Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie - Georg Ebers


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und hoffte, daß ein Sohn seines ältesten Sohnes Assa's Geschlecht fortführen werde.«

      »Es soll nicht meine Schuld sein,« sagte Paaker, »wenn einer seiner Wünsche unerfüllt bleibt! Die Sterne stehen schon hoch. Schlafe gut, Mutter, und wenn Du morgen Nefert und Deine Schwester besuchst, so sage ihnen, das Thor meines Hauses stände ihnen offen. Noch Eins! Katuti's Haushofmeister hat dem unsern eine Rinderheerde zum Verkauf angeboten, obgleich der Viehstand auf Mena's Landgut gering sein soll. Was hat das zu bedeuten?«

      »Du kennst meine Schwester,« erwiederte Setchem. »Sie verwaltet Mena's Besitz, hat große Bedürfnisse, sucht an Glanz die Großen zu übertreffen, sieht den Statthalter oft in ihrem Hause, ihr Sohn soll verschwenderisch sein, und da mag es manchmal am Nöthigsten fehlen.«

      Paaker zuckte die Achseln, grüßte noch einmal und verließ seine Mutter.

      Bald darauf stand er in dem weiten Gemach, in dem er zu wohnen und zu schlafen pflegte, wenn er sich in Theben befand. Die Mauern dieses Raumes waren weiß getüncht und mit einigen frommen Sprüchen in Hieroglyphenschrift, welche die Thüren und die dem Garten zugewandten Fensteröffnungen umrahmten, geschmückt.

      Inmitten der Hinterwand stand ein Bett in Gestalt eines Löwen. Sein Kopfende ahmte das Haupt und sein Fußende den gebogenen Schweif dieses Thieres nach. Ein fein gegerbtes Löwenfell war über das Lager hingebreitet und eine mit frommen Sprüchen bedeckte Kopfstütze von Ebenholz stand auf einer treppenförmigen, hohen Fußbank für den Schläfer bereit.

      Ueber dem Bette waren verschiedenartige kostbare Waffen und Geißeln in zierlicher Ordnung befestigt und unter ihnen die sieben Pfeile, auf denen Setchem die Worte: »Tod dem Mena« gelesen hatte. Sie kreuzten die Lettern eines Spruches, welcher anbefahl, die Hungernden zu speisen, die Durstigen zu tränken, die Nackten zu kleiden 66 und mildherzig zu sein gegen den Großen wie gegen den Kleinen.

      Eine Nische zur Seite des Kopfendes des Bettes war durch einen Vorhang von Purpurstoff verschlossen.

      In allen Ecken des Zimmers standen Bildsäulen. Drei stellten die Trias von Theben: Amon, Muth und Chunsu, und die vierte den verstorbenen Vater des Wegeführers dar. Vor einer jeden war ein kleiner Opferaltar mit Vertiefungen, in denen wohlriechende Essenzen schwammen, angebracht. Auf einem Holzgestell standen kleine Götterbilder und Amulete in großer Zahl und in mehreren bunten Kasten lagen die Kleider, der Schmuck und die Schriften des Wegeführers. Inmitten des Zimmers stand ein Tisch mit mehreren tabouretartigen Stühlen.

      Als Paaker dieses Gemach betrat, fand er es mit Lampen erleuchtet und ein großer Hund stürzte ihm freudig entgegen. Er ließ ihn hoch an sich emporspringen, warf ihn zu Boden, ließ sich ein anderes Mal von ihm bestürmen und küßte dann seinen klugen Kopf.

      Vor seinem Bette lag ein alter Neger von gewaltigem Körperbau in tiefem Schlafe. Paaker stieß ihn mit dem Fuße und rief dem Erwachenden zu:

      »Mich hungert!«

      Der schwarze Graukopf erhob sich langsam und verließ das Gemach.

      Sobald der Wegeführer allein war, nahm er das Fläschchen mit dem Liebestrank aus seinem Gürtel, betrachtete es mit Zärtlichkeit und legte es in eine Kiste, in der viele Flaschen mit heiligen Opferölen lagen.

      Er war gewöhnt, allabendlich die Vertiefungen in den Altären frisch mit Essenzen zu füllen und sich vor den Götterbildern betend niederzuwerfen.

      Heute stellte er sich nur vor die Statue seines Vaters, küßte ihre Füße und murmelte: »Dein Wille soll geschehen. Das Weib, das Du mir bestimmtest, soll Deinem ältesten Sohne zu eigen werden!«

      Dann ging er auf und nieder und überdachte das an diesem Tage Geschehene.

      Endlich blieb er mit gekreuzten Arenen stehen und schaute die Götterbilder so trotzig an, wie ein Wanderer, der einen schlechten Führer verjagt und seinen Weg selbst zu finden gedenkt.

      Sein Blick fiel auf die Pfeile über seinem Bett, er lächelte, und indem er mit der Faust an seine breite Brust schlug, rief er. »Ich, ich, ich –!«

      Seine Dogge, welche wähnte, daß ihr Herr sie anlockte, eilte auf ihn zu. Er wehrte sie ab und sagte: »Wenn Du einer Hyäne in der Wüste begegnest, so fällst Du über sie her und wartest nicht ab, bis sie von meiner Lanze erreicht wird, und da die Götter, meine Herren, säumen, so werd' ich mir selbst zu meinem Rechte verhelfen; Du aber,« fuhr er fort, indem er sich an die Bildsäule seines Vaters wandte, »wirst mir beistehen.«

      Dieses Selbstgespräch wurde durch die Sklaven unterbrochen, welche seine Mahlzeit herbeibrachten.

      Paaker überschaute die verschiedenen Speisen, welche der Koch für ihn bereitet hatte, und fragte: »Wie oft soll ich befehlen, mir nicht vielerlei, sondern nur ein großes, kräftiges Gericht zu bereiten? Und der Wein?«

      »Du pflegst ihn nicht zu berühren,« antwortete der alte Neger.

      »Aber mich lüstet heute nach einem Trunke,« rief der Wegeführer. »Bringt einen der alten Krüge mit Rothem von Kakem!« 67

      Die Sklaven sahen einander erstaunt an, der Wein ward gebracht und Paaker leerte Becher auf Becher. Als die Diener ihn verlassen hatten, sagte der Vorlauteste unter ihnen: »Sonst frißt der Herr wie ein Löwe und säuft wie eine Mücke; aber heute . . .«

      »Hüte Deine Zunge!« rief sein Begleiter, »und komm' in den Hof, denn Paaker läßt uns heute Bier schenken. Die Hathoren müssen ihm begegnet sein!«

      Wohl mußten die Ereignisse dieses Tages tief in das innere Leben des Wegeführers eingegriffen haben, denn er, der nüchternste unter den Kriegern des Ramses, der den Rausch nicht kannte und die Gelage seiner Kampfgenossen mied, saß heut in mitternächtlicher Stunde allein an seinem Tisch und zechte, bis ihm das müde Haupt schwer wurde.

      Endlich raffte er sich auf, schritt seinem Lager entgegen und öffnete die Gardine, welche die Nische über dem Kopfende des Bettes verhüllte. Eine weibliche Statue mit dem Hauptschmuck und den Attributen der Göttin Hathor aus bunt bemaltem Kalkstein ließ sich sehen.

      Ihr Antlitz trug die Züge der Gattin des Mena.

      Der König hatte einem Bildhauer vor vier Jahren befohlen, ein Götterbild mit den lieblichen Zügen der Neuvermählten seines Wagenlenkers zu zieren, und es war Paaker gelungen, sich eine Nachbildung desselben zu verschaffen.

      Jetzt kniete er auf seinem Lager nieder, betrachtete das Bildwerk mit feuchten Blicken, sah sich prüfend um, ob er allein sei, beugte sich vor, drückte seinen breiten Mund auf die zarten, kalten, steinernen Lippen, legte sich nieder und entschlief, ohne sich entkleiden und die Lampen in seinem Gemach verlöschen zu lassen.

      Unruhige Träume bewegten seine Seele, und als der Morgen graute, schrie er, von einem furchtbaren Gesichte beängstigt, so kläglich auf, daß der alte Neger, welcher sich neben dem Hunde vor seinem Bette ausgestreckt hatte, entsetzt aufsprang und ihn, während die Dogge laut aufheulte, beim Namen rief, um ihn zu wecken.

      Paaker erwachte mit dumpfem Kopfschmerz. Das Traumgesicht, welches ihn beängstigt hatte, stand lebhaft vor seiner Seele und er suchte es festzuhalten, um einen Horoskopen aufzufordern, es ihm zu deuten. Nach den verheißungsvollen Phantasieen des gestrigen Abends fühlte er sich trüb und beklommen.

      Die Morgenhymnen tönten mit mahnender Stimme aus dem Amonstempel in sein Gemach und er zieh sich sündiger Gedanken, und nahm sich vor, den Göttern wiederum die Lenkung seines Schicksals zu überlassen und den magischen Künsten zu entsagen.

      Seiner Gewohnheit gemäß stieg er in das für ihn bereit gehaltene Bad.

      Während ihn die lauwarmen Wasser umplätscherten, dachte er mit immer heftigerer Lebendigkeit an Nefert und an den Zaubertrank, den er ihr nicht erst darbieten wollte, sondern der ihr thatsächlich von ihm gereicht worden war und schon jetzt seine Wirkung geübt haben konnte.

      Die Liebe stellte rosige, der Haß blutrothe Bilder vor sein inneres Auge. Er rang darnach, sich den ihn fester und fester umgarnenden Lockungen zu entwinden, aber es erging ihm wie einem in den Sumpf gerathenen Manne, der um so tiefer versinkt,


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