Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie - Georg Ebers


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alle anderen Frauen und wird sie bald zur Königin erheben!«

      »Das ist unrecht; die Achämenidin Phädime hat ältere und bessere Rechte.«

      »Sicherlich; aber was der König will, ist gut.«

      »Des Herrschers Wille ist der Wille der Gottheit.«

      »Wohlgesprochen! Der rechte Perser freut sich, die Hand seines Herrschers küssen zu dürfen, selbst wenn sie vom Blute seines Kindes gefärbt ist.«

      »Kambyses hat meinen Bruder hinrichten lassen; aber ich grolle ihm darum nicht mehr als der Gottheit, welche mir meine Eltern raubte. – He, ihr Diener, zieht die Vorhänge zurück, denn die Gäste nahen. tummelt euch, ihr Hunde, und paßt auf euren Dienst! Gehab’ Dich wohl, Artabazos; unser wartet eine heiße Nacht!«

      Sechstes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Als sich Alle niedergelassen hatten, verkündete eine Trompetenfanfare das Nahen des Königs. Sobald er die Halle betrat, erhoben sich die Gäste und empfingen ihren Herrscher mit dem donnernden, oft wiederholten Rufe. »Sieg dem Könige!«

      Der erste Blick des Kambyses galt Nitetis, welche in aller Pracht und Würde einer Königin, bleich, aber über alle Beschreibung schön in den neuen Purpurkleidern, an seiner Seite saß.

      Die Augen der Verlobten begegneten sich.

      Kambyses fühlte, daß ihm aus dem Blicke seiner Braut heiße Liebe entgegenstrahle. Dennoch bemerkte er mit dem seinen Instinkte zärtlicher Leidenschaft, daß dem theuren Wesen ein ihm unbekanntes Etwas begegnet sein müsse. Wehmüthiger Ernst umspielte heute ihren Mund, und ein trüber, nur ihm bemerkbarer Schleier umflorte ihren sonst so ebenmäßig klaren, ruhig heiteren Blick. – »Ich werde sie später fragen, was ihr widerfahren,« dachte der König; »meine Unterthanen dürfen nicht bemerken, wie lieb mir dieses Mädchen ist.«

      Nun küßte er die Stirn seiner Mutter, seiner Geschwister und nächsten Anverwandten, sprach ein kurzes Gebet, in welchem er den Göttern für ihre Gnade dankte und ein neues glückliches Jahr für sich selbst und alle Perser erflehte, nannte die ungeheure Summe. mit der er an diesem Tage seine Landsleute beschenkte, und forderte die Stabträger auf, Diejenigen vor sein Angesicht treten zu lassen, welche von diesem Feste der Gnade die Gewährung eines billigen Wunsches erhofften.

      Keiner der Bittsteller ging unbefriedigt von dannen, hatte doch ein Jeder am Tage vorher dem obersten Stabträger sein Gesuch vorgetragen und sich über seine Zulässigkeit unterrichten lassen müssen. In gleicher Weise wurden die Anliegen der Weiber, ehe sie dem Könige vorgetragen werden durften, von den Eunuchen geprüft.

      Nach den Männern führte Boges die Schaar der Frauen (nur Kassandane blieb sitzen) an dem Herrscher vorüber.

      Atossa eröffnete mit Nitetis den langen Zug. Phädime und eine andere Schöne folgten den Königstöchtern. Letztere war auf’s Glänzendste geschmückt und von Boges der gestürzten Favoritin beigesellt worden, um ihre beinah dürftige Einfachheit noch schärfer hervortreten zu lassen.

      Intaphernes und Otanes sahen, wie Boges vermuthet hatte, finsteren Blickes auf ihre Enkelin und Tochter, welche so bleich und dürftig gekleidet an dieser Stätte des Glanzes erschien.

      Kambyses, der aus früheren Zeiten die verschwenderische Putzsucht Phädime’s kannte, musterte, als sie ihm gegenüberstand, halb unwillig, halb erstaunt den schlichten Anzug und die bleichen Züge der Achämenidin. Seine Stirn verfinsterte sich und grollend herrschte er dem vor ihm niedersinkenden Weibe zu: »Was soll diese Betteltracht an meiner Tafel und meinem Ehrenfeste? Kennst Du nicht mehr die Sitte unseres Volkes, vor seinem Herrscher nur im Schmucke zu erscheinen? Wahrlich, wäre heut ein anderer Tag und achtete ich Dich nicht als die Tochter unserer liebsten Verwandten, so ließ’ ich Dich von den Eunuchen in den Harem zurückführen und Dich in der Einsamkeit über das Ziemliche nachdenken!«

      Diese Worte erleichterten die Aufgabe der Gedemüthigten. Laut und bitterlich weinend schaute sie zu dem Zürnenden auf und hob ihre Blicke und Hände so flehentlich zu ihm empor; daß sich der Groll des Königs in Mitleid verwandelte und er, die Knieende aufhebend, fragte: »Hast Du eine Bitte auf dem Herzen?«

      »Was sollte mir noch wünschenswerth erscheinen, seitdem mir meine Sonne ihr Licht entzieht?« lautete die unter leisem Schluchzen gestammelte Antwort.

      Kambyses zuckte die Achseln und fragte noch einmal: »Wünschest Du Dir gar nichts? In früheren Tagen konnte ich mit Geschenken Deine Thränen trocknen; fordere denn auch heut einen goldenen Trost.«

      »Phädime wünscht nichts mehr! Für wen bedürfte sie auch des Schmucks, seitdem ihr König, ihr Gatte, das Licht seines Auges von ihr wendet?«

      »So kann ich Dir nicht helfen!« rief Kambyses, indem er sich unwillig von der Knieenden abwandte.

      Der Rath des Boges, daß sich Phädime Weiß auflegen solle, war gut gewesen, denn unter der bleichen Schminke glühten ihre Wangen vor Zorn und Scham. Trotzdem blieb sie Herrin ihrer Leidenschaft und folgte dem Befehle des Eunuchen, indem sie sich tief und ehrerbietig, wie vor der Mutter des Königs, vor Nitetis verneigte und ihre Thränen frei und offen unter den Augen aller Achämeniden fließen ließ.

      Otanes und Intaphernes verbissen nur mühsam den Grimm, welchen die Erniedrigung ihrer Tochter und Enkelin in ihnen erweckte, und manches Achämeniden Auge sah mit hoher Theilnahme auf die unglückliche Phädime, mit stillem Groll auf die bevorzugte, schöne Fremde.

      Jetzt erst bemerkte er ihn, musterte die Schönheit der seltenen, ungeheuren Frucht mit Kennerblicken und fragte: »Wer hat diesen wunderbaren Apfel gezogen?«

      »Ich danke Dir!« rief der König, »denn, meine Freunde, dieser Granatapfel wird mir die Wahl eines Statthalters


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