David Copperfield. Charles Dickens

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David Copperfield - Charles Dickens


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Ge­sicht und sehr lin­ki­scher Hal­tung und mit ei­ner An­zahl Oran­gen in ei­nem Schnupf­tuch. Da er nichts über die­ses Bün­del fal­len ge­las­sen, glaub­ten wir, er habe es wahr­schein­lich ver­ges­sen, als er weg­ging, bis Ham, der ihm nach­eil­te, mit der Nach­richt zu­rück­kam, es sei für Peg­got­ty be­stimmt. Von je­nem Tag an er­schi­en Bar­kis pünkt­lich um die­sel­be Stun­de je­den Abend und im­mer mit ei­nem klei­nen Bün­del, von dem er nie sprach, und das er re­gel­mä­ßig hin­ter die Tür stell­te und dort lie­gen ließ.

      Die­se Lie­bes­ga­ben wa­ren der ver­schie­dens­ten und ex­zen­trischs­ten Art. Ein­mal ein paar Schweins­fü­ße, dann ein un­ge­heu­res Na­del­kis­sen, ein hal­ber Ei­mer Äp­fel, ein Paar Je­tohr­rin­ge, ein Bün­del spa­ni­sche Zwie­beln, ein Do­mi­no­spiel, ein Ka­na­ri­en­vo­gel samt Kä­fig oder eine gepö­kel­te Schweins­keu­le.

      Auch sei­ne Lie­bes­wer­bung war ganz ei­gen­tüm­li­cher Art. Er sprach sel­ten ein Wort und konn­te stun­den­lang in der­sel­ben Stel­lung wie im Wa­gen beim Feu­er sit­zen und Peg­got­ty anglot­zen.

      Ei­nes Abends mach­te er, wahr­schein­lich von Lie­be be­geis­tert, einen Vor­stoß auf das Wachs­licht, mit dem sie im­mer ih­ren Fa­den wichs­te, steck­te es in die Wes­ten­ta­sche und nahm es mit. Von da an be­rei­te­te es ihm ein Haupt­ver­gnü­gen, den Stumpf, wenn er ge­braucht wur­de, aus der Ta­sche zu ho­len, was nicht ganz leicht war, da er, un­ter­des­sen halb ge­schmol­zen, re­gel­mä­ßig am Ta­schen­fut­ter fest­kleb­te.

      Er schi­en sich bei uns sehr wohl zu füh­len, aber durch­aus nicht ver­an­lasst zu se­hen, ir­gen­det­was zu spre­chen. Selbst wenn er Peg­got­ty auf der Ebe­ne spa­zie­ren­führ­te, mach­te er sich kei­ne Sor­gen dar­über. Er frag­te sie nur zu­wei­len, ob sie sich »be­hag­lich füh­le«, und Peg­got­ty hielt sich dann, wenn er fort­ge­gan­gen, die Schür­ze vors Ge­sicht und konn­te hal­be Stun­den lang la­chen. Auch wir freu­ten uns alle mehr oder we­ni­ger, aus­ge­nom­men höchs­tens die un­glück­li­che Mrs. Gum­mid­ge, de­ren Braut­stand von ganz ähn­li­cher Art ge­we­sen sein muss­te, da sie sich im­mer an den »Al­ten« er­in­ner­te.

      Als mei­ne Be­suchs­zeit ih­rem Ende ent­ge­gen­ging, hieß es ei­nes Ta­ges, dass Peg­got­ty und Mr. Bar­kis einen Fest­aus­flug ma­chen woll­ten und Emly und ich sie be­glei­ten soll­ten. In Er­war­tung des großen Ver­gnü­gens, Emly einen gan­zen Tag für mich zu ha­ben, konn­te ich die Nacht vor­her schon kaum schla­fen. In al­ler Frü­he wa­ren wir auf den Bei­nen, und wäh­rend wir noch beim Früh­stück sa­ßen, wur­de Mr. Bar­kis in der Fer­ne sicht­bar, eine Kut­sche auf den Ge­gen­stand sei­ner Nei­gung zu­len­kend.

      Peg­got­ty trug wie ge­wöhn­lich ihre sau­ber stil­le Trau­er­klei­dung, aber Mr. Bar­kis strahl­te in ei­nem neu­en blau­en Rock, den der Schnei­der so reich­lich an­ge­mes­sen, dass die Är­mel im käl­tes­ten Win­ter Hand­schu­he über­flüs­sig ge­macht hät­ten, wäh­rend der Kra­gen so hoch war, dass Bar­kis Haa­re auf dem Hin­ter­kopf weg­stan­den. Die blan­ken Knöp­fe wa­ren von der größ­ten Gat­tung. Aus­ge­stat­tet mit hel­len Bein­klei­dern und ei­ner gel­ben Wes­te schi­en mir Mr. Bar­kis ein Wun­der von Vor­nehm­heit zu sein.

      Als wir alle rei­se­fer­tig vor der Tür stan­den, be­merk­te ich, dass Mr. Peg­got­ty mit ei­nem al­ten Schuh be­waff­net war, der als Glücks­zei­chen hin­ter uns her­ge­wor­fen wer­den soll­te, und dass Mr. Peg­got­ty ihn Mrs. Gum­mid­ge zu die­sem Zweck hin­hielt.

      »Nein, lie­ber soll es je­mand an­ders tun, Da­niel«, wehr­te Mrs. Gum­mid­ge ab. »Ich bin ein ein­sa­mes, ver­las­se­nes Ge­schöpf, und al­les, was mich ans Ge­gen­teil er­in­nert, geht mich der Que­re.«

      »Komm, Alte«, rief Mr. Peg­got­ty, »nimms nur und wirf ihn.«

      »Nein, Da­niel«, wehr­te Mrs. Gum­mid­ge ab und schüt­tel­te trä­nen­den Au­ges das Haupt. »Wenn ich we­ni­ger fühl­te, könn­te ich mehr tun. Du fühlst nicht wie ich, Da­niel. Die Sa­chen ge­hen dich nicht der Que­re und du ih­nen nicht, s ist bes­ser, du tusts sel­ber.«

      Aber hier rief Peg­got­ty, die in großer Eil­fer­tig­keit von ei­nem zum an­de­ren ge­gan­gen war und alle ge­küsst hat­te, aus dem Wa­gen her­aus, dass Mrs. Gum­mid­ge es un­be­dingt tun müss­te. So tat es denn Mrs. Gum­mid­ge und warf auch lei­der zu­gleich einen trau­ri­gen Schat­ten auf den fest­li­chen Cha­rak­ter un­se­res Aus­flugs, in­dem sie in Trä­nen aus­brach und ganz ge­bro­chen Ham mit den Wor­ten in die Arme sank, dass sie al­ler Welt eine Last sei und am bes­ten auf der Stel­le ins Ar­men­haus gin­ge. Scha­de nur, dass Ham es nicht zur Aus­füh­rung brach­te.

      Nun ging es wei­ter auf un­serm Fest­pfad und das ers­te, was wir ta­ten, war, dass wir vor ei­ner Kir­che an­hiel­ten, wo Mr. Bar­kis das Pferd an ein Git­ter band und mit Peg­got­ty hin­ein­ging, wäh­rend Emly und ich al­lein zu­rück­b­lie­ben. Ich be­nutz­te die­se Ge­le­gen­heit, mei­nen Arm um Em­lys Tail­le zu le­gen und ihr vor­zu­schla­gen, da ich ja bald fort müs­se, woll­ten wir uns recht gut sein und uns den gan­zen Tag so glück­lich wie mög­lich ge­stal­ten. Da die klei­ne Emly zu­stimm­te und mir er­laub­te, sie zu küs­sen, kam ich ganz aus der Fas­sung. Ich sag­te ihr, ich könn­te nie eine an­de­re lie­ben und wäre be­reit, je­den um­zu­brin­gen, der sich um sie zu be­wer­ben wag­te.

      Wie sich die klei­ne lus­ti­ge Emly dar­über lus­tig mach­te! Mit ei­ner Mie­ne, als sei sie un­end­lich viel ge­schei­ter und äl­ter als ich! Sie sag­te, die klei­ne Hexe, ich sei ein kin­di­scher Jun­ge, und lach­te dann so ent­zückend, dass ich den Schmerz über die de­mü­ti­gen­de Be­nen­nung über der blo­ßen Freu­de, sie an­se­hen zu dür­fen, ver­gaß.

      Mr. Bar­kis und Peg­got­ty blie­ben ziem­lich lang in der Kir­che, ka­men aber end­lich wie­der her­aus. Dann fuh­ren wir hin­aus aufs Land. Un­ter­wegs wen­de­te sich Mr. Bar­kis nach mir um und sag­te, in­dem er lis­tig ein Auge zu­kniff:

      »Was fürn Na­men hab ich in den Wa­gen ge­schrie­ben?«

      »Kla­ra Peg­got­ty«, ant­wor­te­te ich.

      »Was fürn Na­men müsst ich jetzt an­schrei­ben, wenn ein Dach da wäre?«

      »Nicht wie­der Kla­ra Peg­got­ty?« frag­te ich.

      »Kla­ra Peg­got­ty-Bar­kis!« er­wi­der­te er und brach in ein Ge­läch­ter aus, dass die gan­ze Chai­se wa­ckel­te.

      Kurz, sie wa­ren ver­hei­ra­tet und wa­ren zu kei­nem an­de­ren Zweck in die Kir­che ge­gan­gen. Peg­got­ty hat­te ge­wünscht, dass es in al­ler Stil­le ge­schä­he, und hat­te kei­ne Zeu­gen zu der Fei­er­lich­keit ein­ge­la­den. Sie wur­de et­was ver­le­gen, als Mr. Bar­kis mit die­ser Mit­tei­lung her­aus­platz­te, und konn­te mich nicht ge­nug um­ar­men, um mir ihre un­ver­än­der­te Lie­be zu zei­gen. Bald be­ru­hig­te sie sich wie­der und sag­te, sie sei froh, dass al­les vor­bei wäre.

      Wir hiel­ten dann an ei­nem klei­nen Wirts­haus, wo wir er­war­tet wur­den und ein sehr gu­tes Mit­ta­ges­sen ein­nah­men und den Tag sehr an­ge­nehm zu­brach­ten. Wenn Peg­got­ty täg­lich ein­mal in den letz­ten zehn Jah­ren ge­hei­ra­tet ha­ben wür­de, hät­te sie nicht un­be­fan­ge­ner sein kön­nen. Sie war ganz wie sonst und mach­te mit der klei­nen Emly und mir vor dem Tee einen klei­nen Spa­zier­gang, wäh­rend Mr. Bar­kis phi­lo­so­phisch sei­ne Pfei­fe rauch­te, of­fen­bar da­mit be­schäf­tigt, sich sein künf­ti­ges Glück aus­zu­ma­len. Das schi­en sei­nen Ap­pe­tit an­zu­re­gen,


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