Das letzte Mahl. Harald Schneider

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Das letzte Mahl - Harald Schneider


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können sich auch jederzeit vertraulich an die Polizei wenden.«

      »Das möchte ich aber im Moment nicht. Es ist eine Art Interessenskonflikt, verstehen Sie?«

      »Hat es mit dem Pfalzmarkt zu tun?«

      Sie hob kurz die Schultern. »Ich weiß nicht, es könnte schon sein.«

      »Einen kleinen Moment bitte.« Hinter ihr sah ich, dass niemand am benachbarten Bierstand wartete. Da ich sowieso über die Lage nachdenken musste, nutzte ich die kurze Auszeit, um mir ein Bier zu besorgen.

      »Dürfen Sie im Dienst Alkohol trinken?«, fragte Heidelinde Rustik, als ich wieder zu ihr zurückkam.

      »Ich hoffe, Sie verraten mich nicht«, entgegnete ich. »Aber jetzt sagen Sie endlich, was Sie konkret von mir wollen.«

      »Sie könnten meiner Vermutung nachgehen. Inkognito, meine ich. Ohne dass es Ihr Chef oder sonst wer erfährt.«

      »Liebe Frau Rustik, ich bin Polizeibeamter, kein Privatdetektiv.«

      Sie ließ nicht locker. »Meine Tochter sagte mir, dass Sie regelmäßig mit dem Autor Dietmar Becker zusammenarbeiten.«

      Damit war mein Verdacht endgültig bestätigt. Ich seufzte theatralisch, bevor ich antwortete. »Die Bücher von diesem Becker sind erfunden, gute Frau! Roman, Fiktion, Belletristik oder was weiß ich.«

      »Aber Sie spielen doch selbst mit, Herr Palzki. Sonja hat mir ein paar Passagen vorgelesen, das klingt für mich absolut realistisch.«

      »Ist es aber nicht«, unterbrach ich sie barsch. »Ich darf behördliche Ermittlungen nur aufnehmen, wenn Sie Ihren Verdacht offiziell zu Protokoll geben. Alles andere sind üble Fantasien eines Möchtegernschriftstellers.«

      Sie sah mich herausfordernd an. »Eine andere Möglichkeit gibt es nicht? Ich kann Ihnen als kleines Dankeschön ein paar Kisten unseres leckeren Gemüses anbieten. Oder wie wäre es ein Jahr lang mit einer wöchentlichen Lieferung der saisonalen Kostbarkeiten unserer Felder frei Haus? Bei solch einem Angebot kann niemand widerstehen.«

      Während sich meine Stimmbänder schockartig verkrampften und ich nach Luft schnappte, kam unerwartete Rettung.

      »Da sind Sie ja, Palzki!«, dröhnte es basslastig von hinten. KPD hatte mich gefunden. »Der Pfalzmarkt ist bei mir unten durch, hier herrscht eine völlig chaotische Organisation. Stellen Sie sich einmal vor, die haben glatt vergessen, mir einen Ehrenplatz in vorderster Reihe zu reservieren. Und dann haben sie mich sogar von der Bühne herunterkomplimentiert. Auf übelste Art und Weise!« KPD steigerte sich in seinen Wahn hinein.

      Ich hatte einen Einfall. Mit einer Hand winkte ich Frau Rustik näher, mit der anderen wischte ich vor KPDs Gesicht herum, sodass dieser sichtlich irritiert verstummte.

      »Was soll das, Palzki? Sind Sie noch bei Sinnen? Ich werde …«

      »Halt!«, schrie ich, bevor er sich weiter hineinsteigern konnte. »Ich habe eine wichtige Information für Sie als wichtige Person.«

      So einfach konnte man meinen Chef neugierig machen. Er war ja so berechenbar.

      »Eine wichtige Info?« KPD schaute mich scharf an. »Da bin ich aber mal sehr gespannt. Hat Ihnen der Aufsichtsratsvorsitzende informelle Geschäftsgeheimnisse anvertraut? Mich hat er ja abblitzen lassen. Das empfinde ich als Kampfansage, jetzt geht es um die Wurst!«

      »Jetzt spielen Sie mal nicht die beleidigte Leberwurst, Herr Diefenbach. Wir befinden uns nicht in einem Fleischgroßhandel. Die wichtige Information stammt nicht von Herrn Deyerling.«

      »So?« KPDs debiler Blick müsste man fotografieren und der Nachwelt erhalten.

      Ich machte es spannend und ärgerte ihn zusätzlich um eine Nuance. »Oh, meine Flasche ist leer. Soll ich Ihnen ein Bier mitbringen?«

      »Haben Sie mich schon jemals Bier trinken sehen, Palzki? In meiner wichtigen Position ist es nicht üblich, Bier zu trinken. Holen Sie mir ein Gläschen Champagner, aber zuerst erzählen Sie mir von dieser wichtigen Sache.«

      Mit einer Handbewegung zeigte ich zu der Landwirtin. »Frau Rustik wird Ihnen alles erzählen. Es ist von solcher Wichtigkeit und Brisanz, dass sie die Information nicht einmal mir anvertraut hat. Zum Glück sind Sie gerade rechtzeitig dazugekommen.«

      Heidelinde Rustik funkelte mich böse an, doch was sollte sie tun? Nach meiner Absage konnte sie jetzt nur noch bei KPD punkten.

      »Also gut«, begann sie. »Die Sache ist deswegen heikel, weil sie mit dem Pfalzmarkt zu tun haben könnte.«

      KPD rieb sich die Hände. »Dunkle Machenschaften in diesem Unternehmen? Habe ich es doch gleich gewusst. Erzählen Sie, Frau Rustik, legen Sie los.« Ein boshaftes Grinsen zierte sein Antlitz.

      Die Landwirtin trat näher an KPD heran. Da sie mich latent ebenfalls ein klein wenig neugierig gemacht hatte, stellte ich mich möglichst unauffällig hinter sie, um nichts zu verpassen.

      »Der landwirtschaftliche Betrieb, den ich von meinen Eltern geerbt habe und gemeinsam mit meinem Mann bewirtschafte, liegt westlich von Dannstadt in Richtung Hochdorf, Luftlinie keine zwei Kilometer von hier. Vor dem Haupthaus führt die Landstraße vorbei. Schräg gegenüber gibt es einen Parkplatz, der häufig von Lkws genutzt wird. Meist nur für ein paar Stunden, maximal über Nacht.«

      Da in diesem Moment mehrere Personen vorbeigingen, machte sie eine kurze Pause. »Seit ein paar Wochen beobachte ich, dass dort vermehrt Laster mit ausländischem Kennzeichen parken. Das mag jetzt noch nicht verdächtig klingen, doch sie werden auf dem Parkplatz heimlich umgeladen.«

      »Heimlich?«, hakte KPD nach. »Wie soll ich das verstehen, und was hat der Pfalzmarkt damit zu tun?«

      »Das weiß ich doch nicht«, sagte Rustik. »Es ist mir nur aufgefallen. Bis vor ein paar Wochen gab es das noch nicht. Jedenfalls nicht auf diesem Parkplatz. Es ist halt seltsam, dass das fast vor den Toren des Pfalzmarkts passiert. Außerdem kann ich mir keinen Grund vorstellen, warum dies getan wird. Die Lkws sind mutmaßlich Tausende von Kilometern unterwegs gewesen und werden dann kurz vor dem Ziel umgeladen.«

      »Wenn das Ziel wirklich der Pfalzmarkt sein sollte«, mischte ich mich ein. Dafür kassierte ich von KPD einen optischen Verweis. Jedenfalls interpretierte ich seinen Blick so.

      »Konnten Sie erkennen, welche Waren umgeladen wurden?«

      Ich staunte. Mein Chef war in der Lage, sinnvolle Fragen zu stellen.

      »Ich habe mich nicht näher rangetraut. Auf jeden Fall handelte es sich um Palettenware, die mit Folie umwickelt war. Den Aufschriften auf den Seitenplanen und dem Geruch nach konnte es sich nur um Gemüse handeln.«

      KPD ereiferte sich: »Und Sie meinen, dass das Gemüse kurz vor der Anlieferung am Pfalzmarkt umgepackt wird? Da hätten wir ja einen faustdicken Skandal. Ich werde sofort eine förmliche Unter…«

      »Ich meine gar nichts«, unterbrach Rustik. »Ich werde einen Teufel tun und den Pfalzmarkt verdächtigen.« Sie schaute kurz zu Boden. »Die Umpackaktionen laufen immer spätabends bei Dunkelheit. Meist stehen die Laster dabei leicht versetzt zueinander, sodass man beim Vorbeifahren nicht sehen kann, was im Detail passiert. Als ich mit meiner Tochter darüber gesprochen habe, kam mein Schwiegersohn dazu. Dieter hat sich am gleichen Abend hinter einem Gebüsch auf die Lauer gelegt, konnte aber ebenfalls nichts in Erfahrung bringen. Am nächsten Tag hat er einen der beteiligten Lkws mit seinem Auto verfolgt. Am Autobahnkreuz Frankenthal hat er die Verfolgung abgebrochen. Der Lastwagen ist auf der A61 weiter in Richtung Norden gefahren, was nicht für einen Zusammenhang mit dem Pfalzmarkt spricht.«

      KPD ließ sich davon nicht beirren. Er hatte längst ein großes Verbrechen im Visier. »Das kann genauso gut ein Täuschungsmanöver gewesen sein. Die Gauner haben bestimmt den Verfolger bemerkt. Ihr Schwiegersohn ist ja nicht in der Beschattung von Verbrechern geübt, wir Polizeibeamte dagegen schon. Lassen Sie mich mal machen, Frau Rustik. Ich kümmere mich höchstpersönlich um den Fall.« Er blickte sich um. »Palzki, wo bleibt denn mein Champagner? Alles muss man selbst machen.« Er nahm


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