Klein-Doritt. Charles Dickens

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Klein-Doritt - Charles Dickens


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junior hinauf. Dieser Diener nahm es sehr übel, daß er wiederkam, weil er hinter einem Verschlag an dem Korridorfeuer Kartoffelbrei mit Soße aß.

      Er wurde bei Mr. Barnacle junior vorgelassen und fand den jungen Mann noch immer damit beschäftigt, seine Knie zu wärmen und die langen Stunden bis vier Uhr wegzugähnen.

      »Ja, sehen Sie! Sie hängen sich ja verteufelt an uns«, sagte Barnacle junior und sah ihn dabei von oben herab an. »Ich möchte wissen –«

      »Sehen Sie. Bei meiner Seele, Sie müssen nicht hierherkommen und sagen, Sie möchten wissen, Sie verstehen«, warf Barnacle junior ein, indem er sich umwandte und sein Monokel aufsetzte.

      »Ich möchte wissen«, sagte Arthur Clennam, der durch den kurz angebundenen Ton seinen Worten den Ausdruck der Beharrlichkeit gab, »ich möchte genau wissen, welcher Art die Forderung der Krone gegen einen Schuldgefangenen namens Dorrit ist.«

      »Ja, sehen Sie! Sie gehen sehr rasch und entschieden zu Werke. Freilich, Sie haben keine Maßregeln erhalten«, sagte Barnacle junior, als wenn die Sache ernst würde.

      »Ich möchte wissen«, sagte Arthur und wiederholte seine Frage.

      Barnacle starrte ihn an, bis das Monokel herabfiel; er klemmte es wieder ein und starrte ihn an, bis es wieder herabfiel. »Sie haben kein Recht, so vorzugehen«, bemerkte er ungemein matt. »Sehen Sie. Was wollen Sie? Sie sagten mir ja, Sie wüßten nicht, ob es eine Staats- oder Privatangelegenheit sei.«

      »Ich habe mich jetzt vergewissert, daß es eine Staatsangelegenheit ist«, versetzte der Bittsteller, »und ich möchte nur wissen«, – damit wiederholte er seine monotone Frage.

      Der Erfolg derselben war, daß der junge Barnacle in seiner gleichmütig-gelangweilten Art wiederholte: »Sehen Sie! Bei meiner Seele, Sie sollten nicht hierherkommen und sagen, Sie möchten wissen, was Sie schon wissen.« Der Erfolg dieser Worte war, daß Arthur Clennam ihm seine Frage genau in denselben Worten und demselben Tone wie zuvor wiederholte. Der Erfolg seiner Worte auf den jungen Barnacle aber war, daß er ihm ein erstaunliches Schauspiel von Verlegenheit und Hilflosigkeit bot.

      »Nun, ich will Ihnen etwas sagen. Sehen Sie, Sie würden sich weit besser an das Sekretariat wenden«, sprach er endlich, ergriff die Glocke und läutete, »Jenkinson«, sagte er zu dem Kartoffelbreidiener, »Mr. Wobbler!«

      Arthur Clennam, der fühlte, daß er sich nun einem Sturmangriff auf das Circumlocution Office geweiht und nicht mehr zurück könne, folgte dem Diener nach einem andern Stockwerk des Gebäudes, wo ihm dieser das Zimmer Mr. Wobblers zeigte. Er trat ein und fand zwei Herren an einem großen und bequemen Schreibtisch einander gegenübersitzend, von dem der eine mit seinem Taschentuch einen Flintenlauf putzte, während der andere mit einem Papiermesser Marmelade aufs Brot strich.

      »Mr. Wobbler?« fragte der Fremde.

      Beide Herren sahen ihn an und schienen über diese Dreistigkeit erstaunt.

      »Er ging«, sagte der Mann mit dem Flintenlauf, der ungemein bedächtig sprach, »er ging zu seinem Vetter und nahm den Hund auf der Eisenbahn mit. Ein unschätzbarer Hund. Der Hund fuhr den Pförtner an, als er in das Hundehaus gesperrt wurde, und fuhr den Wächter an, als man ihn herausließ. Sein Herr tat ein halbes Dutzend Burschen in eine Scheune und einen guten Zuschuß von Ratten und richtete den Hund ab. Und als der Hund imstande war, es mit einer tüchtigen Anzahl aufzunehmen, ließ er ihn sich messen und setzte eine große Summe auf den Hund. Als der Wettkampf heranrückte, wurde so ein verteufelter Bursche bestochen, Sir, der Hund besoffen gemacht, und der Herr des Hundes verlor die Wette.«

      »Mr. Wobbler?« fragte der Supplikant.

      Der Gentleman, der die Marmelade auf das Brot strich, versetzte, ohne von dieser Beschäftigung aufzusehen: »Wie nannte er den Hund?«

      »Liebling«, erwiderte der andere. »Er sagte, der Hund sei das vollkommene Ebenbild der alten Tante, von der er Geld zu erwarten hat. Er fand ihn ihr dann namentlich ähnlich, wenn er von ihr in seinen Erwartungen getäuscht war.«

      »Mr. Wobbler?« fragte der Supplikant.

      Beide Herren lachten eine Zeitlang. Der Herr mit dem Flintenlauf, der ihn bei näherer Prüfung in befriedigendem Zustande fand, übergab ihn dem andern: und als er seinen Befund bestätigt sah, legte er ihn an seinen Platz in den Kasten, der vor ihm stand, nahm den Schaft heraus und polierte diesen, indem er leise dazu pfiff.

      »Mr. Wobbler?« sagte der Supplikant.

      »Was soll's?« sagte endlich Mr. Wobbler, der den Mund voll hatte.

      »Ich wünschte zu wissen –« begann Arthur Clennam und erklärte dann wieder ganz mechanisch, was er zu wissen wünschte.

      »Kann's Ihnen nicht sagen«, bemerkte Mr. Wobbler, der offenbar mit seinem Gabelfrühstück beschäftigt war. »Ich hörte nie davon. Habe durchaus nichts damit zu tun. Besser, Sie wenden sich an Mr. Clive, zweite Tür links auf dem nächsten Gang.«

      »Womöglich wird er mir dieselbe Antwort geben.«

      »Sehr wahrscheinlich. Weiß nichts davon«, sagte Mr. Wobbler.

      Der Fragesteller ging weg und hatte das Zimmer bereits verlassen, als der Herr mit der Flinte ihm nachrief: »Mister! Heda!«

      Er sah sich wieder um.

      »Schließen Sie die Tür hinter sich zu. Es zieht ja verflucht herein.«

      Einige Schritte brachten ihn nach der zweiten Tür auf der linken Seite im nächsten Gang. In diesem Gang fand er drei Herren: Nummer eins ohne besondere Beschäftigung; Nummer zwei ohne besondere Beschäftigung; Nummer drei ohne besondere Beschäftigung. Sie schienen jedoch direkter als die andern bei der wirklichen Durchführung des großen Grundsatzes des Office beteiligt zu sein, sofern sich ein ehrwürdiges inneres Gemach mit einer Doppeltür dort befand, in dem die Weisen des Circumlocution zum Rat versammelt schienen und aus dem beinahe beständig eine imposante Menge Papier hineinspazierte, womit ein weiterer Herr, Nummer vier, beschäftigt war. »Ich möchte wissen«, sagte Arthur – und brachte seine Sache in demselben Drehorgelton vor wie früher. Da Nummer eins ihn an Nummer zwei wies und da Nummer zwei ihn an Nummer drei wies, so hatte er Gelegenheit, die Sache dreimal vorzubringen, ehe sie ihn alle an Nummer vier wiesen, der er dann die Sache noch einmal wiederholte.

      Nummer vier war ein lebhafter, hübscher, gut gekleideter, angenehmer junger Mann – er war ein Barnacle, aber einer von der heiteren Seite der Familie, und er sagte in ungezwungenem Ton: »Sie würden besser daran tun, wenn Sie sich nicht um diese Sache bemühten, Sir.«

      »Mich nicht um die Sache bemühen?«

      »Nein! Ich rate Ihnen, sich nicht um die Sache zu bemühen.«

      Das war wieder ein so neuer Gesichtspunkt, daß Arthur Clennam verlegen war, wie er es aufnehmen sollte.

      »Sie können freilich dabei beharren, wenn's Ihnen beliebt. Ich kann Ihnen eine Menge von Formularen geben, die Sie nur auszufüllen brauchen. Da liegt ein ganzer Haufen. Sie können ein Dutzend haben, wenn Sie wollen. Aber es wird Ihnen nicht viel nützen«, sagte Nummer vier.

      »Sollte das eine so hoffnungslose Sache sein? Entschuldigen Sie: ich bin fremd in England.«

      »Ich sage nicht, daß es eine hoffnungslose Sache sei«, entgegnete Nummer vier mit einem offenen Lächeln. »Ich äußere keine Meinung in Beziehung auf die Sache, nur in Beziehung auf Sie. Ich glaube nicht, daß Sie damit Erfolg haben. Aber Sie können natürlich tun, was Ihnen beliebt. Ich vermute, daß es an der Erfüllung eines Kontraktes gemangelt hat, oder etwas dergleichen, nicht wahr?«

      »Ich weiß wirklich nicht.«

      »Nun, das werden Sie schon herausbringen. Dann werden Sie auch herausbringen, in welchen Bereich dieser Kontrakt gehört, und dann werden Sie überhaupt alles herausbringen.«

      »Ich bitte um Entschuldigung. Wie soll ich das herausbringen?«

      »Nun, Sie werden – Sie werden so lange fragen, bis man's Ihnen sagt. Dann werden Sie (nach


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