Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.So eben bringt sie mir das beifolgende Zettelchen, das für Dich allein bestimmt sei, und das sie mit großer Anstrengung zu Ende gebracht.
»Jetzt muß ich dem Schlusse dieses Briefes entgegeneilen, denn der Bote harrt schon lange auf ihn.
»Ich möchte Dir so gern etwas Erfreuliches mittheilen. Aber wohin ich auch blicke, sehe ich nichts als Trübes. Dein Bruder verfällt immer mehr der Herrschsucht unserer Priester und besorgt, vom Neithotep geleitet, die Geschäfte der Regierung für Deinen armen blinden Vater.
»Amasis läßt Psamtik volle Freiheit und sagt, daß es ihn wenig kümmern könne, ob der Thronfolger einige Tage früher oder später seine Stelle einnehme.
»Er hinderte Deinen Bruder nicht, die Kinder des früheren Leibwachenobersten Phanes aus dem Hause der Hellenin Rhodopis gewaltsamer Weise zu entführen, und billigte es sogar, daß sein Sohn mit den Nachkommen der zur Zeit des ersten Psamtik, wegen der Bevorzugung der ionischen Söldner, nach Äthiopien ausgewanderten zweimalhunderttausend Krieger352 in Verhandlung trat, um, falls sie sich bereit erklären sollten, in ihre Heimath zurückzukehren, die hellenischen Soldaten entlassen zu können. Die Verhandlungen blieben ohne Erfolg; Psamtik aber hatte die Griechen, weil er die Kinder des Phanes unwürdig behandelte, schwer beleidigt. Aristomachus drohte mit zehntausend der besten Söldner Aegypten zu verlassen; ja er verlangte seinen Abschied, als der Knabe des Phanes auf Geheiß Deines Bruders umgebracht worden war. Da verschwand der Spartaner plötzlich, Niemand weiß wohin; die Hellenen aber ließen sich durch große Summen bestechen und blieben in Aegypten.
»Amasis schwieg zu alledem und sah opfernd und betend ruhig zu, wie sein Sohn alle Theile des Volkes bald beleidigte, bald in unwürdiger Weise zu versöhnen suchte. – Hellenische und ägyptische Kriegsobersten, so wie Nomarchen aus verschiedenen Provinzen haben mich versichert, dieser Zustand sei unerträglich. Man weiß nicht, wessen man sich von dem neuen Herrscher zu versehen hat, der heute befiehlt, was er gestern in Heftigkeit untersagte, der das schöne Band zu zerreißen droht, welches bis jetzt das ägyptische Volk an seine Könige knüpfte.
»Lebe wohl, meine Tochter, gedenke Deiner armen Freundin, Deiner Mutter! Verzeihe Deinen Eltern, wenn Du erfahren solltest, was wir Dir so lange verschwiegen haben. Bete für Tachot, entbiete Krösus und den jungen Persern, welche wir kennen, unsern Gruß; bestelle auch an Bartja die Grüße Deiner Schwester, die ich ihn als das Vermächtniß einer Sterbenden zu betrachten bitte. Könntest Du doch der Schwester ein Zeichen senden, daß der junge Perser ihrer nicht ganz vergessen!
»Lebe wohl und sei glücklich in Deiner neuen, blühenden Heimath.«
Fünftes Kapitel
Wie die goldene Morgenröthe Regentage bringt, so ist die frohe Erwartung nicht selten eine Vorbotin trüber Ereignisse.
Nitetis hatte sich so herzlich auf diesen Brief gefreut, welcher bittere Wermuthstropfen in ihr süßes Glück zu träufeln bestimmt war.
Wie mit einem Zauberschlage hatte er einen schönen Theil ihres Daseins, die frohe Rückerinnerung an die liebe Heimath und an die Genossen des reinen Glücks ihrer Kindheit vernichtet.
Während sie in ihren Purpurkleidern weinend dasaß, dachte sie an nichts wie an den Gram ihrer Mutter, das Leiden ihres Vaters und die Krankheit ihrer Schwester. Die frohe Zukunft, welche ihr lächelnd mit Glück und Macht und Liebe winkte, entschwand ihren Blicken. Die bevorzugte Braut des Kambyses vergaß des harrenden Geliebten, die zukünftige Königin von Persien empfand heißes Weh über das Unglück des ägyptischen Herrscherhauses.
Die Sonne hatte längst die Mittagshöhe erreicht, als ihre Zofe Mandane wieder in das Zimmer trat, um die letzte Hand an den Schmuck ihrer Herrin zu legen.
»Sie schläft,« dachte das Mädchen; »ich kann sie noch ein Viertelstündchen ruhen lassen; das Opferfest wird sie ermüdet haben, und sie muß beim Schmause in voller Frische und Schönheit prangen, um die Anderen zu überstrahlen wie der Mond die Sterne.«
Ungehört von ihrer Herrin schlich sie aus dem Zimmer, dessen Fenster eine köstliche Aussicht auf die hängenden Gärten, die Riesenstadt, den Strom und die fruchtstrotzende babylonische Ebene darboten, hinaus in’s Freie.
Ohne sich umzusehen lief sie einem Blumenbeete zu, um Rosen zu brechen. Ihre Augen waren auf das neue Armband geheftet, in dessen edlem Gestein sich die Strahlen der Nachmittagssonne spiegelten, und wurden eines reichgekleideten Mannes nicht gewahr, welcher mit vorgestrecktem Kopfe durch ein Fenster des Zimmers blickte, in welchem Nitetis weinte. Der gestörte Lauscher wandte sich, sobald er es gewahrte, dem Mädchen zu und rief mit knabenhaft hoher Stimme. »Sei gegrüßt, schöne Mandane!«
Die Zofe erschrak und sagte, als sie den Eunuchenobersten Boges erkannte: »Es ist nicht fein von Dir, Herr, ein armes Mädchen so zu erschrecken! Ich wäre, beim Mithra, in Ohnmacht gefallen, wenn ich Dich eher gesehen als gehört hätte. Weiberstimmen überraschen mich nicht; ein männliches Wesen ist aber in dieser Einsamkeit so selten wie Schwäne in der Wüste!«
Boges lächelte, obgleich er die muthwillige Anspielung auf seine hohe Stimme sehr wohl verstanden hatte, voller Wohlwollen und antwortete, die fleischigen Hände reibend. »Freilich ist es hart für ein junges, schönes Täubchen, in einem so einsamen Neste verkommen zu müssen; aber sei nur geduldig, Herzchen! Bald wird Deine Herrin Königin werden und ein schmuckes, junges Männchen für Dich aussuchen, mit dem Du wohl lieber in der Einsamkeit leben wirst, als mit Deiner schönen Ägypterin?!«
»Meine Herrin ist schöner, als Manchem lieb sein mag, und ich habe niemanden aufgetragen, mir einen Mann zu suchen,« antwortete sie schnippisch. »Den werd’ ich auch ohne Dich finden!«
»Wer möchte daran zweifeln? Ein so hübsches Lärvchen zieht die Männer an, wie ein Wurm die Fische.«
»Ich angle nicht nach Männern; am wenigsten nach welchen von Deiner Art!«
»Glaub’s gern, glaub’s gern!« kicherte der Eunuch; »aber sage mir, mein Schätzchen, warum bist Du so hart gegen mich? Hab’ ich Dir etwas zu Leide gethan? Bin ich’s nicht gewesen, der Dir diese hohe Stelle verschaffte? Bin ich nicht Dein Landsmann, ein Meder?«
»Und sind wir beide nicht Menschen, und haben wir nicht beide zehn Finger an der Hand, und haben wir nicht beide unsere Nasen mitten im Gesichte? Es gibt hier halb so viele Meder wie Menschen; wenn diese alle, weil sie meine Landsleute sind, meine Freunde wären, dann könnt’ ich morgen Königin sein. Und meine Stelle bei der Aegypterin hast Du mir auch nicht verschafft; die dank’ ich dem Oberpriester Oropastes, der mich der großen Kassandane empfahl, nicht Dir! Wir haben hier oben nichts nach Dir zu fragen!«
»Was Du da sagst, mein Liebchen! Weißt Du denn nicht, daß keine Zofe ohne meine Bewilligung angestellt werden darf?«
»Das weiß ich so gut wie Du, aber . . .«
»Aber ihr Weiber seid ein undankbares Geschlecht, das unserer Güte nicht werth ist!«
»Vergiß nicht, daß Du zu einem Mädchen aus gutem Hause sprichst!«
»Weiß wohl, mein Lämmchen! Dein Vater war ein Magier und Deine Mutter eine Magiertochter. Beide starben früh und übergaben Dich dem Destur Ixabates, dem Vater des Oberpriesters Oropastes, welcher Dich mit seinen Kindern aufwachsen ließ. Als Du die Ohrringe bekommen hattest, verliebte sich der Bruder des Oropastes, Gaumata353, – nun, Du brauchst nicht roth zu werden, Gaumata ist ein sehr schöner Name, – in Dein rosiges Lärvchen und wollte Dich, obgleich er erst neunzehn Jahre zählte, zum Weibe haben. Gaumata und Mandane, wie schön das zusammen klingt! Mandane und Gaumata! Wär’ ich ein Sänger, so müßte mein Held Gaumata und seine Liebste Mandane heißen!«
»Ich verbitte mir diese Spöttereien!« rief das Mädchen hoch erröthend