Dombey und Sohn. Charles Dickens

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Dombey und Sohn - Charles Dickens


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schrecklicher Stimme. »Was sagst du da? Aha! was soll das heißen?«

      Paul erschrak heftig, ergriff aber doch die Partei des abwesenden Glubb, obschon es nur mit Zittern geschah.

      »Er ist ein sehr lieber alter Mann, Ma'am«, sagte er, »und pflegte meine Kutsche zu ziehen. Er weiß alles von dem tiefen Meer, von den Fischen, die darin sind, und von den großen Ungeheuern, die da kommen und sich auf Felsen sonnen, wenn man sie aber aufschreckt, wieder ins Wasser stürzen und so blasen und plätschern, daß man sie auf weithin hören kann. Es gibt auch einige Tiere«, fuhr Paul fort, der über seinen Gegenstand warm wurde – »weiß nicht, wie viele Ellen lang, habe ihre Namen vergessen; aber Florence weiß es wohl – diese tun, wie wenn ein Mensch in der Not ist, und wenn Leute aus Mitleid sich ihnen nähern, so öffnen sie ihren großen Rachen und packen sie an. Man braucht aber dann nichts zu tun«, fuhr Paul fort, indem er seine Gelehrsamkeit keck sogar vor dem Doktor glänzen ließ – »als in anderer Richtung wegzulaufen: denn weil sie so lang sind und sich nicht biegen können, drehen sie sich nur langsam um, und man kann ihnen gut entgehen. Zwar weiß der alte Glubb nicht, warum das Meer meine Gedanken auf meine Mutter richtet, die tot ist, und auch nicht, was die See sagt und in einem fort sagt – aber dennoch weiß er viel von dem großen Wasser. Und es wäre mir lieb«, schloß endlich Paul mit kleinlauter Miene, als er wie ein verirrtes Wesen auf die drei fremden Gesichter hinsah, »wenn Ihr den alten Glubb herkommen ließet, damit er mich besuche, denn ich kenne ihn sehr gut, und er kennt mich.«

      »Ha!« rief der Doktor, seinen Kopf schüttelnd – »aber das Studieren wird viel ausrichten.«

      Mrs. Blimber gab in einer Art Schauderanfall ihre Ansicht dahin ab, daß Paul ein unerklärliches Kind sei, und sah ihn – wenn man den Unterschied der Züge in Rechnung brachte – fast so an, wie es Mrs. Pipchin zu tun pflegte.

      »Mach' einen Gang mit ihm durchs Haus, Cornelia«, sagte der Doktor, »damit er mit seiner neuen Sphäre vertraut werde. Geh mit dieser jungen Dame, Dombey.«

      Dombey gehorchte und gab der geheimnisvollen Cornelia die Hand, sah sie aber unterwegs stets mit schüchterner Neugierde von der Seite an. Wegen der glänzenden Gläser ihrer Brille hatte sie nämlich ein so mysteriöses Aussehen, daß er nie wußte, wohin sie schaute: ja er konnte nicht einmal zu der Gewißheit kommen, ob wirklich Augen dahinter verborgen seien.

      Cornelia führte ihn zuerst nach dem Schulzimmer, das an der hintern Seite der Halle lag. Der Zugang wurde durch zwei mit Tuch überzogene Türen vermittelt, welche die Stimmen der jungen Gentlemen dämpften und erstickten. Hier saßen nun acht junge Herrlein in unterschiedlichen Abstufungen geistiger Bedrücktheit, und man konnte deutlich sehen, wie schwer ihnen ihre Arbeit wurde. Toots, als der älteste, hatte in einer Ecke ein Pult für sich, und es kam unserem Paul vor, als befinde sich hinter demselben ein vornehmer sehr alter Mann.

      Mr. Feeder, B.A. der an einem andern kleinen Pult saß, studierte seinen Virgil und suchte vier jungen Gentlemen das Versmaß verständlich zu machen. Von den übrigen vieren zupften sich zwei krampfhaft an den Haaren ob der Lösung eines mathematischen Problems; einer mit einem Gesicht, von vielem Weinen einem schmutzigen Fenster ähnlich, gab sich Mühe, vor dem Mittagessen durch eine hoffnungslose Anzahl von Zeilen durchzuzappeln, und ein anderer saß in versteinerter und verzweifelter Betäubung, die sich vom Frühstück an seiner bemächtigt zu haben schien, über seiner Aufgabe.

      Da« Erscheinen eines neuen Knaben erregte nicht das Aufsehen, wie man es hätte erwarten sollen. Mr. Feeder, B.A., der um der größeren Abkühlung willen seinen Kopf zu rasieren pflegte, so daß man statt der Haare nur kurze Stoppeln sah, reichte ihm seine knöcherne Hand mit der Bemerkung, es freue ihn, den neuen Ankömmling zu sehen – eine Begrüßung, die Paul herzlich gern erwidert haben würde, wenn es ihm nur ein bißchen von Herzen gegangen wäre. Von Cornelia dazu aufgefordert, reichte sodann Paul den vier jungen Gentlemen an Mr. Feeders Pult die Hand, eine Prozedur, die später auch an den fieberischen Mathematikern, an dem tintigen jungen Gentleman, der mit der Zeit um die Wette arbeitete, und zuletzt auch an dem betäubten Knaben, der sich ganz kalt und welk anfühlte, vorgenommen wurde.

      Da Paul dem jungen Toots bereits vorgestellt war, so erging sich dieser junge Gentleman seiner Gewohnheit nach nur in einem schweratmigen Kichern und fuhr in seiner Beschäftigung fort. Letztere war nicht eben schwer zu nennen; denn da Toots bereits in mehr als einem Sinne so viel »durchgemacht« und auch, wie schon früher angedeutet wurde, in seinem Lenze zu blühen aufgehört hatte, so stand es ihm jetzt frei, seine Studien nach Belieben zu verfolgen. Letztere bestanden hauptsächlich darin, daß er lange Briefe von vornehmen Personen unter der Adresse ›P. Toots, Esquire, Brighton, Sussex‹ an sich selbst schrieb und sie mit großer Sorgfalt in seinem Pult aufbewahrte.

      Nach Beendigung dieser Förmlichkeit führte Cornelia Paul nach dem Hausgiebel hinauf – eine etwas langsame Wanderung, weil der Knabe auf jeder Treppe mit beiden Füßen anlangen mußte, ehe er eine weitere ersteigen konnte. Endlich erreichten sie jedoch das Ziel der Reise und traten in ein Vorderstübchen, das gegen die wilde See hinausging. Cornelia zeigte ihm daselbst ein reinliches kleines Bett mit weißen Behängen dicht am Fenster. Oben stak bereits eine Karte, auf welche mit sehr dicken Schatten- und sehr feinen Haarstrichen der Name »Dombey« geschrieben war. Durch eine ähnliche Belehrung erfuhr man, daß die beiden andern kleinen Bettstellen desselben Zimmers beziehungsweise einem Briggs und Tozer gehörten.

      Als sie wieder in der Halle unten anlangten, sah Paul den blödsichtigen jungen Menschen, welcher Mrs. Pipchin so tödlich beleidigt hatte, plötzlich einen sehr großen Trommelschlegel ergreifen und auf eine aufgehängte Metallplatte loshämmern, als sei er wahnsinnig geworden oder als wolle er Rache üben. Statt jedoch einen Verweis zu erhalten oder augenblicklich in Haft genommen zu werden, blieb besagter Übeltäter, trotz des schrecklichen Getöses, das er verursacht hatte, völlig unangefochten. Cornelia Blimber sagte jetzt zu Dombey, in einer Viertelstunde werde das Mittagessen aufgetragen, und er tue am besten, wenn er jetzt ins Schulzimmer gehe zu seinen »Freunden«.

      Demgemäß ging Dombey ehrerbietig an der Uhr vorbei, die sich stets mit gleicher Besorgnis nach seinem Befinden erkundigte, öffnete die Schulzimmertür ein klein wenig und schlich sich wie ein verirrter Knabe ein, obschon ihm hintendrein das Zuschließen einige Mühe machte. Seine Freunde standen, mit Ausnahme des steinernen, der unbeweglich an seiner Stelle sitzenblieb, im Zimmer umher, und Mr. Feeder streckte sich in seinem grauen Schlafrock, als sei er ohne Rücksicht auf die Unkosten fest entschlossen, die Ärmel abzureißen.

      »Heih ho hum!« rief Mr. Feeder, indem er sich wie ein Karrengaul schüttelte. »Jawohl, jawohl! Y-a-a-ah!«

      Paul erschrak sehr über Mr. Feeders Gähnen, denn es war ein Gähnen in großartigem Maßstab, und der betreffenden Person schien es fürchterlich ernst damit zu sein. Auch die Knaben insgesamt – mit Ausnahme des einzigen Toots – schienen ganz schachmatt zu sein und bereiteten sich für das Mittagessen vor. Einige banden sich ihre sehr steifen Krawatten neu um, und andere wuschen ihre Hände oder bürsteten sich in einem anstoßenden Vorzimmer die Haare, sahen aber dabei aus, als ob sie sich nicht sonderlich auf die Mahlzeit freuten.

      Der junge Toots, der bereits fertig war und deshalb nichts zu tun hatte, konnte allein etwas von seiner Zeit für Paul aufwenden und sagte deshalb mit schwerfälliger Gutmütigkeit:

      »Setz dich, Dombey.«

      »Danke, Sir«, entgegnete Paul.

      Die Mühe, die er sich nun gab, auf einen hohen Fenstersitz hinaufzuklettern, an dem er wieder herunterglitt, schien Toots' Geist für die Rezeption einer Entdeckung vorzubereiten.

      »Du bist ein sehr kleines Bürschlein«, sagte Mr. Toots.

      »Ja, Sir, ich bin klein«, entgegnete Paul. »Danke, Sir.«

      Denn Toots hatte ihm auf den Sitz geholfen und noch obendrein diesen Akt in recht liebevoller Weise erfüllt.

      »Wer ist dein Schneider?« fragte Toots, nachdem er ihn eine Weile gemustert hatte.

      »Bis jetzt hat stets ein Frauenzimmer meinen Anzug gemacht«, sagte Paul. »Die Schneiderin meiner Schwester.«

      »Mein


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