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ei­ner der Adress­kar­ten, die wir auf die Fäs­ser na­gel­ten, ge­schrie­ben: Mas­ter Da­vid Cop­per­field, Land­post­bü­ro Do­ver. Die­sen Zet­tel trug ich in der Ta­sche, um ihn auf dem Kof­fer zu be­fes­ti­gen. Dann sah ich mich nach je­mand um, der mir das Ge­päck ins Ein­schrei­be­bü­ro brin­gen könn­te.

      Nicht weit von dem Obe­lis­ken in Black­fri­ars Road fiel mein Blick auf einen lang­bei­ni­gen Bur­schen vor ei­nem nied­ri­gen, mit ei­nem Esel be­spann­ten Kar­ren. Als wir ein­an­der an­sa­hen, nann­te er mich »schuf­ti­ges Klein­geld« und frag­te mich, ob ich mir viel­leicht sein Ge­sicht für ei­ni­ge Jah­re ein­prä­gen woll­te, – wahr­schein­lich, weil ich ihn so an­starr­te. Ich ver­si­cher­te ihm, dass ich ihn nicht be­lei­di­gen woll­te und nur gern ge­wusst hät­te, ob er mir nicht eine klei­ne Be­sor­gung ma­chen möch­te.

      »Wat for ne Be­sor­jung?« frag­te der lang­bei­ni­ge Bur­sche.

      »Ei­nen Kof­fer fort­zu­schaf­fen«, ant­wor­te­te ich.

      »Wat for nen Kof­fer?«

      Ich sag­te ihm: mei­nen Kof­fer, der in der nächs­ten Stra­ße ab­zu­ho­len sei, und den er mir für sechs Pence nach dem Büro der Do­ver Land­kut­sche brin­gen möch­te.

      »Ab­je­macht, for n Six­pence«, sag­te der lang­bei­ni­ge Bur­sche, sprang auf sei­nen Kar­ren, der nichts als eine große Holz­mul­de auf Rä­dern war, und ras­sel­te dann in sol­chem Trab da­von, dass ich lau­fen muss­te, was ich konn­te, um mit dem Esel Schritt zu hal­ten.

      Der Bur­sche hat­te et­was Ab­sto­ßen­des in sei­nem We­sen, be­son­ders in der Art, wie er an Stroh kau­te, wäh­rend er mit mir sprach, was mir nicht ge­fiel. Da aber der Han­del ab­ge­schlos­sen war, tru­gen wir den Kof­fer zu­sam­men her­un­ter und leg­ten ihn auf den Kar­ren. Um nicht bei mei­nen Wirts­leu­ten auf­zu­fal­len, woll­te ich die Adres­se hier nicht be­fes­ti­gen und sag­te des­halb dem Bur­schen, er sol­le einen Au­gen­blick an der Ge­fäng­nis­mau­er von Kings-Bench hal­ten. Kaum wa­ren die­se Wor­te über mei­ne Lip­pen ge­kom­men, ras­sel­te er da­von, als ob er, der Kar­ren, der Esel – alle mit­ein­an­der – ver­rückt ge­wor­den sei­en. Ich war ganz au­ßer Atem vom Ru­fen und Hin­ter­her­ren­nen, als ich ihn an dem be­zeich­ne­ten Ort ein­hol­te.

      In mei­ner Auf­re­gung riss ich die hal­be Gui­nee mit aus der Ta­sche, als ich die Kar­te her­vor­hol­te. Ich nahm sie der Si­cher­heit we­gen zwi­schen die Zäh­ne, und ob­gleich mei­ne Hän­de sehr zit­ter­ten, hat­te ich die Kar­te eben zu mei­ner Zufrie­den­heit be­fes­tigt, als der lang­bei­ni­ge Bur­sche mich hef­tig un­ter das Kinn stieß und ich mei­ne hal­be Gui­nee in sei­ne Hand flie­gen sah.

      »Wat«, sag­te der jun­ge Mann, mich mit ei­nem ent­setz­li­chen Grin­sen am Kra­gen pa­ckend, »dat je­hört for de Po­li­zei. Woll­test aus­rücken, was? Komm uff de Po­li­zei, du Je­würm. Komm mit nach de Po­li­zei.«

      »Bit­te, ge­ben Sie mir mein Geld zu­rück«, sag­te ich er­schreckt, »und las­sen Sie mich los.«

      »Komm nach de Po­li­zei«, sag­te der Bur­sche. »Musst et vor die Po­li­zei be­wei­sen.«

      »Ge­ben Sie mir doch mei­nen Kof­fer und mein Geld!« rief ich und brach in Trä­nen aus.

      Der Bur­sche rief im­mer noch: »Uff de Po­li­zei!« und zerr­te mich zu dem Esel hin, als ob das der Po­li­zei­rich­ter wäre, dann be­sann er sich plötz­lich, sprang auf den Kar­ren und ras­te mit den Wor­ten »Ick fah­re nach de Po­li­zei« auf und da­von. Ich rann­te ihm nach, so schnell ich konn­te, hat­te aber kei­nen Atem mehr, ihm nach­zu­ru­fen, und wür­de es wohl auch kaum ge­wagt ha­ben. Wohl zwan­zig Mal in ei­ner Vier­tel­stun­de ent­ging ich knapp dem Über­fah­ren­wer­den. Jetzt ver­lor ich ihn aus den Au­gen, dann sah ich ihn wie­der, ver­lor ihn noch­mals, dann ver­setz­te mir je­mand einen Peit­schen­hieb, ein an­de­rer schrie mir nach; jetzt lag ich un­ten in der Gos­se, war wie­der auf­ge­stan­den, stürz­te je­mand in die Arme und rann­te schließ­lich ge­gen einen Pfahl. End­lich gab ich, ganz au­ßer mir vor Auf­re­gung und Furcht, halb Lon­don könn­te schon zu mei­ner Ver­fol­gung auf den Bei­nen sein, mei­nen Kof­fer und mein Geld auf und mach­te mich keu­chend und wei­nend, aber nicht einen Au­gen­blick still­ste­hend, auf den Weg nach Green­wich, der ers­ten Sta­ti­on nach Do­ver, wie ich ge­hört hat­te. Ich nahm we­nig mehr aus der Welt mit, als ich mei­ne Tan­te auf­su­chen ging, als ich an je­nem Abend, wo ihr mei­ne An­kunft so viel Är­ger be­rei­tet, in die Welt mit­ge­bracht hat­te.

      Als ich die Ver­fol­gung des Bur­schen auf­gab, moch­te ich wohl die Ab­sicht ge­habt ha­ben, den gan­zen Weg nach Do­ver zu lau­fen. Sehr bald aber mach­te ich Halt in Kent-Road vor ei­nem klei­nen Hau­se mit ei­nem win­zi­gen Tisch da­vor, in des­sen Mit­te eine große ge­schmack­lo­se Bild­säu­le, die auf ei­ner Mu­schel blies, stand. Hier setz­te ich mich auf eine Tür­stu­fe, ganz er­schöpft und so atem­los, dass ich nicht ein­mal über den Ver­lust mei­nes Kof­fers und mei­ner hal­b­en Gui­nee wei­nen konn­te.

      Es war be­reits dun­kel, und ich hör­te die Uhren zehn Uhr schla­gen. Zum Glück war eine Som­mer­nacht und schö­nes Wet­ter. Als ich wie­der zu Atem ge­kom­men, das er­sti­cken­de Ge­fühl in mei­ner Keh­le her­un­ter­ge­würgt hat­te, ging ich wie­der wei­ter. Ich dach­te nicht einen Au­gen­blick dar­an, um­zu­keh­ren.

      Es be­un­ru­hig­te mich sehr, dass ich nur drei­ein­halb Pence be­saß, wun­der­bar ge­nug, dass ich an ei­nem Sams­tag­abend über­haupt noch so viel in der Ta­sche hat­te. Ich sah mich schon in der Zei­tung un­ter ei­ner He­cke tot auf­ge­fun­den und schlepp­te mich elend, doch so schnell wie mög­lich fort, bis ich an ei­nem klei­nen La­den vor­bei­kam, wo, aus der Über­schrift zu schlie­ßen, Da­men- und Her­ren­gar­de­ro­be ge­kauft und der höchs­te Preis für Lum­pen, Kno­chen und Kü­chen­ab­fall ge­zahlt wur­de. Der In­ha­ber des La­dens saß in Hemds­är­meln vor der Tür und rauch­te. Vie­le Rö­cke und Ho­sen hin­gen von der nie­de­ren De­cke her­ab, und nur zwei trü­be Ker­zen er­hell­ten das In­ne­re des La­dens. Der Mann sah aus wie ein Ra­che­geist, der alle sei­ne Fein­de auf­ge­henkt hat und sich nun in Ge­müts­ru­he ih­res An­blicks freut.

      Die bei Mr. und Mrs. Mi­ca­w­ber er­worb­ne Er­fah­rung sag­te mir, dass sich mir hier ein Mit­tel bie­ten könn­te, um den Hun­ger­tod noch ein we­nig hin­aus­zu­schie­ben. Ich ging in das nächs­te Sei­ten­gäss­chen, zog mei­ne Wes­te aus, nahm sie sau­ber zu­sam­men­ge­rollt un­ter den Arm und kehr­te wie­der zu der La­den­tür zu­rück.

      »Sir«, sag­te ich, »ich soll dies um einen an­stän­di­gen Preis ver­kau­fen.«

      Mr. Dol­lo­by – die­sen Na­men führ­te das Fir­ma­schild – nahm die Wes­te, lehn­te die Pfei­fe an den Tür­pfos­ten, trat vor mir in den La­den, schneuz­te die bei­den Lich­ter mit den Fin­gern, brei­te­te die Wes­te auf dem La­den­tisch aus und be­trach­te­te sie, hielt sie ge­gen das Licht und sag­te end­lich:

      »Was nen­nen Sie denn einen Preis für das klei­ne West­chen?«

      »O, das wis­sen Sie wohl am bes­ten«, er­wi­der­te ich be­schei­den.

      »Ich kann nicht Käu­fer und Ver­käu­fer zu­gleich sein«, sag­te Mr. Dol­lo­by. »Nen­nen Sie einen Preis.«

      »Wür­den acht­zehn Pence –?« sag­te ich nach ei­ni­gem Zö­gern.

      Mr.


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