Das letzte Mahl. Harald Schneider

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Das letzte Mahl - Harald Schneider


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gewundert, warum er nur angerufen hat.«

      »Wahrscheinlich hat er ein kleines Bewegungsdefizit«, erklärte ich. »Ein paar blaue Flecken hat er abbekommen.«

      »Du auch?«, wollte Gerhard wissen.

      »Sportlich wie ich bin, konnte ich geschickt ausweichen und musste nur wegen des Geruchs unter die Dusche. In den riesigen Hallen gibt es nichts außer Gemüse. Das kann man sich als normaler Mensch gar nicht vorstellen.«

      Ich erhielt schallendes Gelächter zur Antwort. »Du und sportlich«, meinte Gerhard. »Zwei Welten prallen aufeinander.«

      »Wer ist diese Heidelinde Rustik?«, fragte Jutta, nachdem sie sich beruhigt hatte. »KPD sagte, dass wir alles über diese Frau in Erfahrung bringen sollen. Und alles über die Führungsriege des Pfalzmarkts.«

      »Warum macht das nicht Jürgen?« Unser Jungkollege Jürgen war der Vierte in unserem Team und unter anderem für Recherchen zuständig. Was er nicht herausfand, das gab es nicht. Manchmal schoss er bei der Tiefe seiner Untersuchungen über das Ziel hinaus, doch seine Ergebnisse hatten stets Hand und Fuß.

      »Der ist auf IT-Lehrgang beim LKA«, sagte Gerhard. »Das weißt du aber seit Wochen.«

      »Hab’s vergessen«, knurrte ich.

      »Was ist jetzt mit dieser Rustik?«, hakte Jutta nach.

      »Eine Landwirtin, nichts weiter. Sie hat einen Aussiedlerhof zwischen Dannstadt und Hochdorf und war zufälligerweise dabei, als der Unfall mit dem Gemüse passierte. Kurz zuvor berichtete sie von Lastwagen, die in der Nähe ihres Hofes nachts angeblich umgeladen werden.«

      »Und deswegen gehört sie zu den Tätern?«

      »Täter? Wie kommst du auf den Schwachsinn?«

      »Weil KPD es gesagt hat.«

      »Ach was«, sagte ich leicht verärgert, »KPD spinnt, habe ich das vorhin nicht schon einmal gesagt? Leider hat die gute Frau KPD und mich für heute Abend zum Essen eingeladen.«

      »Zum Essen?«

      Mist, das mit dem Abendessen wollte ich meinen Kollegen eigentlich verheimlichen, um nicht noch mehr Häme zu kassieren. »Nur ein Imbiss«, verharmloste ich. »KPD will sich die Situation vor Ort anschauen, vor allem dort, wo die Lkws umgeladen werden.«

      »Und Argumente für ihre Täterschaft suchen«, ergänzte Gerhard.

      »Das auch«, bejahte ich. »Da kann er aber lange suchen. Das Ganze ist ein absolut überflüssiger Abendtermin. Für mich schon der zweite oder dritte in diesem Jahr. Kein Wunder, dass mein Überstundenkonto bis zum Anschlag gefüllt ist. Wenn mir KPD das auszahlen würde, könnte ich bis zur Pension zu Hause bleiben.«

      Meine Kollegen lachten erneut. »Jetzt übertreib mal nicht, Reiner. Unser Chef hat dich in letzter Zeit in Ruhe gelassen. Eine kurze Fahrt nach Dannstadt gemeinsam mit ihm wird dich nicht umbringen.«

      »Hoffen wir’s. So sicher bin ich mir da nämlich nicht. Ich werde euch morgen berichten. Jetzt mache ich aber erstmal Pause, bis KPD sich meldet.«

      Ich schaffte es, zwei Tassen Kaffee zu genießen. Währenddessen fachsimpelte ich mit Gerhard über unsere sportlichen Erfolge. Als Marathonläufer war er natürlich ein wenig fitter aufgestellt. Als ich ihm erzählte, dass ich vorhin den ganzen Weg zur Dienststelle zu Fuß zurückgelegt hatte, pfiff er erstaunt durch die Zähne. »Und das in deinem Alter ohne Pause? Oder hast du dir unterwegs eine Verpflegungsstation eingerichtet?«

      In das allgemeine Gelächter klingelte das Telefon. Schon am Schrillen war mir klar, dass der Anrufer KPD sein musste.

      »Haben Sie sich gut vorbereitet?«, fragte KPD, als ich in sein gigantisches Büro kam, das mehr als zwei Drittel des Obergeschosses einnahm. An der Wand hingen Baupläne, die mich neugierig machten. Als ich erkannte, was ich sah, musste ich hart schlucken, dann böse lächeln. Wenn KPD diese Pläne tatsächlich umsetzen würde, wäre er die längste Zeit Dienststellenleiter gewesen. Und vermutlich auch Beamter. Kein Polizeipräsident, kein Innenminister würde es zulassen, dass er die Außenfassade unserer zugegebenermaßen baulich sehr schlichten Dienststelle in ein zweites Schloss Neuschwanstein verwandelte. Sogar die diversen Turmbauten waren dem Original nachempfunden.

      »Tolle Sache«, lästerte ich mit Blick auf die Pläne. »Dann haben wir endlich keine Raumnot mehr.«

      KPD fühlte sich geschmeichelt. »Das ist aber alles noch streng geheim, Palzki. Ich habe die Baupläne gerade eben aufgehängt, um mir ein Gesamtbild verschaffen zu können. Außer Ihnen weiß noch niemand davon.«

      »Nur der Architekt.«

      »Welcher Architekt?«, fragte KPD sofort. »Mit meiner allumfassenden Kompetenz benötige ich keinen Fachmann.« Er ging zur Wand und hängte die Pläne ab. Während er sie vorsichtig in Papprollen verstaute, fragte er nach: »Was ist jetzt? Was haben Sie über diese dubiose Landwirtin herausbekommen?«

      »Unsere Fachkraft für Recherchen ist zurzeit auf Fortbildung, und Frau Wagner ist überlastet. Auf die Schnelle konnten wir nichts Beunruhigendes finden, das für eine Untersuchungshaft reicht.«

      »Die sind schlau, die Leute vom Pfalzmarkt«, sagte KPD mehr zu sich selbst. »Es hätte mich gewundert, wenn wir sofort das Motiv durchschauen könnten. Ich gehe davon aus, dass es äußerst verzwickte Ermittlungen werden, Palzki. Deswegen kann ich Sie nicht alleine losschicken. Ohne meine Erfahrung, mein Wissen und meine Kompetenz würden Sie hoffnungslos untergehen.«

      »Keine Angst, Herr Diefenbach, ich werde mich im Hintergrund halten und Ihnen die Ermittlungshoheit überlassen. Ab morgen werden Sie ja bestimmt ohne mich auskommen.«

      KPD hatte andere Pläne mit mir. »Im Prinzip stimmt das, was Sie sagen, Palzki. Ich komme immer bestens ohne Sie aus. Generell sind Sie sowieso ein unablässiger Störfaktor in der von mir sehr gut geführten Dienststelle. Aber dieses Mal brauche ich Sie, und das leider nicht nur heute.«

      »Sie … Sie … äh … Sie brauchen mich?«, stotterte ich. Nie hätte ich gedacht, dass solche Worte über KPDs Lippen kommen könnten.

      »Ich wollte, es wäre anders«, meinte KPD. »Aber da Sie offensichtlich diesen Aufsichtsratsvorsitzenden persönlich kennen, muss ich über meinen Schatten springen.«

      Jetzt wusste ich, was los war. Mein Chef dachte, dass ich Christian Deyerling kennen würde, weil er sich mit mir, aber nicht mit ihm unterhalten hatte. Ich beschloss, diesen Joker zunächst für mich zu behalten, auch wenn mir KPD deswegen bestimmt einen unangenehmen Job aufbürden würde. »Ich kenne viele prominente Bürger und bin fast überall beliebt«, sagte ich allgemein gehalten.

      »Das verstehe, wer will«, brummte KPD mürrisch. »Jedenfalls werde ich Sie undercover im Pfalzmarkt einschleusen. Dann kann ich Sie nach Gutdünken lenken, und Sie berichten mir täglich, was passiert.«

      »Das ist eine ganz schlechte Idee, Herr Diefenbach. Christian Deyerling kennt mich gut und weiß, dass ich ein erfolgreicher Kriminalhauptkommissar bin. Er wird sofort Lunte riechen.«

      KPD lachte kurz auf. »Erfolgreich, da habe ich andere Vorstellungen. Der Chefclan des Pfalzmarkts kann gerne wissen, dass ich ihm auf der Spur bin. Irgendwann werden die sich verraten. Und Sie werden mir das dann brühwarm weiterleiten. Aber so weit sind wir noch nicht. Heute will ich mir zunächst ein Bild von dieser Landwirtin machen. Ich gehe davon aus, dass sie nicht nur eine Genossin des Pfalzmarkts ist. Es muss eine weitere Verflechtung zum Großmarkt geben.«

      »Die Sache mit den Lastwagen?«

      KPD winkte ab. »Das ist bestimmt nur eine falsche Spur, um von dem Attentatsversuch auf mich abzulenken. Können wir fahren, Palzki?«

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