein. Freunde hatte ich nie. Keiner wollte sich wirklich mit mir einlassen, dazu war ich viel zu anders.

      Statt Wertschätzung und Bestätigung hagelte es nur böse Worte, Kritik und Befehle. In den ersten 15 Jahren meines Lebens habe ich – bis auf eine Ausnahme, über die ich noch berichten werde – kein gutes Wort über mich gehört. Sätze wie »Geh mir aus den Augen«, »Lass das«, »War ja klar, dass du das warst« oder »Arno fällt wegen seines aggressiven Verhaltens auf« waren an der Tagesordnung. Diese Worte haben sich tief in mein Unterbewusstsein eingegraben.

      So etwas ist Gift für eine Kinderseele, und die Negativsätze meines Lebens verfolgen mich sogar heute noch. Zumindest zeitweise. Genauso wie manche eindrücklichen Erlebnisse meiner Kindheit.

      Als ich zwölf Jahre alt war und zu Hause laut und vernehmlich solche »schmutzigen« Worte wie Sch… sagte, holte meine Mutter die gute alte Kernseife hervor, um mir diese Ausdrücke aus dem Mund »herauszuwaschen«. Ich wehrte mich mit Händen und Füßen, würgte, spuckte und hatte Angst zu ersticken, aber meine Mutter ließ nicht locker, bis die Seife in meinem Mund war.

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      Nach solchen Strafen wurde es ganz still in unserem Haus. Äußerlich und innerlich. Ich fühlte mich einsam, ungewollt und hilflos. Wenn ein Kind nie getröstet, sondern nur mit Vorwürfen konfrontiert wird, dann entsteht ein tiefes Einsamkeitsgefühl. Ein Gefühl von: Ich kann mich auf niemanden verlassen. Ich muss alleine klarkommen.

      So war es bei mir. Ich wurde zum Einzelkämpfer. Und nicht einmal auf mich selbst konnte ich mich wirklich verlassen. Denn ich machte mir die gleichen Vorwürfe, die ich von anderen zu hören bekam:

      »DU KANNST DAS NICHT.«

      »TYPISCH ARNO!«

      »VERSUCH ES GAR NICHT ERST.«

      Diese fiesen Stimmen kollidierten mit dem immerwährenden Tatendrang, den das ADHS mit sich brachte. Ich spürte schon früh, dass es brutal schwer, wenn nicht sogar unmöglich war, diese innere Lebhaftigkeit zu kontrollieren. Dieses unbewusste Gefühl der Rastlosigkeit und der ständigen Unruhe. Geist und Körper waren dauernd auf der Suche nach etwas Neuem, und Langweile konnte ich nur schwer ertragen.

      Das müssen Sie sich jetzt kurz mal vor Augen führen: Auf der einen Seite wurde ich von anderen und mir selbst immer niedergemacht und als »falsch« bewertet. Und auf der anderen Seite brachte meine Hyperaktivität immer neue Ideen hervor.

      imageEs zerriss mich schier. Und führte dazu, dass ich rastlos wurde und Langeweile kaum ertragen konnte, weil die Stimmen in mir dann noch lauter wurden. Langeweile war mein Feind.

      Genau wie Stillsitzen. Das gehörte ebenfalls nicht zu meinen Kernkompetenzen. Meine Mutter hat mich zeitweilig im Haus angebunden, damit ich keinen Unsinn anstellen und sie in Ruhe arbeiten konnte.

      Am Sonntag wurde ich mit meiner Schwester oft ins Kino geschickt statt in den Gottesdienst. Denn das Kino war einer der wenigen Orte, an denen ich ruhig war. Die Natur-, Heimat- und Tierfilme, die dort auf dem Programm standen, haben mich mehr fasziniert als die langatmigen Predigten im Gottesdienst. Und meine Schwester und ich haben uns hier ausnahmsweise mal nicht gegenseitig geärgert.

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      Stillsitzen gehörte nicht zu meinen Kernkompetenzen.

      Zu Hause haben wir uns natürlich in allerbester Geschwistermanier gestritten. Körperlich war meine Schwester mir dank des Altersunterschiedes zwar überlegen, aber ich war deutlich wendiger und schneller als sie, und so tat ich alles dafür, um einen Nahkampf zu vermeiden. Ich provozierte sie und lief dann rasch davon.

      Erwischte sie mich, so kämpften wir ohne Regeln oder irgendeinen Ehrenkodex. Wenn ich mir nicht mehr zu helfen wusste, biss ich ihr herzhaft in die Hand. Sie wiederum kratzte weltmeisterlich.

      Aber ich benötigte gar keine anderen Menschen, um mir wehzutun. Das schaffte ich durch so manche waghalsige Aktion auch sehr gut alleine.

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