Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch). William Shakespeare

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Sämtliche Werke von Shakespeare in einem Band: Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch) - William Shakespeare


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Hier sind Burgund und Frankreich, hoher Herr!

      LEAR

       Fürst von Burgund,

       Zu Euch erst sprech ich, der mit diesem König

       Um meine Tochter warb. Was als das mindste

       Erwartet Ihr als Mitgift, oder steht

       Von Euerm Antrag ab?

      BURGUND

       Erhabner König,

       Mir genügt, was Ihr freiwillig habt geboten,

       Und minder gebt Ihr nicht.

      LEAR

       Mein würdiger Herzog,

       Als sie Uns wert war, schätzten Wir sie so;

       Nun ist ihr Preis gesunken. Seht, da steht sie:

       Wenn etwas an der kleinen, schmucken Larve

       Oder sie ganz mit Unserm Zorn dazu,

       Und weiter nichts, Eur Hoheit noch gefällt,

       So nehmt sie, sie ist Eur.

      BURGUND

       Mir fehlt die Antwort.

      LEAR

       Wollt Ihr mit allen Mängeln, die ihr eigen,

       Freundlos und neuverschwistert Unserm Haß,

       Zur Mitgift Fluch, durch Schwur von Uns entfremdet,

       Sie nehmen oder lassen?

      BURGUND

       Herr, verzeiht,

       Mit der Bedingung endigt jede Wahl.

      LEAR

       So laßt sie; bei der Macht, die mich erschuf,

       Ich nannt Euch all ihr Gut.

       Zu Frankreich. Ihr, großer König - So möcht ich Eure Freundschaft nicht verraten, Euch zu vermählen, wo ich hasse. Lenkt Zu besserm Ziel, ich bitt Euch, Eure Wünsche, Als auf dies Wesen, das Natur errötet Anzuerkennen.

      FRANKREICH

       Wahrlich, dies ist seltsam,

       Daß sie, die eben noch Eur Kleinod war,

       Der Inhalt Eures Lobs, Balsam des Alters,

       Eur Bestes, Teuerstes, in diesem Nu

       So Unerhörtes tat, ganz zu zerreißen

       Solch reichgewebte Gunst. Ja, ihr Vergehn

       Muß unnatürlich, ungeheuer sein,

       Oder die Liebe, deren Ihr Euch rühmtet,

       Ist tadelnswert. So schlimm von ihr zu denken,

       Heischt Glauben, wie Vernunft ihn ohne Wunder

       Mir nimmer einimpft.

      CORDELIA

       Herr, ich bitte doch,

       Mangelt mir auch die schlüpfrig glatte Kunst,

       Zu reden nur zum Schein - denn was ich ernstlich will,

       Vollbring ich, eh ichs sage -, daß Ihr zeugt,

       Es sei kein schnöder Makel, Mord noch Schmach,

       Kein zuchtlos Tun noch ehrvergeßner Schritt,

       Der mir geraubt hat Eure Gnad und Huld.

       Nur, weil mir fehlt, wodurch ich reicher bin,

       Ein stets begehrend Aug und eine Zunge,

       Die ich mit Stolz entbehr, obgleich ihr Mangel

       Mir Euern Beifall raubte.

      LEAR

       Besser wärs,

       Du lebtest nicht, als mir zur Kränkung leben!

      FRANKREICH

       Ist es nur das? Ein Zaudern der Natur,

       Das oft die Tat unausgesprochen läßt,

       Die es zu tun denkt? - Herzog von Burgund,

       Was sagt Ihr zu der Braut? Lieb ist nicht Liebe,

       Wenn sie vermengt mit Rücksicht, die seitab

       Vom wahren Ziel sich wendet. Wollt Ihr sie?

       Sie selbst ist ihre Mitgift.

      BURGUND

       Hoher Lear,

       Gebt mir den Anteil, den Ihr selbst bestimmt,

       Und hier nehm ich Cordelia bei der Hand

       Als Herzogin Burgunds.

      LEAR

       Nichts! Ich beschwors, ich bleibe fest.

      BURGUND

       Dann tut mirs leid, daß Ihr zugleich den Vater

       Verliert und den Gemahl.

      CORDELIA

       Fahr hin, Burgund! -

       Da Wunsch nur nach Besitz sein Lieben ist,

       Werd ich nie seine Gattin.

      FRANKREICH

       Schönste Cordelia, du bist arm höchst reich,

       Verbannt höchst wert, verachtet höchst geliebt!

       Dich nehm ich in Besitz und deinen Wert.

       Gesetzlich sei's: ich nehme, was man wegwarf.

       Wie seltsam, Götter, meiner Liebe Glühn

       Und Achtung muß aus kaltem Hohn erblühn.

       Sie mußte Erb und Glück bei dir verlieren,

       Um über uns und Frankreich zu regieren.

       Kein Herzog von Burgunds stromreichen Auen

       Erkauft von mir die teuerste der Frauen!

       Den Harten gib ein mildes Abschiedswort,

       Das Hier verlierst du für ein beßres Dort.

      LEAR

       Du hast sie, Frankreich, sie sei dein; denn nie

       Hatt ich solch Kind, und nimmer grüße sie

       Mein altes Auge mehr. - Folg deinen Wegen

       Ohn Unsre Lieb und Gunst, ohn Unsren Segen! -

       Kommt, edler Fürst Burgund!

       Trompetengetön. Lear, Burgund, Cornwall, Albany, Gloster und Gefolge gehen ab.

      FRANKREICH

       Sag deinen Schwestern Lebewohl.

      CORDELIA

       [beiseit. ] Des Vaters Edelsteinen! - [Laut. ] Nassen Blicks Verläßt Cordelia euch. [Beiseit. ] Ich kenn euch wohl, Und nenn als Schwester eure Fehler nicht Beim wahren Namen. [Laut. ] Liebt denn unsern Vater, Ich leg ihn euch ans vielberedte Herz. [Beiseit. ] Doch ach, wär ich ihm lieb noch wie vorzeiten, Wollt ich ihm einen bessern Platz bereiten. [Laut. ] So lebt denn beide wohl!

      REGAN

       Lehr uns nicht unsre Pflichten.

      GONERIL

       Dem Gemahl

       Such zu genügen, der als Glücksalmosen

       Dich aufnahm. Da du Pflichtverletzung wagtest,

       Versagt sich dir nur, was du selbst versagtest.

      CORDELIA

       Was List verborgen, wird ans Licht gebracht,

       Wer Fehler schminkt, wird einst mit Spott verlacht.

       Es geh euch wohl!

      FRANKREICH

       Komm, liebliche Cordelia!

       Frankreich und Cordelia gehen ab.

      GONERIL

       Schwester, ich habe nicht wenig zu sagen, was uns beide sehr nahe angeht.


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