Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.Wasserbehälter die von grünen Blättern umkränzte Knospe gesehen; wenn sie aufbricht, so gleicht sie einer himmelblauen riesenhaften Rose. Meine Blüthe . . .«
Der begeisterte Gartenkünstler wollte in seinen Lobpreisungen fortfahren; Boges verließ ihn aber, wohlwollend grüßend, schritt die Treppe hinunter, stellte sich in den zweiräderigen hölzernen Wagen, welcher seiner wartete, und ließ sich von dem neben ihm stehenden Lenker seiner mit Quasten und Glöckchen behängten Rosse356 in raschem Trabe bis an die Pforte des Gartens, welcher das große Weiberhaus des Königs umgab, führen.
Im Harem des Kambyses herrschte heut ein gar bewegtes, emsiges Leben. Boges hatte befohlen, daß alle Frauen des Hofes, um so schön und frisch als möglich zu erscheinen, vor dem Beginne des großen Festmahls in’s Bad geführt werden sollten; darum begab sich der Weiberfürst ohne Aufenthalt zu dem Flügel des Palastes, welcher das Frauenbad enthielt.
Schon aus der Ferne tönte ihm ein wirres Lärmen von schreienden, lachenden, schwatzenden und kichernden Stimmen entgegen. In der weiten Halle des bis zur übergroßen Hitze erwärmten Saales tummelten sich mehr als dreihundert Weiber357, umwallt von einer dichten Wolke feuchten Wasserdampfes. Wie Nebelbilder bewegten sich die halbnackten Gestalten, deren dünne seidene Ueberwürfe sich, von der Nässe durchdrungen, an die zarten Formen schmiegten, in buntem Durcheinander über die heißen marmornen Fliesen des Bades, von dessen Decke lauwarme Tropfen, auf dem Gestein des Fußbodens zerstiebend, niedertroffen.
Hier lagen munter plaudernde Gruppen üppig schöner Weiber zu zehn und zwanzig in muthwilliger Plauderei, dort zankten sich zwei Königsfrauen gleich ungezogenen Kindern. Eine von dem zierlichen Pantoffel ihrer Nachbarin getroffene Schöne kreischte gellend auf, eine andere lag in träger Beschaulichkeit, regungslos wie ein Leichnam, auf dem heißen, feuchten Boden. Sechs Armenierinnen standen neben einander und sangen mit hellen Stimmen ein muthwilliges Liebeslied in der Sprache ihrer Heimath, während ein Häuflein blondhaariger Perserinnen sich bemühte, die arme Nitetis so zu verlästern, daß der Lauscher hätte glauben müssen, die schöne Aegypterin gleiche jenen Unholden, mit denen man Kinder schreckt.
Durch dieses Gewirr bewegten sich nackte Sklavinnen, welche wohlgewärmte Tücher auf den Köpfen trugen, um sie ihren Herrinnen überzuwerfen. Das Geschrei der Eunuchen, welche, die Thüren des Saales bewachend, die Badenden zur Eile antrieben, kreischende Stimmen, die den erwarteten Sklavinnen riefen, und durchdringende, den heißen Wasserdämpfen beigemischte Wohlgerüche machten das bunte Durcheinander zu einem wahrhaft betäubenden Schauspiele.
Eine Viertelstunde später boten die Frauen des Königs einen dem beschriebenen vollkommen entgegengesetzten Anblick dar.
Wie von Thau benetzte Rosen lagen sie still, nicht schlafend, aber träumend auf weichen Polstern, welche die langen Wände eines riesigen Saales umgaben. Das wohlriechende Naß hing noch immer in ihren aufgelösten, ungetrockneten Haaren, während hurtige Sklavinnen auch die leiseste Spur der tief in die Poren dringenden Feuchtigkeit mit weichen Säckchen aus Kameelshaaren von den zarten Körpern abrieben.
Seidene Decken wurden über die schönen, müden Glieder gebreitet, und eine Schaar von Eunuchen sorgte dafür, daß keine muthwillige oder zanksüchtige Einzelne die Ruhe des träumenden Weiberheeres störe.
Trotz der Wächter war es aber selten so still wie heute in jenem dem Badeschlummer gewidmeten Saale; denn wer heute die Friedensstörerin spielte, mußte fürchten, zur Strafe von dem großen Schmause ausgeschlossen zu werden.
Eine volle Stunde mochten sie schweigend verträumt haben, als der Schall eines geschlagenen Metalls dem Schauspiele ein neues Ansehen gab.
Die ruhenden Gestalten sprangen von ihren Polstern auf, ein Heer von Sklavinnen drang in die Halle, Salben und Wohlgerüche wurden über die Schönen ausgegossen, üppige Haare künstlich geflochten und mit Edelsteinen verziert; kostbare Schmucksachen, seidene und wollene Gewänder in allen Farben des Regenbogens herbeigebracht, von Perlen und Edelsteinen steife Schuhe an zarte Füße gebunden, und reiche, goldene Gürtel um die Hüften der Angekleideten befestigt358.
Der Schmuck der meisten Weiber, welcher in seiner Gesammtheit den Werth eines großen Königreichs darstellen mochte, war vollendet, als Boges in die Halle trat.
Ein vielstimmiges, kreischendes Jubelgeschrei empfing den Ankömmling. Zwanzig Weiber gaben sich die Hände und umtanzten ihren lächelnden Wärter, ein in den Räumen des Harems entstandenes kunstloses Schmeichellied auf seine Tugenden singend. Heute pflegte der König jeder seiner Frauen ein billiges Anliegen zu gewähren, darum stürmte, nachdem die Tänzerinnen ihre Kette gelöst hatten, eine Schaar von Bittstellerinnen auf Boges ein, um ihm, seine Wangen streichelnd und seine fleischigen Hände küssend, Forderungen der verschiedensten Art in’s Ohr zu raunen und ihre Befürwortung zu erschmeicheln.
Der lächelnde Weiberdespot hielt sich die Ohren zu, stieß die Zudringlichen schäkernd und kichernd zurück, versprach der Mederin Amytis, daß die Phönizierin Esther, und der Phönizierin Esther, daß die Mederin Amytis bestraft werden sollte, verhieß der Parmys einen schöneren Schmuck, als den der Parisatys, und der Parisatys359 einen kostbareren als den der Parmys und setzte, als er sich der andringenden Bittstellerinnen gar nicht mehr erwehren konnte, ein goldenes Pfeifchen an den Mund, dessen scharfer Ton gleich einem Zauber auf die Weiberschaar wirkte. Die erhobenen Hände sanken plötzlich nieder, die trippelnden Füßchen standen still, die geöffneten Lippen schlossen sich, der Lärm verwandelte sich in lautlose Stille.
Wer dem Tone dieses Pfeifchens, welches so viel bedeutete, als die Verlesung einer Aufruhrsakte, als ein: »Still, im Namen des Königs!« nicht gehorchte, war strenger Strafe gewiß. Heute wirkte der helle Klang besonders schnell und durchgreifend. Boges gewahrte dies mit selbstzufriedenem Lächeln, schenkte der ganzen Versammlung einen wohlwollenden, seine Zufriedenheit andeutenden Blick, versprach in blumenreicher Rede die Bitten all’ seiner lieben weißen Täubchen beim Könige zu befürworten und befahl endlich seinen Untergebenen, sich in zwei langen Reihen aufzustellen.
Die Frauen gehorchten und ließen sich wie Soldaten von ihrem Befehlshaber, wie Sklaven von einem Käufer mustern.
Boges war mit dem Putze der meisten zufrieden; einigen Einzelnen befahl er aber röthere Schminke aufzulegen, die allzugesunde Farbe durch weißes Pulver zu dämpfen, die Haare höher aufzustecken, die Augenbrauen tiefer zu schwärzen oder die Lippen besser zu salben.
Nach beendeter Musterung verließ er den Saal und begab sich zu Phädime, welche als Gattin des Kambyses, wie all’ seine rechtmäßigen Frauen, von den Kebsweibern abgesonderte Gemächer bewohnte.
Die gestürzte Favoritin, die gedemüthigte Achämeniden-Tochter erwartete den Eunuchen schon lange.
Sie war überaus glänzend gekleidet und beinahe überladen mit kostbaren Schmucksachen. Von ihrer kleinen Frauentiara wehte ein dichter Schleier von golddurchwirktem Flor und um dieselbe schlang sich die weiß und blaue Binde, welche in ihr eine Achämeniden-Tochter erkennen ließ. Man mußte sie schön nennen, obgleich sich an ihr jene allzu starke Entwicklung der Formen schon bemerkbar machte, der die Frauen des Orients nach einigen Jahren des trägen Haremlebens anheimzufallen pflegen. Fast übervolles goldblondes Haar quoll, mit silbernen Kettchen und kleinen Goldstücken durchflochten, unter ihrer Tiara hervor und schmiegte sich an ihre weißen Schläfen.
Als Boges in das Zimmer trat, sprang sie ihm bebend entgegen, warf einen Blick in den Spiegel, einen andern auf den Eunuchen, und fragte leidenschaftlich erregt. »Gefall’ ich Dir? Werd’ ich ihm gefallen?«
Boges lächelte wie immer und gab zurück: »Mir gefällst Du stets, mein goldener Pfau, und auch dem Könige würdest Du gefallen, wenn er Dich sehen möchte, wie ich Dich gesehen habe. Als Du mir soeben zuriefst: ›Werde ich ihm gefallen?‹ da warst Du wahrhaft schön, denn die Leidenschaft färbte Dein blaues