Nikolas Nickleby. Charles Dickens

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Nikolas Nickleby - Charles Dickens


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und sah den Bittsteller, das Haupt auf die Seite geneigt, mit schlauen Blicken an.

      »Die Obliegenheiten eines Sekretärs sind vielleicht etwas schwer abzugrenzen«, sagte Nikolas nach einigem Besinnen. »Sie umfassen, wie ich mir denke, die Korrespondenz.«

      »Gut. Und weiter?«

      »Das Ordnen von Papieren und Dokumenten.«

      »Sehr gut. – Und?«

      »Hin und wieder vielleicht etwas niederschreiben, was Sie diktieren. Eine Rede für irgendein öffentliches Blatt –«

      »Gewiß. Was sonst noch?«

      »Ich bin wirklich«, sagte Nikolas nach längerem Nachdenken, »ich bin wirklich im Augenblick nicht imstande, noch eine weitere Aufgabe eines Sekretärs namhaft zu machen. Es müßte denn die allgemeine sein, sich seinem Prinzipale soviel wie möglich nützlich zu erweisen, ohne dabei der eigenen Ehre etwas zu vergeben oder die Grenzen der Verpflichtungen zu überschreiten, die nach allgemeinen Begriffen schon durch den Titel seines Amtes angedeutet sind.«

      Mr. Gregsbury faßte Nikolas eine Weile fest ins Auge, ließ dann den Blick schlau durch das Zimmer gleiten und sagte mit halblauter Stimme:

      »Das ist alles recht schön, Sir. Wie ist Ihr Name?«

      »Nickleby.«

      »Alles recht schön, Mr. Nickleby, und vollkommen in der Ordnung. – Soweit – hm – aber es geht nicht weit genug. Es gibt auch noch andere Verpflichtungen, Mr. Nickleby die der Sekretär eines Parlamentsmitgliedes nicht außer Augen lassen darf! Ich müßte die Forderung an ihn stellen, von ihm in allem und jedem informiert zu werden.«

      Nikolas machte ein erstauntes Gesicht.

      »Mein Sekretär müßte sich vollständig mit der auswärtigen Politik, soweit sie in den Zeitungen behandelt wird, vertraut machen, müßte alle Berichte über öffentliche Versammlungen, sowie auch die Hauptsachen, die dabei zur Sprache kommen, durchlesen und sich alles notieren, was ihm geeignet scheint, als Effekt in irgendeiner kleinen Rede oder bei Behandlung einer oder der anderen Frage des Tages angebracht zu werden. Verstehen Sie mich?«

      »Ich denke, Sir.«

      »Ferner«, fuhr Mr. Gregsbury fort, »würde es für ihn notwendig sein, hinsichtlich der Tagesfragen, die in den Zeitungen besprochen werden, stets auf dem laufenden zu bleiben, und auch das ›Mosaik‹, wie zum Beispiel geheimnisvolles Verschwinden und mutmaßlicher Selbstmord eines Bierausträgers und dergleichen, woran sich eine Frage an den Staatssekretär des Ministeriums des Innern knüpfen ließe, nicht zu übersehen. Er hätte dann die Anfrage und das, was mir eventuell von der Antwort noch im Gedächtnis wäre, nebst Beifügung eines kleinen Kompliments über meine selbständige Betätigung und Emsigkeit aufzuschreiben und an irgendein Lokalblatt zu senden, könnte es allenfalls auch mit einem halben Dutzend Zeilen befürworten und darin andeuten, daß ich im Parlament stets auf meinem Platze wäre, mich nie der schweren und wichtigen Pflichten entzöge und so fort. Begreifen Sie?«

      Nikolas verbeugte sich.

      »Außerdem würde ich von ihm erwarten, daß er hin und wieder einen Blick in die gedruckten statistischen Tabellen würfe und einige Resultate herauszöge, die mir zum Beispiel bei der Holzzollfrage und ähnlichen finanziellen Verhandlungen einen Namen machen können. Auch wäre es mir angenehm, wenn er kleine Belege für die unheilvollen Wirkungen einer eventuellen Wiedereinführung der Zahlungen in gemünztem Gelde und des Metallumlaufes, nebst gelegentlichen Andeutungen über die Ausfuhr von Gold- und Silberbarren, den Kaiser von Rußland, Banknoten und derartige Dinge sammelte. Man brauchte es jedoch nicht besonders gründlich damit zu nehmen, da es doch niemand versteht. Ist Ihnen das klar?« »Ich glaube Sie zu verstehen«, sagte Nikolas.

      »Bei Fragen von nichtpolitischem Charakter«, fuhr Mr. Gregsbury, immer wärmer werdend, fort, »und in Fällen, wo es die Wohlfahrt des Pöbels und dergleichen betrifft, hätten Sie einige allgemeine menschenfreundliche Reden auszuarbeiten. Andererseits, wenn zum Beispiel irgendeine widersinnige Bill eingebracht würde, wie etwa das Recht der Schriftsteller an ihrem geistigen Eigentum und ähnliches dummes Zeug, zu dem ich nie meine Zustimmung geben würde, so weisen Sie auf das Recht des Publikums auf das geistige Nationaleigentum hin. Dann und wann bei wichtigen Debatten hätten Sie sich in die vorderen Reihen der Galerie zu setzen und zu Ihren Nachbarn zu sagen: ›Sehen Sie jenen Herrn dort? Den mit der Hand an der Stirne, der den Arm um den Pfeiler geschlungen hat? Das ist Mr. Gregsbury! Der berühmte Mr. Gregsbury.‹ Nebst anderen kleinen Lobsprüchen, wie Sie Ihnen eben der Augenblick eingibt. – Was schließlich das Gehalt anbelangt«, warf Mr. Gregsbury hin, »was schließlich das Gehalt anbelangt, so soll es mir nicht darauf ankommen, eine runde Summe zu bewilligen. Sagen wir fünfzehn Schillinge wöchentlich, wobei Sie sich natürlich selbst zu verköstigen hätten.«

      Dabei lehnte sich Mr. Gregsbury in seinem Stuhle zurück und gab sich das Air eines Mannes, der zwar verschwenderisch freigebig gewesen, aber dessenungeachtet fest entschlossen ist, kein Wort von seinem Angebot zurückzunehmen.

      »Fünfzehn Schillinge wöchentlich sind nicht viel«, wendete Nikolas schüchtern ein.

      »Nicht viel? Fünfzehn Schillinge wöchentlich nicht viel, junger Mann?« rief Mr. Gregsbury. »Fünfzehn Schillinge wöch –«

      »Ich bitte, glauben Sie nicht, daß ich die Summe bemängle«, entschuldigte sich Nikolas. »Ich schäme mich nicht zu bekennen, daß sie, so gering sie auch sein mag, für mich immer noch bedeutend ist. Aber die Pflichten und Verantwortlichkeiten lassen das Gehalt klein erscheinen, und diese sind in der Tat so schwer, daß ich mich scheue, sie zu übernehmen.«

      »Sie wollen also die Stelle nicht annehmen, Sir?« fragte Mr. Gregsbury mit der Hand an der Klingelschnur.

      »Ich fürchte, ich bin ihr nicht gewachsen.«

      »Das will also soviel sagen, daß Sie den Posten nicht übernehmen und fünfzehn Schillinge wöchentlich für zu wenig halten?« fragte Mr. Gregsbury und klingelte. »Sie lehnen also wirklich ab, Sir?«

      »Ich habe keine andere Wahl.«

      »Die Türe, Mathäus!« rief Mr. Gregsbury, als der Bediente erschien. »Es tut mir leid, Sie unnötig inkommodiert zu haben, Sir«, entschuldigte sich Nikolas.

      »Mir gleichfalls«, entgegnete Mr. Gregsbury, Nikolas den Rücken kehrend. »Die Türe, Mathäus!«

      »Guten Morgen«, sagte Nikolas.

      »Die Türe, Mathäus!« wiederholte Mr. Gregsbury.

      Der Bediente winkte Mr. Nickleby, taumelte träge die Stiegen hinunter voraus, öffnete die Türe und führte ihn auf die Straße.

      Mit trauriger und nachdenklicher Miene trat Nikolas seinen Heimweg an.

      Smike hatte inzwischen aus den Überresten des gestrigen Abendessens eine Mahlzeit zusammengestellt und harrte ängstlich seiner Rückkehr. Die Ereignisse des Morgens waren nicht geeignet, Nikolas' Appetit zu vermehren, und so blieb denn das Mittagsmahl von seiner Seite unangetastet. Er saß in nachdenklicher Stellung da und hatte die Schüssel, die der arme Junge sorgsam mit den auserlesensten Bissen gefüllt hatte, unberührt vor sich stehen, als Newman Noggs ins Zimmer trat.

      »Wieder zurück, Mr. Nickleby?«

      »Ja, aber todmüde. Und, was das schlimmste ist, ohne Erfolg; ich hätte ebensogut zu Hause bleiben können.«

      »Sie dürfen nicht erwarten, an einem einzigen Morgen viel auszurichten«, tröstete Newman.

      »Kann sein; aber ich bin etwas sanguinisch und hoffte eben«, sagte Nikolas. »Ich bin wirklich aufs ärgste enttäuscht.« Er erzählte sodann Newman, wie es ihm ergangen.

      »Wenn ich nur irgend etwas tun könnte«, klagte er. »Irgend etwas, bis mein Onkel zurückkehrt. Ich würde ihm leichteren Herzens und in glücklicherer Stimmung gegenübertreten können. Der Himmel weiß, daß ich mich nicht scheue zu arbeiten, und es bringt mich rein zum Wahnsinn, daß ich untätig hier angebunden sein soll wie ein wildes Tier im Käfig.«

      »Hm.


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