Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.antworten würdet. – Haltet ihr die Seele meines Vaters, des Mannes, dem ihr eure Größe verdankt, für gerächt?«
Ein dumpfes bejahendes Gemurmel, unterbrochen von wenigen heftigen Verneinungen, antwortete dem Könige, dessen zweite Frage: »Sollen wir die Bedingungen der heut eingetroffenen Gesandtschaft annehmen und dem gelichteten, von den Göttern heimgesuchten Volke Frieden schenken?« von allen Anwesenden lebhaft bejaht wurde.
»Das ist es, was ich zu wissen verlangte,« fuhr Kambyses fort. »Morgen wollen wir in der Nüchternheit, nach alter Sitte, erwägen, was im Rausche beschlossen wurde. Durchzecht die letzten Stunden der Nacht; ich verlasse euren Kreis und erwarte euch beim letzten Schrei des heiligen Vogels Parodar373 am Thore des Bel, um mit euch zu jagen!«
Mit diesen Worten verließ der Herrscher die Halle. Ein donnerndes »Sieg dem Könige« brauste ihm nach.
Boges, der Eunuch, hatte sich vor seinem Gebieter aus dem Saale geschlichen. Im Vorhofe fand er einen Burschen des Blumenzüchters von den hängenden Gärten.
»Was willst Du hier?« fragte er ihn.
»Ich habe dem Prinzen Bartja etwas zu übergeben.«
»Dem Bartja? Hat er Deinen Herrn um eine Sämerei oder einen Steckling gebeten?«
Der Knabe schüttelte seinen sonnenverbrannten Kopf und lächelte schelmisch.
»So hat Dich ein Anderer geschickt?« fragte Boges aufmerksamer werdend.
»Ja, eine Andere.«
»Ah, die Aegypterin läßt ihrem Schwager durch Dich etwas sagen!«
»Wer hat Dir das verraten?«
»Nitetis sprach mir davon. Gib her, was Du hast; ich werde es Bartja sogleich überreichen.«
»Ich darf es keinem Anderen als ihr selbst einhändigen.«
»Gib her; ich kann den Auftrag sicherer besorgen als Du.«
»Ich darf nicht.«
»Gehorche mir, oder –«
In diesem Augenblicke nähere sich der König den Streitenden. Boges besann sich einen Augenblick, dann rief er mit lauter Stimme den an der Pforte Wache haltenden Peitschenträgern und befahl ihnen, den erstaunten Burschen festzunehmen.
»Was gibt es hier?« fragte Kambyses.
»Dieser Verwegene,« antwortete der Eunuch, »ist in den Palast gedrungen, um Bartja eine Botschaft Deiner Gattin Nitetis zu überbringen.«
Der Knabe war, als er den König gewahrte, den Boden mit der Stirn berührend, auf die Kniee gesunken.
Kambyses schaute todtenbleich auf den unglücklichen Boten. Dann wandte er sich an den Eunuchen und fragte: »Was begehrt die Aegypterin von meinem Bruder?«
»Der Bursche behauptet, er habe den Befehl, das, was er bringe, nur Bartja selbst zu übergeben.«
Bei diesen Worten hielt der Knabe dem Könige, indem er ihn flehentlich bittend anschaute, ein Papyrusröllchen entgegen.
Kambyses entriß ihm das Blatt und stampfte wüthend mit dem Fuße, als er griechische Schriftzeichen, welche er nicht zu lesen vermochte, auf ihm erblickte.
Nachdem er sich gesammelt hatte, fragte er den Knaben, indem er ihn mit einem furchtbaren Blick anschaute: »Wer hat Dir dieß übergeben?«
»Die Zofe der ägyptischen Herrin, die Magiertochter Mandane.«
»Für meinen Bruder Bartja?«
»Sie sagte, ich solle dieses Blatt dem schönen Prinzen vor dem Schmause einhändigen, ihm einen Gruß von der Herrin Nitetis bestellen und ihm mittheilen . . .«
Der König stampfte vor Ingrimm und Ungeduld mit dem Fuße, worüber der Knabe so sehr erschrak, daß ihm die Stimme versagte und er nur mühsam fortfahren konnte: »Der Herr ging ja vor dem Schmause neben Dir, da konnt’ ich ihn nicht anreden. Jetzt erwart’ ich ihn hier, denn Mandane versprach mir ein Goldstück, wenn ich den Auftrag geschickt ausrichten würde.«
»Das hast Du nicht gethan,« donnerte der nach seiner Ansicht so schändlich hintergangene Mann. »Das hast Du nicht gethan! Ihr Trabanten, ergreift den Burschen!«
Der Knabe erhob flehentlich bittend Blick und Stimme, aber vergebens, denn schnell wie der Gedanke hatten ihn die Peitschenträger ergriffen, und der König, welcher mit raschen Schritten seinen Gemächern zueilte, vernahm nicht mehr sein winselndes Flehen um Schonung und Gnade.
Boges rieb, dem Herrscher folgend, seine fleischigen Hände und lachte still vor sich hin.
Als die Auskleider ihr Geschäft beginnen wollten, wies sie der König mit dem Befehle, ihn sofort zu verlassen, grollend zurück.
Nachdem sie sich aus dem Gemache entfernt hatten, rief er Boges und murmelte. »Von dieser Stunde an übertrage ich Dir die Aufsicht über die hängenden Gärten und die Aegypterin. Bewache sie gut! Wenn ein Mensch oder eine Botschaft ohne mein Wissen zu ihr gelangt, so ist Dein Leben verwirkt!«
»Aber, wenn Kassandane oder Atossa zu ihr schicken?«
»So weise die Boten ab und laß ihnen sagen, ich würde jeden Versuch, den sie wagen sollten, mit Nitetis zu verkehren, für eine mir zugefügte Beleidigung ansehen.«
»Darf ich Dich um eine Gnade bitten, o König?«
»Die Stunde dazu ist schlecht gewählt.«
»Ich fühle mich so krank. Uebertrage nur für den morgenden Tag die Aufsicht über die Gärten einem Anderen wie mir.«
»Nein! – Verlaß mich!«
»Heftiges Fieber durchschauert mein Blut. Ich habe heut dreimal die Besinnung verloren. – Wenn irgend Jemand während einer solchen Schwäche . . .«
»Wer könnte Deine Stelle vertreten?«
»Der lydische Eunuchenhauptmann Kandaules. Er ist treu wie Gold und unbeugsam streng. Ein Tag der Erholung wird meine Gesundheit herstellen. Sei gnädig!«
»Niemand ist so schlecht bedient, als ich, der König. Kandaules mag Dich morgen vertreten; gib ihm aber strenge Befehle und sage ihm, daß eine einzige Nachlässigkeit sein Leben bedroht. – Verlaß mich!«
»Noch Eins, mein König: Du weißt, daß morgen Nacht in den hängenden Gärten die seltene blaue Lilie erblüht. Hystaspes, Intaphernes, Gobryas, Krösus und Oropastes, die größten Gartenkünstler an Deinem Hofe, möchten sie gern in Augenschein nehmen. Dürfen sie auf wenige Minuten die hängenden Gärten betreten? Kandaules soll Acht haben, daß sie nicht mit der Aegypterin verkehren.«
»Kandaules wird seine Augen offen halten, wenn ihm sein Leben lieb ist. – Geh’!«
Boges verneigte sich tief und verließ das Gemach des Königs. Den Sklaven, welche ihm mit Fackeln voranleuchteten, warf er einige Goldstücke zu. Er war sehr fröhlich! Alle seine Pläne glückten über Erwartung, denn das Schicksal der Nitetis schien so gut als entschieden, und er hielt das Leben des Kandaules, seines Standesgenossen, den er haßte, in seinen Händen.
Kambyses ging bis zum Morgen in seinen Gemächern auf und nieder. Als die Hähne krähten, hatte er fest beschlossen, Nitetis zu einem Geständnisse zu zwingen und sie dann als Magd der Kebsweiber in den großen Harem zu senden.
Bartja, der Vernichter seines Glücks, sollte sogleich nach Aegypten reisen und später als Satrap entfernte Provinzen verwalten. Er scheute das Verbrechen des Brudermords, aber er kannte sich selber gut genug, um zu wissen, daß er in einem Augenblicke des Jähzorns den Verhaßten tödten würde, wenn er ihn nicht aus dem Bereiche seiner Leidenschaft entfernte.
Zwei Stunden nach dem Aufgange der Sonne jagte Kambyses auf schnaubendem Hengste seinem unabsehbaren, mit Schild, Schwert, Lanze, Bogen und Fangschnur bewaffneten Gefolge weit voran, um das von mehr als tausend Hunden