Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie - Georg Ebers


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und einen unerreichbaren Feind, welcher euch furchtbar werden könnte, sobald er sich von den harten Verlusten, die seine Reihen lichteten, erholt haben wird. Laßt ihr uns Frieden und Freiheit, so sind wir bereit, euch außer dem Golde jährlich fünftausend schnelle Steppenpferde zuzusenden und euch beizustehen, sobald dem Perserreiche ernstliche Gefahren drohen.‹«

      Der Botschafter schwieg. Kambyses schaute sinnend zu Boden, zauderte lange mit der Antwort und sagte endlich, indem er sich von seinem Thron erhob: »Wir werden heute beim Zechgelage Rath halten und euch morgen mittheilen, welchen Bescheid ihr eurem Volke zu überbringen habt. Sorge dafür, Gobryas, daß diese Männer gut verpflegt werden, und übersende dem Massageten, welcher mein Angesicht zerhieb, einen Antheil von den besten Gerichten meiner eigenen Tafel.«

      Viertes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Während dieser Vorgänge verweilte Nitetis einsam und in tiefe Trauer versunken in ihrem Hause auf den hängenden Gärten. Heute zum Erstenmal hatte sie dem gemeinsamen Opfer der Weiber des Königs beigewohnt und versucht, im Freien, vor dem Feueraltare von fremden Gesängen umtönt, zu ihren neuen Göttern zu beten.

      Die meisten Bewohnerinnen des königlichen Harems sahen die Aegypterin bei dieser Feierlichkeit zum Erstenmale und wandten, statt zu der Gottheit hinaus zu schauen, kein Auge von ihr ab.

      Nitetis, durch die neugierigen, feindseligen Blicke ihrer Nebenbuhlerinnen beunruhigt, zerstreut durch die lärmende Musik, welche von der Stadt herübertönte, schmerzlich bewegt von der Erinnerung an die andächtigen Gebete, welche sie in der feierlichen, schwülen Stille der Riesentempel ihrer Heimath an der Seite ihrer Mutter und Schwester den Göttern ihrer Kindheit dargebracht hatte, konnte, so sehr es sie drängte, für den geliebten König an seinem Feiertage Glück und Wohlsein von den Göttern zu erflehen, zu keiner andächtigen Erhebung kommen.

      Kassandane und Atossa knieten an ihrer Seite und stimmten aus voller Brust in die Gesänge der Magier ein, welche dem Herzen der Aegypterin nichts waren, als ein leerer Schall.

      Diese Gebete, denen an manchen Stellen hohe Poesie nicht abzusprechen ist, ermüden durch fortwährende Wiederholungen von Namen und Anrufungen einer Unzahl böser und guter Geister. Die Perserinnen wurden durch dieselben zur höchsten Andacht erhoben, denn sie hatten von Kindesbeinen an gelernt, jene Hymnen als die heiligsten und herrlichsten aller Lieder zu betrachten. Diese Gesänge hatten ihre ersten Gebete begleitet und waren ihnen werth und heilig, wie Alles, was wir von unsern Vätern ererben, was uns in der empfänglichsten Zeit unseres Lebens, der Kindheit, als verehrungswürdig und göttlich dargestellt wird; diese Gesänge konnten aber den verwöhnten Geist der mit den schönsten griechischen Dichtungen vertrauten Aegypterin nur wenig ansprechen. Das mühsam Erlernte war ihr noch nicht in Fleisch und Blut übergegangen, und während die Perserinnen die äußeren Formen ihres Gottesdienstes wie etwas Angeborenes, Selbstverständliches verrichteten, mußte sie sich geistig anstrengen, um der vorgeschriebenen Ceremonien nicht zu vergessen und sich keine Blöße vor den sie mißgünstig belauernden Nebenbuhlerinnen zu geben. Außerdem hatte sie wenige Minuten vor dem Opfer den ersten Brief aus Aegypten erhalten. Der lag ungelesen auf ihrem Putztische und kam ihr in den Sinn, sobald sie sich zum Beten anschickte. Welche Nachrichten mochte er enthalten? Wie ging es den Eltern, wie hatte sich Tachot in die Trennung von ihr und dem geliebten Königssohne gefunden?

      Als die Feier beendigt war, umarmte sie, hoch aufathmend, als sei sie von einer drohenden Gefahr erlöst worden, Kassandane und Atossa. Dann ließ sie sich in ihre Wohnung tragen und eilte, dort angelangt, in sehnsüchtiger Hast dem Putztische zu, auf welchem das theure Schreiben lag. Die junge Oberste ihrer Dienerinnen, dieselbe, welche sie auf der Reise zum Erstenmale in persische Gewänder gekleidet hatte, empfing sie mit einem schlauen, vielverheißenden Lächeln, welches sich in Staunen verwandelte, als ihre Herrin den auf dem Tische liegenden Putz keines Blicks würdigte und nach dem langersehnten Briefe griff.

      Nitetis hatte der Schwätzerin schweigend zugehört und die kostbaren Geschenke mit stummem Lächeln betrachtet. Sie war Weib genug, um sich ihrer zu freuen; kamen sie doch von einem Manne, den sie inniger liebte als ihr Leben, bewiesen doch diese Gaben ihrem Herzen, daß sie dem Könige mehr sei als all’ seine anderen Frauen, ja, daß sie von Kambyses geliebt werde. Der lang ersehnte Brief entfiel ungelesen ihrer Hand, schweigend gewährte sie den Bitten der Dienerin, und binnen Kurzem war ihr Schmuck vollendet. Der königliche Purpur hob ihre majestätische Schönheit, und ihre schlanke, herrliche Gestalt schien von der hohen, blitzenden Tiara erhöht zu werden. Als ihr der auf dem Putztische liegende Metallspiegel zum Erstenmale ihr im vollen Ornat einer Königin prangendes Bildnis zeigte, nahmen ihre Züge einen neuen Ausdruck an. Es war, als wenn sich in ihnen ein Theil von dem Stolze ihres Gebieters abspiegle. – Die leichtfertige Zofe sank unwillkürlich auf die Kniee nieder, als der strahlende Blick des von dem mächtigsten aller Männer geliebten Weibes ihr Beifall lächelndes Auge traf.

      Kurze Zeit lang schaute Nitetis auf das im Staube liegende Mädchen, dann schüttelte sie, vor Scham erröthend; das schöne Haupt, beugte sich zu ihr hernieder, hob sie freundlich auf, küßte ihre Stirn, beschenkte sie mit einem goldenen Armbande und befahl ihr, als ihre Blicke auf das an der Erde liegende Schreiben fielen, sie allein zu lassen. Mandane verließ mehr laufend als gehend das Zimmer ihrer Herrin, um das glänzende Geschenk ihren Untergebenen, den niedereren Zofen und Sklavinnen, zu zeigen; Nitetis aber warf sich mit von inniger Glückseligkeit überströmendem Auge und Herzen in den vor dem Putztische stehenden Lehnsessel von Elfenbein, sprach ein kurzes Dankgebet zu ihrer ägyptischen Lieblingsgöttin, der schönen Hathor, küßte die goldene Kette, welche ihr Kambyses nach seinem Sprunge in’s Wasser geschenkt hatte, drückte ihre Lippen auf den Brief aus der Heimath, rollte ihn beinahe übermüthig vor inniger Herzensbefriedigung, indem sie sich tief in die purpurnen Kissen drückte, gemächlich auf und murmelte vor sich hin: »Wie bin ich doch so froh und überglücklich! Armer Brief, deine Schreiberin hat wohl nicht gedacht, daß dich Nitetis eine Viertelstunde lang ungelesen auf der Erde liegen lassen würde!«

      Freudig begann sie zu lesen; bald aber verwandelte sich ihr Lächeln in Ernst, und als sie am Schlusse des Briefes angelangt war, sank das Schreiben wiederum zur Erde nieder.

      Jenes Auge, dessen stolzer Blick die Dienerin zum Niedersinken gezwungen hatte, schwamm in Thränen, das hochgetragene Haupt ruhte auf dem Geschmeide, welches den Putztisch bedeckte; Thränentropfen gesellten sich zu Perlen und Diamanten, seltsame Gegensätze, wie die stolze Tiara und ihre zusammengesunkene Trägerin.


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