Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie - Georg Ebers


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die Weiber, denen wir zumuthen, uns ein ganzes Leben lang treu zu bleiben, während wir, denen die Treue über Alles gehen sollte, heute Dieser, morgen Jener unverbrüchliche Liebe schwören!«

      »Bah!« rief Zopyrus. »Ich möchte lieber meine Zunge einbüßen, als einen Mann belügen; unsere Frauen sind aber so trügerische Geschöpfe, daß man ihnen mit gleicher Münze zahlen muß.«

      »Die Helleninnen sind von anderer Art, weil ihnen anders begegnet wird,« erwiederte Bartja. »Sappho erzählte mir von einer griechischen Frau; sie hieß, wie ich glaube, Penelope, welche zwanzig Jahre lang in Liebe, Geduld und Treue, obgleich fünfzig Freier tagtäglich in ihrem Hause verweilten, auf ihren für todt gehaltenen Gatten harrte.«

      »Meine Weiber möchten nicht so lange auf mich warten!« rief Zopyrus und lachte vergnügt. »Offen gestanden, würde ich mich auch nicht grämen, wenn ich nach einer Abwesenheit von zwanzig Jahren bei meiner Heimkehr ein leeres Haus fände. Statt der Untreuen, die indessen alt geworden sein müßten, könnte ich dann um so jüngere, schönere Kinder in meinen Harem aufnehmen. Aber es findet nicht Jede einen Entführer, und unseren Frauen ist ein abwesender immer noch lieber als gar kein Mann.«

      »Wenn Deine Weiber diese Worte hörten!« lachte Araspes.

      »Sie erklärten mir den Krieg oder, was noch schlimmer wäre, sie würden Frieden mit einander schließen.«

      »Wie so?«

      »Wie so? Man merkt, daß ihr keine Erfahrungen habt!«

      »So weihe uns in die Geheimnisse Deiner Ehe ein.«

      »Sehr gerne! Ihr könnt euch denken, daß fünf Frauen in einem Hause weniger friedlich bei einander leben als fünf Tauben in einem Schlage; die meinen wenigstens führen einen ununterbrochenen Krieg auf Tod und Leben. Daran hab’ ich mich gewöhnt und freue mich über ihre Munterkeit. Vor einem Jahre waren sie nun zum Erstenmale einig, und diesen Tag des Friedens muß ich den unglücklichsten meines Lebens nennen.«

      »Spaßvogel!«

      »Nein, ich rede in vollem Ernste. Der elende Eunuch, welcher die Fünf zu bewachen hat, ließ einen alten Juwelenhändler aus Tyrus zu ihnen. Jede wählte sich einen kostbaren Schmuck. Als ich nach Hause komme, naht sich mir Sudabe und bittet um das Geld für jenes Geschmeide. Das Ding war so theuer, daß ich mich weigerte, den Kaufpreis zu erlegen. Alle Fünf baten mich einzeln um das Geld, ich aber schlug es jeder Einzelnen rund weg ab und ging zu Hofe. Als ich wieder nach Hause komme, sitzt meine ganze Weiberschaar heulend neben einander. Eine umarmt die Andere und nennt sie ihre Leidens- und Unglücksgefährtin. Die Feindinnen erheben sich in rührender Einmüthigkeit und überhäufen mich mit Schmähreden und drohenden Worten, bis ich das Zimmer verlasse. Als ich mich niederlegen will, finde ich fünf verschlossene Thüren. Am nächsten Morgen wird das Gejammer vom vorigen Abend fortgesetzt. Ich fliehe wiederum und reite mit dem Könige auf die Jagd. Als ich ermüdet, hungrig und erfroren heimkehre (es war im Frühling und wir verweilten schon zu Ekbatana, als der Schnee noch ellenhoch auf dem Orontes lagerte), find’ ich kein Feuer im Herde und keine Mahlzeit bereitet. Die edle Schaar hatte sich, um mich zu strafen, verbündet, das Feuer gelöscht, den Köchen verboten, ihre Pflicht zu thun und, was das Schlimmste war, den Schmuck behalten! – Als ich kaum den Sklaven befohlen habe, das Feuer anzuschüren und ein Mahl zu bereiten, erscheint der unverschämte Juwelenhändler von neuem und verlangt sein Geld. Ich weigere mich abermals zu bezahlen, ich verbringe wieder, abgeschlossen von den Weibern, meine Nacht und opfere am nächsten Morgen, um des lieben Friedens willen, zehn Talente. Seitdem fürchte ich die Einigkeit meiner Geliebten wie die bösen Diws und sehe nichts lieber als ihre kleinen Zänkereien und Händel.«

      »Armer Zopyrus!« lachte Bartja.

      »Armer?« fragte der fünffache Eheherr. »Ich sage euch, daß ich glücklicher bin als ihr. Meine Frauen sind jung und anmuthig, und wenn sie altern, wer hindert mich, schönere in mein Haus zu nehmen, die dann neben den verblühten doppelt reizend erscheinen werden. – He, Sklave, sorge für Lampen! Die Sonne ist untergegangen, und der Wein mundet nur, wenn helles Licht die Tafel bescheint!«

      »Hört, wie schön der Vogel Bülbül singt!« rief Darius, welcher aus der Laube in’s Freie getreten war, den Freunden zu.

      »Du hast Recht, Väterchen,« rief Bartja. »Philomele, wie die Hellenen unsere Bülbül nennen, der die Liebe so schöne Gesänge in die Brust legt, ist bei allen Völkern der Vogel der Liebenden. Von welcher Schönen träumtest Du, Darius, als Du in die Nacht hinaus tratest, um der Bülbül zu lauschen?«

      »Von Keiner,« antwortete der Befragte. »Ihr wißt, daß ich den gestirnten Himmel gern beobachte. Der Tistarstern ging heute so wunderbar strahlend auf, daß ich den Wein verließ, um ihn näher zu betrachten. Ich hätte meine Ohren verschließen müssen, um den lauten Wechselgesang der Nachtigallen nicht zu vernehmen.«

      »Du hast sie weit genug geöffnet; Dein entzückter Ausruf bewies das!« lachte Araspes.

      »Genug!« rief Darius, den diese Neckereien verdrossen.

      »Unvorsichtiger,« flüsterte jetzt der Alte dem Jünglinge zu, »nun erst hast Du Dich verrathen! Wärest Du nicht verliebt, so würdest Du lachen, statt aufzubrausen! Aber ich will Dich nicht reizen und frage Dich, was Du aus den Sternen gelesen?«

      Darius schaute bei diesen Worten nochmals zum Himmel empor und heftete seine Augen unverwandt an ein leuchtendes, über dem Horizonte schwebendes Sternbild. Zopyrus beobachtete den Astrologen und rief den Freunden zu: »Dort oben muß etwas Wichtiges vorgehen. He, Darius, theile uns mit, was sich am Himmel ereignet!«

      »Nichts Gutes,« antwortete dieser. »Ich habe mit Dir allein zu reden, Bartja.«

      »Warum das? Araspes ist verschwiegen, und vor euch Anderen hab’ ich kein Geheimniß.«

      »Dennoch –«

      »Rede nur!«

      »Nein, ich bitte Dich, mir in den Garten zu folgen.«

      Bartja nickte den Zechern zu, legte seinen Arm auf die Schulter des Darius und trat mit ihm in das helle Mondlicht hinaus. Als sie allein waren, ergriff der Sohn des Hystaspes beide Hände seines Freundes und sagte. »Heut zum Drittenmale gehen am Himmel Dinge vor, welche Dir nichts Gutes verheißen. Dein böser Stern tritt Deinem heilbringenden Gestirne so nah, daß man nur wenig Astrologie zu verstehen braucht, um Dir voraussagen zu können, Dich erwarte eine ernstliche Gefahr. Sieh’ Dich vor, Bartja, und reise noch heut nach Ägypten, denn die Sterne sagen mir, daß Dir am Euphrat, nicht in der Ferne, das Verhängniß droht.«

      »Glaubst Du so sicher an die weissagende Kraft des gestirnten Himmels?«

      »Sicher! Die Sterne lügen niemals!«

      »Dann wäre es Thorheit, sich dem, was sie verheißen, entziehen zu wollen.«

      »Wohl, der Mensch kann zwar seinem Verhängnisse nicht entgehen; das Schicksal gleicht aber den Lehrern in der Fechtkunst, welche diejenigen Schüler am liebsten haben, die am muthigsten und geschicktesten mit ihnen zu kämpfen verstehen. Reise heute noch nach Aegypten, Bartja!«

      »Ich kann nicht, denn ich habe der Mutter und Atossa noch nicht Lebewohl gesagt.«

      »Sende ihnen durch einen Boten Deine Abschiedsgrüße und trage Krösus auf, ihnen den Grund Deiner Abreise aus einander zu setzen.«

      »Sie würden mich für feige halten.«

      »Einem Menschen zu weichen, ist schimpflich; dem Verhängnisse aus dem Wege zu gehen, weise.«

      »Du widersprichst Dir selbst, Darius! Was würde der Fechtmeister über den fliehenden Schüler sagen?«

      »Er würde sich der Kriegslist freuen, durch welche der Vereinzelte


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