Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.Das Pharaonenhaus von Aegypten sollte dem Sonnengotte Ra entstammen, und der Pharao konnte sich nur durch die Mutter, Ani dagegen durch beide Eltern so hoher Abkunft rühmen.
Aber Ramses saß auf dem Throne, hielt das Szepter in fester Hand und dreizehn junge Söhne sicherten seinem Hause die Herrschaft über Aegypten für alle Ewigkeit.
Als er nach seines kriegerischen Vaters Tode zu neuen Waffenthaten gen Norden zog, ernannte er Ani, der sich als Gouverneur der Provinz Kusch bewährt hatte, zum Statthalter des Reiches.
Der Heftigere überschätzt oft den mit ruhigerer Sinnesart begabten Mann, in dessen Wesen er sich nicht hineinzuversetzen und dessen Vorzüge er sich nicht anzueignen vermag, und so kam es, daß dem kriegerischen und feurigen Ramses die gemessene und leidenschaftslose Natur seines Oheims imponirte.
Ani schien ohne Ehrgeiz und Unternehmungsgeist zu sein, übernahm die ihm angetragene Würde mit äußerstem Widerstreben und erschien besonders ungefährlich, weil er Weib und Kind verloren und sich keiner Nachkommen zu rühmen hatte.
Er war ein Mann von mehr als mittlerer Größe, mit außerordentlich ebenmäßig, ja schön geschnittenen, aber glatten, wenig beweglichen Zügen. Seine hellgrauen Augen und die schmalen Lippen seines Mundes gaben keiner der sein Herz erfüllenden Regungen Ausdruck; vielmehr hatte er seinem Antlitz ein sanftes Lächeln anerzogen, das der Steigerung, der Verminderung und einer verschiedenartigen Färbung fähig, niemals aber gänzlich von seinem Angesichte zu bannen war.
Mit leutseliger Freundlichkeit hatte er der Klage eines Grundbesitzers zugehört, dem sein Vieh für das Heer des Königs fortgetrieben worden war, und ihm die Untersuchung seiner Angelegenheit zugesichert. Hoffnungsvoll entfernte sich der Beraubte; als aber der zu Füßen des Statthalters sitzende Schreiber fragte, wem die Untersuchung dieses Uebergriffes der Behörden anvertraut werden solle, sagte Ani: »Ein Jeder hat für den Krieg sein Opfer zu bringen; es bleibt bei dem Geschehenen.«
Der Nomarch von Suan im südlichsten Theile des Reichs verlangte die Mittel zu neuen, notwendigen Uferbauten. Der Statthalter hörte seiner lebhaften Schilderung mit Freundlichkeit, ja mit dem Ausdrucke der Rührung zu, versicherte aber, der Krieg verschlinge alle Mittel des Staates, die Kassen wären leer, doch sei er geneigt. wenn diese nicht auch ausblieben, einen Theil seiner eigenen Einkünfte zu opfern, um das gefährdete Ackerland seines getreuen Gaues von Suan, dem er seinen Gruß entbiete, zu schützen.
Sobald der Nomarch ihn verlassen hatte, befahl er, dem Schatz eine beträchtliche Summe zu entnehmen und sie dem Bittsteller nachzusenden.
Mitten im Gespräche erhob er sich von Zeit zu Zeit und nahm die Stellung eines Wehklagenden an, um den im Hofe versammelten Leidtragenden zu zeigen, daß er theilnehme an den Verlusten, die sie betroffen.
Schon hatte die Sonne ihre Mittagshöhe überschritten, als sich der in dem Palasthofe die Schreiber umstehenden Volkshaufen eine von lauten Kundgebungen begleitete Unruhe bemächtigte.
Viele Männer und Weiber strömten an einer Stelle zusammen und auch die am wenigsten beweglichen unter den anwesenden Thebanern wandten ihre Aufmerksamkeit dem an dieser Stelle ungewöhnlichen Vorfalle zu.
Eine Scharwache trieb die schreiend zusammenlaufende Menge auseinander und eine andere Abtheilung von libyschen Polizisten führte einen Gefangenen ab und einer Seitenpforte des Hofes entgegen. Ehe sie dieselbe erreichen konnte, langte ein Bote des Statthalters bei ihr an, welcher Auskunft über das Geschehene verlangte.
Der Oberste der Sicherheitsbeamten folgte ihm und berichtete dem ihn erwartenden Ani in lebhafter Erregung, ein winziger Wicht, der Zwerg der Herrin Katuti, habe sich schon seit mehreren Stunden im Hofe umhergetrieben und sei bemüht gewesen, die Herzen der Bürger mit aufrührerischen Reden zu vergiften.
Ani befahl, »den Verblendeten« in den Kerker zu werfen; sobald sich aber der Oberste entfernt hatte, gebot er seinem Schreiber, den Zwerg vor Sonnenuntergang zu ihm führen zu lassen.
Während er diesen Befehl ertheilte, bemächtigte sich eine Bewegung von anderer Art der zusammengeströmten Menge.
Wie das Meer zur Rechten und Linken der Hebräer auswich, damit keine Woge den Fuß der Verfolgten netze, so trat das versammelte Volk freiwillig, aber wie auf höhern Befehl in ehrerbietiger Neigung auseinander und bildete eine breite Gasse, durch welche der Oberpriester des Setihauses, welcher in vollem Ornat in Begleitung einiger heiligen Väter den Hof betreten hatte, die Menge segnend, dahinschritt.
Der Statthalter kam ihm entgegen, neigte sich vor ihm und zog sich bald darauf mit ihm allein in den Hintergrund der Halle zurück.
»So ist das Undenkbare dennoch geschehen,« sagte Ameni. »Unsere Hörigen sollen dem Heerbanne folgen.«
»Ramses braucht Soldaten, um zu siegen,« erwiederte der Statthalter.
»Und wir Brod, um zu leben,« rief der Priester.
»Dennoch ward mir befohlen, sogleich, also vor der Saatzeit, die Tempelbauern auszuheben. Ich bedaure diesen Befehl, doch gleicht der König dem Willen und ich nur der Hand.«
»Der Hand, deren er sich bedient, um Jahrtausende alte Rechte zu verkümmern und der Wüste den Weg in das Fruchtland zu öffnen.« 71
»Eure Aecker werden nicht lang unbestellt bleiben. Ramses wird neue Siege erfechten mit dem vergrößerten Heer und der Hülfe der Götter.«
»Der Götter, die er beleidigt!«
»Nach dem Friedensschluß versöhnt er wohl die Himmlischen durch doppelt reiche Gaben. Er hofft sicher auf ein baldiges Ende des Kriegs und schreibt mir, daß er nach der ersten gewonnenen Schlacht den Cheta ein Bündniß anzutragen gedenke. Man spricht auch von dem Plane des Königs, sich nach dem Friedensschluß wieder zu verheirathen und zwar mit der Tochter des Cheta-Königs Chetasar.«
Bis dahin hatte der Statthalter seine Augen niedergeschlagen. Jetzt erhob er sie lächelnd, als wollte er sich an der Freude Ameni's weiden, und fragte.
»Was sagst Du zu diesem Plane?«
»Ich sage,« gab Ameni zurück und seine sonst so ernste Stimme gewann einen Anklang von Schalkheit, »ich sage, daß Ramses das Blut Deiner Base und seiner Mutter, das ihm ein Anrecht auf den Thron dieses Landes gibt, für untrübbar rein zu halten scheint.«
»Es ist das Blut des Sonnengottes.«
»Welches halb in seinen und ganz in Deinen Adern fließt.«
Der Statthalter machte eine abweisende Bewegung und sagte leise und mit einem Lächeln, das dem eines Todten glich. »Wir sind nicht allein.«
»Niemand ist hier,« erwiederte Ameni, »der uns hören könnte, und was ich sagte, ist jedem Kinde bekannt.«
»Aber käm' es dem Könige zu Ohren,« flüsterte der Statthalter, »so . . .«
»So würde er wahrnehmen, wie unweise es ist, die alten Rechte Derjenigen zu schmälern, denen es zusteht, die Reinheit des Blutes der Beherrscher dieses Landes zu prüfen. Noch sitzt Ramses auf dem Throne des Ra, Leben blühe ihm, Heil und Kraft. 72
Der Statthalter verneigte sich und fragte sodann:
»Gedenkt ihr dem Verlangen des Pharao ungesäumt zu gehorchen?«
»Er ist der König. Unser Rath, welcher in wenigen Tagen zusammentritt, wird nur entscheiden können, wie, nicht ob wir uns seinem Befehle zu fügen haben.«
»Ihr wollt die Absendung der Hörigen verzögern und doch braucht sie Ramses sofort. Das blutige Handwerk des Krieges fordert neue Werkzeuge.«
»Und der Frieden vielleicht einen neuen Meister, der die Söhne dieses Landes zu seinem Besten zu brauchen versteht; einen echten Sohn des Ra.«
Der Statthalter stand dem Oberpriester starr, wie aus Erz gegossen, gegenüber und schwieg; Ameni aber senkte seinen Krummstab vor ihm, wie vor einem Gott, und trat dann in den Vordergrund der Halle.
Als Ani ihm folgte, umspielte wie immer ein