Friede kehrt ein. Karin Ackermann-Stoletzky

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Friede kehrt ein - Karin Ackermann-Stoletzky


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und das feiern wir an Weihnachten – oder so was Ähnliches. Aber ihr musste sie damit nicht kommen und das wusste die Schneider genau. Sie hielt nichts von dem frommen Getue um einen Heiland, der als Kind auf die Welt kommt und sich für die Menschheit opfert. Weihnachten, das ist das Fest der Liebe und der Familie, so sah sie die Sache. Natürlich gehörte an Heiligabend für manche Leute die Kirche dazu und das Lesen der Weihnachtsgeschichte und „O du fröhliche“ und „Stille Nacht“. Aber dann war es für die meisten auch abgehakt bis zum nächsten Jahr. Mit ihrem Alltag hatte das Ganze nichts zu tun. Ihr Mann nannte es „Folklore“ und „romantisches Tralala“. Schön anzusehen und angenehm im Gefühl, aber mehr nicht. Hauptsache, das Essen schmeckt, der Weihnachtsbaum steht gerade und die Kinder meckern nicht über ihre Geschenke. Deshalb war es ihr auch egal, ob in der Krippe nun eine Figur lag oder nicht.

      Sie hatte den Klebefilm-Abroller geholt und ruckzuck die Einschnitte in der Schachtel geflickt. Die Beschädigung war kaum noch zu sehen. Und dass da was fehlte, auch nicht.

      Und nun brachte doch tatsächlich einer die Figur zurück! Damit hätte sie nie gerechnet. Noch dazu ein Junge, der ganz ordentlich und manierlich aussah.

      Sie war etwas aus der Fassung geraten und setzte sich auf den Stuhl hinter den Kassentisch.

      „Was soll das hier kosten?“ Die Kundin, die sie eigentlich hatte im Auge behalten wollen, legte eine schwarz angelaufene Zuckerzange vor sie hin.

      „Fünf Euro, einverstanden? Die ist alt. Kann man nicht mehr nachkaufen.“

      „Gut, fünf Euro, die kriegen Sie. Gerne sogar! Genau so eine Zange hat mir noch gefehlt. Eigentlich hat man ja so was gar nicht mehr, aber ich bin noch vom alten Schlag, wissen Sie. Eine Zuckerzange muss sein, damit auf dem Kaffeetisch alles perfekt ist. Danke! Vielen Dank!“ Die Kundin zählte fünf Euromünzen auf den Geldteller und steckte das Objekt ihres Glücks freudestrahlend ein. „Ich seh mich noch ein bisschen um, ja? Vielleicht finde ich ja noch so einen Schatz, wer weiß!“

      Wieder schepperte die Tür, als jemand den Laden betrat. Sie erkannte sofort den Mann vom Gehsteig. Er hatte den Jungen im Schlepptau. Wie hieß er doch gleich? Johannes? Jetzt bin ich aber gespannt, dachte sie und griff nach der Figur, die sie neben der Kasse abgelegt hatte. Mit fragendem Blick hielt sie sie den beiden wortlos entgegen.

      Der Junge schaute zu dem Mann auf. Der nickte ihm aufmunternd zu: „Nun mal los!“

      Mit hochrotem Kopf trat der Junge einen kleinen Schritt vor und sagte leise: „Bitte entschuldigen Sie. Ich mach so was nie wieder. Es tut mir echt leid.“

      „Warst du das? Hast du das Jesuskind aus der Packung geholt?“

      „Ja, weil ... das fehlte bei uns. Wir haben zu Hause die gleichen Figuren und irgendwann war das Jesuskind weg und Mama hat überall gesucht, und als ich die Figur hier in Ihrem Laden gesehen habe, dachte ich, ich brauch ja nur das Kind. Und weil ich auch kein Geld hatte ... Aber ich weiß, dass man das nicht darf, klauen. Tut mir wirklich leid, bitte entschuldigen Sie!“

      Der Mann hatte ihn die ganze Zeit von der Seite angesehen und sagte nun leise: „Ist gut, Johannes. Jetzt ist es gut.“

      Der Junge sah sie fragend an. „Es ist doch gut, oder?“

      „Ja, es ist gut. Ich nehme deine Entschuldigung an. Du hast wirklich Mut, Johannes. Das hast du gut gemacht – das Entschuldigen, nicht das Stehlen.“

      Sie wandte sich an den Mann. „Und Sie auch. Sie haben das auch gut gemacht, den Jungen zu begleiten, meine ich.“

      Und zu Johannes sagte sie noch: „Wollen wir das Jesuskind wieder an seinen Platz legen? Kommst du mit?“

      Der Junge nickte mit gesenktem Kopf und sie gingen zu dritt in die Ecke mit dem Weihnachtsschmuck.

      Johannes fand die Schachtel mit dem geklebten Deckel sofort, hob ihn vorsichtig hoch und legte die Figur fast andächtig in die Futterkrippe. „Da gehört er hin“, hörte sie ihn leise sagen. „Weihnachten ohne Jesus, das geht ja gar nicht.“

      Weihnachten ohne Jesus, das geht ja gar nicht. Mit diesem Satz im Kopf fuhr sie nach Hause. Weihnachten ohne Jesus, das geht ja gar nicht. Mit diesem Satz im Kopf ging sie ins Bett, dieser Satz verfolgte sie, als sie nachts ein paar Mal aufwachte. Dieser Satz war auch am Morgen ihr erster Gedanke: Weihnachten ohne Jesus, das geht ja gar nicht.

      Später im Laden lief sie als Erstes in die Weihnachtsecke, nahm die Schachtel mit den Krippenfiguren in ihre Hände und strich sacht über das Jesuskind. Dann gab sie sich einen Ruck und wandte sich an ihre Mitarbeiterin: „Frau Schneider, darf ich Sie in der Mittagspause zu einem Kaffee einladen? Ich möchte Sie mal was fragen ...“

      von Monika Büchel

      Die Nachricht hatte uns aufgeschreckt, dass Opa das nächste Weihnachtsfest wohl nicht mehr erleben würde, das Fest, dem er noch immer mit kindlicher Freude, glänzenden Augen und großer Ungeduld entgegenfieberte.

      Wenn sie sich am ersten Weihnachtstag als Familie trafen, hatte er es sich nie nehmen lassen, die Weihnachtsgeschichte aus seiner großen, abgegriffenen Bibel vorzulesen. Wir Erwachsenen kannten das und warteten gespannt auf einen bestimmten Satz. Wenn er an diese Stelle kam, atmete Opa noch einmal tief durch und las mit seiner festen, wohlklingenden Stimme: „Euch ist heute der Heiland geboren.“ Danach schwieg er eine Weile, bevor er fortfuhr. Sogar als die Enkelkinder noch jünger waren, lauschten sie Opa still. Irgendwie spürten sie, wie besonders der Augenblick und wie wichtig Opa dieser eine Satz war.

      Ja, der Satz bedeutete ihm alles, denn das „Heute“ war für ihn nicht nur jene eine Nacht, damals vor 2000 Jahren in Bethlehem. Nicht nur in jener Nacht hatte Gott es hell werden lassen. Nicht nur in jener Nacht hatte Gott den Beweis geliefert, uns ganz nah zu sein. Nicht nur in jener Nacht hatte Gott seine tiefe Liebe zu uns in Jesus gezeigt. Dieses „Heute“ galt für Opa jeden neuen Tag, das ganze Leben lang. Auch an dem Tag, an dem er die Diagnose der unheilbaren Krankheit erhielt. Selbst da drang ein Lichtstrahl in die bevorstehende dunkle Zeit, weil Jesus, der Heiland, lebt und bei ihm sein würde, was auch immer geschieht. Das war Opas unerschütterlicher Glaube, weil er es tausendfach erlebt hatte.

      Als wir uns einigermaßen von dem Schock erholt hatten, hielten wir Erwachsenen Familienrat bei Mutter. Meine unverheiratete Schwester war aus dem Norden angereist, meine Frau und ich kamen aus dem Nachbarort gefahren. Unser Vater lag zu der Zeit im Krankenhaus. Es war klar, dass die Betreuung zu Hause immer schwieriger werden würde und Mutter die Pflege bald nicht mehr bewältigen konnte. Klar war auch, dass die Schmerzen unseres Vaters zunehmen würden.

      „Euer Vater ist sehr gefasst“, sagte Mutter und wischte sich die Tränen vom Gesicht. „Ich wünschte, wir könnten ihm noch eine ganz große Freude machen, bevor alles noch schlimmer wird.“

      Wir überlegten hin und her, machten Vorschläge, die wir bald wieder verwarfen. Es musste ja nicht nur etwas sein, worüber er sich freute, sondern etwas, was zu Hause möglich war und Vater nicht zu sehr anstrengen würde. Aber was?

      „Warum feiern wir nicht Weihnachten mit Vater?“, schlug meine Schwester vor.

      „Weihnachten im August? Mit Christbaum und so? Das geht doch nicht“, sagte meine 10-jährige Tochter, als meine Frau unseren Mädchen davon erzählte.

      Und die 14-Jährige meinte: „Da kommt doch gar keine Stimmung auf, mitten im Sommer. Da schmelzen ja die Kerzen am Baum.“

      Aber wir hielten an unserem Plan fest und feierten eine Woche später Weihnachten. Ich hatte – sehr zur Verwunderung meines Nachbarn – am Tag davor eine mittelgroße, gerade gewachsene Tanne im Garten gefällt, sie im Wohnzimmer meiner Eltern aufgestellt und mit meiner Frau und meinen Töchtern mit den üblichen Sternen und Kugeln und ausnahmsweise elektrischen Kerzen geschmückt. Darunter hatten wir die Krippe aus dem Erzgebirge aufgebaut. Was sonst ein ausgelassenes gemeinsames Unternehmen gewesen war, geschah diesmal eher traurig und still. Der Gedanke, dass Opa bald sterben würde, hatte uns bedrückt.

      Opa war am Morgen aus dem Krankenhaus entlassen worden


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