Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.zerschlagen.«
»Ihm ist recht geschehen,« sagte Paaker, indem er seine Stimme so laut erhob, daß ihn der Verwundete hören mußte. Dann kehrte er ihm den Rücken und betrat den Garten. Hier rief er dem Kellermeister und sagte: »Gib heute den Sklaven Bier zum Nachttrunke; Allen, und reichlich!«
Wenige Minuten später stand er vor seiner Mutter, die er auf dem mit Blattpflanzen geschmückten Dach ihres Hauses fand, als sie eben ihre zweijährige Enkelin, das Kind ihres jüngeren Sohnes, in die Arme der Kinderfrau legte, damit sie es zur Ruhe bringe.
Paaker begrüßte die würdige Matrone ehrerbietig.
Sie war eine Frau von freundlich behäbigem Aussehen, deren Füße jetzt von mehreren kleinen Hunden umschmeichelt wurden.
Ihr Sohn wehrte den ihm entgegenspringenden Lieblingen der oft zu langer Einsamkeit verdammten Wittwe und wandte sich dann dem Kinde zu, um es aus den Armen der Wärterin auf die seinen zu nehmen.
Aber die Kleine sträubte sich mit so lautem und nicht zu beruhigendem Geschrei, daß sie Paaker auf die Erde setzte und unwillig ausrief: »Das ungezogene Ding!«
»Es war den ganzen Nachmittag lieb und artig,« sagte seine Mutter Setchem. »Sie sieht Dich so selten!«
»Mag sein,« erwiederte Paaker. »Doch ich kenne das; die Hunde mögen mich, aber kein Kind läßt sich von mir angreifen.«
»Du hast so harte Hände.«
»Bring' den Schreihals fort!« rief der Wegeführer der Wärterin zu. »Ich habe mit Dir zu reden, Mutter.«
Setchem beruhigte das Kind, gab ihm viele Küsse und schickte es zur Ruhe. Dann trat sie auf ihren Sohn zu, streichelte seine Wange und sagte: »Wäre die Kleine nur Dein eigen, so würde sie schon zu Dir kommen und Dich lehren, daß ein Kind der größte ist von allen Schätzen, welche die Götter uns Menschen anvertrauen!«
Paaker lächelte und sagte: »Ich weiß, worauf Du hinaus willst; aber laß das jetzt, denn ich möchte Dir etwas Wichtiges mittheilen.«
»Nun?« fragte Setchem.
»Ich habe heut zum ersten Male seit damals, Du weißt schon, mit Nefert gesprochen. Das Geschehene mag vergessen sein! Du sehnst Dich nach Deiner Schwester. Suche sie auf, ich habe nichts mehr dagegen.«
Setchem schaute ihren Sohn mit unverhohlenem Erstaunen an, ihre Augen, die sich leicht mit Thränen füllten, flossen über und zaudernd fragte sie: »Darf ich meinen Ohren trauen, Kind, hast Du . . .«
»Ich habe den Wunsch,« sagte Paaker fest, »daß Du die alte herzliche Verbindung mit Deinen Verwandten wieder anknüpfst; die Entfremdung hat lange genug gedauert.«
»Viel zu lange!« rief Setchem.
Der Wegeführer schaute schweigend zu Boden und folgte der Bitte seiner Mutter, sich neben ihr niederzulassen.
»Ich wußte es ja,« sagte sie, seine Hand ergreifend, »daß dieser Tag uns Freude bringen werde, denn mir hat von Deinem osirischen Vater geträumt, und als ich mich in den Tempel tragen ließ, begegnete mir zuerst eine weiße Kuh und dann ein Hochzeitszug. Der heilige Widder des Amon berührte auch den Weizenkuchen, den ich ihm darbot.« 65
»Das sind glückliche Vorzeichen,« sagte Paaker ernst und mit dem Tone der Ueberzeugung.
»Und laß uns eilen, das, was die Götter uns in Aussicht stellen, dankbar zu ergreifen,« rief Setchem freudig bewegt. »Ich gehe morgen zu meiner Schwester und sage ihr, daß wir wieder in alter Liebe bei einander wohnen und Gutes und Böses theilen wollen. Wir gehören ja demselben Geschlecht an und ich weiß, daß wie die Ordnung und Reinheit das Haus vor dem Verfalle bewahrt und den Gast erfreut, nur die Einigkeit das Glück der Familie und ihr Ansehen vor den Leuten aufrecht erhält. Was geschehen ist, ist geschehen und sei vergessen! Es gibt außer Nefert noch viele Frauen in Theben und hundert Große des Landes würden sich glücklich schätzen, Dich zum Schwiegersohn zu gewinnen.«
Paaker stand auf und begann nachdenklich den weiten Raum zu durchmessen, während Setchem weiter sprach.
»Ich weiß,« sagte sie, »daß ich eine Wunde in Deinem Herzen berührt habe, aber sie ist ja schon halb vernarbt und sie wird heilen, wenn Du glücklicher sein wirst, als der Rosselenker Mena, und ihn darum nicht mehr zu hassen brauchst. Nefert ist gut, aber zart und untüchtig und der Führung eines so großen Haushalts, wie der unsere, kaum gewachsen. Bald werden sie auch mich mit den Mumienbinden umwickeln, und wenn Dich dann die Pflicht nach Syrien ruft, so muß eine umsichtige Hausfrau an meiner Stelle walten. Das ist nichts Kleines. Dein Großvater Assa hat oftmals gesagt, das überall wohlgeordnete Haus sei ein Abbild der auf einen unbefleckten Namen haltenden, in weiser Eintheilung und sicherer Tüchtigkeit lebenden Familie, in der Jeder seinen bestimmten Platz einnimmt, seine begrenzte Pflicht zu üben und sein abgemessenes Recht zu verlangen hat. Wie oft habe ich zu den Hathoren gebetet, daß sie Dir eine Gattin nach meinem Herzen schenken möchten.«
»Eine Setchem werde ich nicht finden,« sagte Paaker, indem er die Stirn seiner Mutter küßte, »denn die Frauen von Deiner Art sterben aus.«
»Schmeichler,« lächelte Setchem, indem sie ihrem Sohne mit dem Finger drohte. »Aber wahr ist es! Was jetzt heranwächst, das prunkt und putzt sich mit Stoffen aus Kaft, das mischt seine Rede mit syrischen Worten und läßt dem Haushofmeister und der Schaffnerin freie Hand, wo man selbst gebieten sollte. Auch meine Schwester Katuti und Nefert . . .«
»Nefert ist anders als die übrigen Frauen,« unterbrach Paaker seine Mutter, »und hättest Du sie erzogen, so würde sie ein Haus nicht nur zu schmücken, sondern auch zu verwalten verstehen.«
Setchem sah ihren Sohn verwundert an; dann sagte sie halb vor sich hin: »Ja, ja, sie ist ein liebes Kind, dem man nicht zürnen kann, wenn man ihm in die Augen schaut. Und doch war ich ihr bös, da Du ihr grolltest und weil, – nun Du weißt ja! – Aber da Du ihr vergeben hast, verzeih' ich ihr gern, ihr und ihrem Gatten.«
Paaker's Stirn verdüsterte sich und indem er vor seiner Mutter stehen blieb, sagte er mit der ganzen seiner Stimme eigenen Härte. »Der soll in der Wüste verschmachten und die Hyäne des Nordlands seinen unbestatteten Leichnam zerreißen.«
Setchem zog bei diesen Worten den Schleier vor ihr Angesicht und schloß ihre Hände fest um die an ihrem Halse hängenden Amulete. Dann sagte sie leise: »Wie furchtbar Du sein kannst! Wohl weiß ich, daß Du den Rosselenker hassest, denn ich habe die sieben Pfeile über Deinem Lager, auf denen geschrieben steht: »Tod dem Mena«, wohl gesehen. Das ist ein syrischer Zauber, welcher Denjenigen verderben soll, gegen den man ihn anwendet. Wie finster Du drein schaust! Ja, ein Zauber ist das, der den Göttern verhaßt ist und dem Bösen Macht gibt über Den, der ihn übt. Dein Vater und ich haben Dich gelehrt, die Götter zu ehren. Ueberlaß es ihnen, den Frevler zu strafen, denn Osiris entzieht Denen seine Huld, die sich den Feind zum Bundesgenossen erwählen.«
»Meine Opfer,« erwiederte Paaker, »sichern mir die Huld der Götter, aber Mena hat als verruchter Räuber an mir gehandelt und ich überantworte ihn dem Bösen, dem er angehört. Genug davon, und wenn Du mich liebst, so sprich den Namen meines Feindes nicht wieder vor mir aus! Nefert und ihrer Mutter hab' ich vergeben, das mag Dir genügen!«
Setchem schüttelte ihr Haupt und rief: »Wohin soll das führen! Der Krieg kann nicht ewig dauern, und wenn Mena heimkehrt, so wird die Versöhnung von heute in um so bitterere Feindschaft umschlagen. Ich sehe nur ein Heilmittel! Folge meinem Rath und laß Dir von mir eine würdige Gattin zuführen.«
»Jetzt nicht!« sagte Paaker ungeduldig. »In wenigen Tagen zieh' ich von Neuem in das Land des Feindes und wünsche nicht wie Mena bei meinen Lebzeiten mein Weib das Dasein einer Wittwe führen zu lassen. Wozu das Drängen! Meines Bruders Gattin und ihre Kinder sind bei Dir. Sie mögen Dir genügen!«
»Die Götter wissen, wie ich sie liebe,« erwiederte Setchem, »aber Dein Bruder Horus ist der jüngere, Du bist der ältere Sohn, dem das Erbgut angehört. Dein Nichtchen ist mir ein freundliches Spielwerk, in Deinem Sohn könnt' ich zugleich den künftigen Erhalter unseres Stammes, das künftige