Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.geschmeichelt und sich zu einem zweiten ähnlichen Blicke zwingend, rief Phädime: »Laß uns bald zur Tafel aufbrechen, denn ich sage Dir, Boges, daß meine Augen noch schwärzer glänzen und meine Zähne noch schärfer leuchten werden als vorhin, wenn ich die Aegypterin auf dem Platze, welcher nur mir gebührt, erblicken werde!«
»Sie darf ihn nicht lange behalten!«
»So gelingt Dein Plan? O, rede, Boges, verschweige mir nicht länger, was Du vorhast! Ich will stumm sein wie eine Leiche und Dir helfen . . .«
»Ich kann und darf nichts plaudern, aber ich will Dir sagen, um Dir diesen bitteren Abend zu versüßen, daß sich Alles vortrefflich macht, daß der Abgrund, in den wir unsere Feindin stürzen wollen, gegraben ist, und ich meine goldene Phädime bald auf ihren alten Platz und vielleicht noch höher zu stellen gedenke, wenn sie nur blindlings gehorcht.«
»Sage, was ich thun soll; ich bin zu Allem bereit!«
»Wohl gesprochen, Du tapfere Löwin! Folge meinen Worten und Alles wird gelingen. Wenn ich Schweres von Dir verlange, so wird Dein Lohn um so köstlicher sein. Widersprich mir nicht, denn wir haben keinen Augenblick zu verlieren! Lege sogleich allen überflüssigen Schmuck von Dir und hänge nichts als die Kette, welche Dir der König bei der Hochzeit gab, um den Hals. Statt dieser hellen Gewänder mußt Du dunkle, schlichte Kleider anziehen. Wenn Du Dich vor Kassandane, der Mutter des Königs, niedergeworfen hast, so verneigst Du Dich demüthig vor der Aegypterin.«
»Unmöglich!«
»Keinen Widerspruch! Schnell, schnell entkleide Dich des Schmucks, ich bitte Dich! So ist’s recht! Nur wenn Du gehorchst, sind wir des Erfolges sicher! Der weißesten Peri Hals ist dunkel gegen den Deinen!«
»Aber . . .«
»Wenn die Reihe an Dich kommt, vom König etwas zu erbitten, so sagst Du, Dein Herz habe aufgehört zu wünschen, seitdem Dir Deine Sonne ihr Licht entziehe.«
»Gut.«
»Wenn Dein Vater Dich fragt, wie es Dir geht, so weinst Du.«
»Ich werde weinen.«
»So weinst Du in solcher Art, daß alle Achämeniden Dich weinen sehen.«
»Welche Erniedrigung!«
»Keine Erniedrigung, nur ein Mittel, um desto sicherer zu steigen! Wisch’ Dir schnell die rothe Schminke von den Wangen und färbe sie weiß, bleich, immer weißer.«
»Ich werde dieser Farbe bedürfen, um mein Erröthen zu verbergen. Du verlangst Furchtbares von mir, Boges; aber ich will gehorchen, wenn Du mir Deinem Plan . . .«
»Zofe! Bringe schnell die neuen dunkelgrünen Gewänder der Herrin!«
»Ich werde wie eine Sklavin aussehen!«
»Die wahre Anmuth ist auch in Lumpen schön.«
»Wie wird die Ägypterin mich überstrahlen!«
»Alle Welt muß sehen, daß Du weit entfernt bist, Dich mit ihr messen zu wollen. Man wird sich fragen: ›Wäre Phädime nicht eben so schön, wenn sie sich aufgeputzt hätte, gleich diesem hochmüthigen Weibe?‹«
»Aber ich kann mich nicht vor ihr verneigen!«
»Du mußt!«
»Du willst mich verderben und demüthigen!«
»Kurzsichtige Thörin! Höre schnell meine Gründe und gehorche! Es muß uns darauf ankommen, die Achämeniden gegen unsere Feindin aufzubringen. Wie zornig wird Dein Großvater Intaphernes, wie wüthend Dein Vater Otanes sein, wenn sie Dich im Staube vor einer Fremden erblicken. Ihr gekränkter Stolz wird sie zu unseren Bundesgenossen machen; und wenn sie auch, wie sie’s nennen, zu ›edel‹ sind, um selber etwas gegen ein Weib zu unternehmen, so werden sie mir doch, wann ich ihrer bedarf, lieber helfen, als im Wege stehen. Ist die Aegypterin vernichtet, dann wird sich der König, wenn Du mir gehorchst, Deiner bleichen Wangen, Deiner Demuth, Deiner Uneigennützigkeit erinnern. Die Achämeniden und selbst die Magier werden ihn bitten, er möge eine Edle seines Geschlechts zur Königin machen; welches Weib in Persien rühmt sich aber höherer Geburt als Du, wer anders wird den Purpur empfangen, als mein bunter Paradiesvogel, meine schöne Rose Phädime? Wie man einen Sturz vom Pferde nicht fürchten muß, wenn man reiten lernen will, so muß man sich nicht vor einer Erniedrigung scheuen, wenn es gilt, den höchsten Preis zu gewinnen!«
»Ich werde gehorchen!« rief die Fürstentochter.
»Dann müssen wir siegen!« antwortete der Eunuch. »Jetzt glänzen Deine Augen von neuem in dem rechten dunklen Schwarz! So lieb’ ich Dich, meine Königin, so soll Dich Kambyses sehen, wenn sich die Hunde und Vögel mit dem zarten Fleische der Aegypterin mästen, und ich ihm zum Erstenmale nach langen Monden in stiller Nacht Deine Schlafgemächer öffnen werde. Heda, Armorges, befiehl den Weibern, sie sollen sich bereit halten und in die Sänften steigen; ich gehe voraus, um ihnen ihre Plätze anzuweisen.«
Die große Festhalle war mit Tausenden von Lichtern, deren Flammen sich in den Goldblechen, welche die Wände bekleideten, abspiegelten, mehr als tageshell erleuchtet. Eine unabsehbar lange Tafel stand in der Mitte des Saales und bot durch den Reichthum der sie überbürdenden goldenen und silbernen Becher, Teller, Schüsseln, Aufsätze, Krüge, Kannen, Fruchtschalen und Räucheraltäre einen märchenhaft prunkvollen Anblick.
»Der König wird bald erscheinen!« rief der Oberste der Tafeldecker, ein vornehmer Hofbeamter, dem Mundschenken des Königs, einem edlen Anverwandten des Kambyses, zu. »Sind alle Krüge gefüllt, alle Weine geprobt, die Becher aufgestellt und die Schläuche, welche Polykrates sandte, ausgeleert?«
»Alles fertig!« antwortete der Schenk. »Jener Wein aus Chios übertrifft an Güte Alles, was ich bisher getrunken habe, und verdunkelt nach meinem Geschmacke selbst den syrischen Traubensaft360. Kost’ einmal!«
Bei diesen Worten ergriff er mit der einen Hand ein zierliches goldenes Becherchen, mit der andern einen Henkelkrug von gleichem Metalle, schwang den Krug in die Höhe und goß den edlen Trank in weitem Bogen so geschickt in die kleine Höhlung des Pokals, daß kein Tropfen zur Erde fiel. Dann ergriff er den Becher mit den Fingerspitzen und überreichte ihn, sich zierlich verbeugend, dem Tafeldecker361.
Dieser schlürfte bedächtiglich und mit der Zunge schnalzend das kostbare Naß und rief, indem er dem Schenken den Pokal zurückgab: »Wahrlich, ein edler Trank, welcher doppelt mundet, wenn er so anmuthig, wie nur Du es verstehst, dem Trinker überreicht wird. Die Fremden haben Recht, daß sie die persischen Schenken als die geschicktesten in der ganzen Welt mit Bewunderung betrachten.«
»Ich danke Dir,« antwortete der Andere, die Stirn seines Freundes küssend, »und bin stolz auf mein Amt, welches der große König nur seinen Freunden überläßt. Dennoch wird es mir in diesem erstickend heißen Babylon beinahe zur Last! Wann werden wir endlich in die Sommerresidenzen, nach Ekbatana oder Pasargadae ziehen?«
»Heute hab’ ich mit dem Könige hierüber gesprochen. Wegen des Massagetenkrieges wollt’ er nicht erst den Aufenthalt wechseln, sondern von Babylon aus geradenwegs in’s Feld ziehen; sollte aber, was nach der heutigen Botschaft nicht unwahrscheinlich ist, der Krieg unterbleiben, dann werden wir drei Tage nach der Hochzeit des Königs, also in einer Woche, nach Susa aufbrechen.«
»Nach Susa?« fragte der Mundschenk. »Dort ist es nur wenig kühler als hier, und außerdem wird die alte Memnonsburg362 umgebaut.«
»Der Satrap von Susa hat dem Könige die Botschaft gebracht, der neue Palast sei fertig und übertreffe an Glanz und Pracht alles Dagewesene. Kaum hatte Kambyses dies vernommen, als er ausrief: ›Dann brechen wir drei Tage nach dem Hochzeitsfeste dahin auf! Ich will der ägyptischen Königstochter zeigen, daß wir Perser das Bauen eben so gut verstehen als ihre Väter. Sie ist vom Nile her an heiße Tage gewöhnt und wird sich