Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.rel="nofollow" href="#ulink_5cf56f38-c486-5edf-9f61-4d4f1a1d5604">383, denn ein solcher hat gegen die höchsten Gebote gefrevelt, und indem er drei Verbrechen beging, jene Gunst unseres Gesetzes verscherzt, die Demjenigen; welche nur einmal gesündigt, und sei er nichts als ein Sklave, das Leben zu schenken gebietet384.«
»So ist Bartja des Todes schuldig! Führt ihn fort, ihr Wachen und erdrosselt ihn! Führt ihn fort! Schweig’, Elender, ich will Deine gleisnerische Stimme nie mehr hören, nie mehr die lügnerische Auge sehen, welches Alles mit buhlerischen Blicken betrügt und den Diws seinen Ursprung verdankt. Fort, ihr Wachen!«
Der Hauptmann Bischen nahte, um den Befehl zu vollstrecken; Krösus aber trat in diesem Augenblicke vor den König, warf sich, den Estrich mit der Stirn berührend, zu Boden, erhob die Hände und sprach: »Jedes Jahr, jeder Tag bringe Dir nichts als Glück, Auramazda spende Dir alle Lebensgüter und die Amescha çpenta385 mögen die Wächter Deines Thrones sein! Verschließe Dein Ohr nicht der Rede des Alters und bedenke, daß Cyrus, Dein Vater, mich zu Deinem Rathgeber bestellte. Du willst Deinen Bruder umbringen; ich aber sage Dir, folge nicht Deinem Zorne, sondern suche Dich selbst zu beherrschen! Zu prüfen vor dem Handeln ist die Pflicht der Weisen und Könige. Hüte Dich, brüderliches Blut zu vergießen, denn wisse, daß seine Dämpfe ansteigen zum Himmel und zu Wolken werden, welche die Tage des Mörders verfinstern und endlich tausend Blitze der Rache auf ihn hernieder schleudern. Doch ich weiß, daß Du richten und nicht morden willst. Handle denn nach dem Brauche Derer, welche Recht sprechen und höre beide Theile, bevor Du urtheilst. Hast Du dies gethan, ist der Verbrecher überführt worden und geständig seiner Schuld, dann wird die Blutwolke Dein Dasein nicht mehr verfinstern, sondern Dich beschatten, und statt der Strafe der Götter wirst Du den Ruhm eines gerechten Richters gewinnen.«
Kambyses hörte dem Greise schweigend zu, winkte Bischen zurückzutreten und befahl Boges, seine Klage zu wiederholen.
Der Eunuch verneigte sich und begann: »Ich war krank und mußte darum die Aufsicht über die Aegypterin meinem Gefährten Kandaules, welcher seine Unachtsamkeit mit dem Tode büßte, überlassen. Gegen Abend befand ich mich wohler und bestieg die hängenden Gärten, um zu sehen, ob Alles in Ordnung sei und die seltene Blume in Augenschein zu nehmen, welche in dieser Nacht aufblühen sollte Der König, dem Auramazda Sieg verleihe, hatte befohlen, die Aegypterin strenger zu bewachen als sonst, weil sie sich unterfangen hatte, dem edlen Bartja einen Brief . . .«
»Schweig’,« unterbrach der König den Eunuchen, »und halte Dich bei der Sache.«
»Als der Tistarstern gerade aufging, langte ich auf den Gärten an und verweilte eine Zeit lang mit diesen edlen Achämeniden, dem Oberpriester und dem Könige Krösus bei der blauen Lilie, denn sie war in der That von zauberhafter Schönheit. Dann rief ich meinem Genossen Kandaules und fragte ihn in Gegenwart dieser edlen Zeugen, ob Alles in Ordnung sei. Er bejahte dies und fügte hinzu, er komme eben von Nitetis, welche den ganzen Tag geweint und weder Trank noch Speise zu sich genommen habe. Ich, besorgt für das Wohlsein meiner hohen Gebieterin, trage Kandaules auf, einen Arzt zu holen, und will mich eben, um mich selbst von dem Befinden der Herrin zu überzeugen, von den edlen Achämeniden trennen, als ich im Mondenschein eine männliche Gestalt erkenne. Ich war so krank und schwach, daß ich kaum stehen konnte und hatte keine männliche Hülfe außer dem Gärtner bei mir.
»Meine Untergebenen hielten, ziemlich weit von uns, an den Eingängen Wache.
»Ich klatschte in die Hände, um einige von ihnen herbei zu rufen, und näherte mich, als sie nicht kamen, von diesen Edlen beschützt, dem Hause. Die männliche Gestalt stand vor den Fenstern der Aegypterin und stieß, als sie uns nahen hörte, einen leisen Pfiff aus. Alsogleich erschien, im hellen Mondlichte genau erkennbar, eine zweite Gestalt, welche aus dem Fenster des Schlafzimmers der Aegypterin in den Garten sprang und mit ihrem Begleiter uns entgegen kam.
»Ich schalt meine Augen Lügner, als ich in dem Eindringlinge den edlen Bartja erkannte. Ein Feigengebüsch verbarg uns den Fliehenden; wir aber konnten sie, da sie kaum vier Schritte weit von uns vorüber gingen, ganz deutlich erkennen. Während ich mich noch bedenke, ob ich das Recht habe, einen Sohn des Cyrus zu verhaften, und Krösus Bartja anruft, verschwinden die Beiden plötzlich hinter einem Cypressenbaume. Wir folgten ihnen und suchten lange, aber vergeblich nach den in räthselhafter Weise Entkommenen. Nur Dein Bruder wird im Stande sein, uns die seltsame Art seines Verschwindens zu erklären. Die Aegypterin lag, als ich gleich darauf das Haus untersuchte, ohnmächtig auf dem Divan in ihrem Schlafzimmer.«
Alle Anwesenden horchten in ängstlicher Spannung; Kambyses aber knirschte mit den Zähnen und fragte mit erregter Stimme: »Kannst Du die Worte des Eunuchen bezeugen, Hystaspes?«
»Ja!«
»Warum legtet ihr nicht Hand an den Frevler?«
»Wir sind Krieger, aber keine Häscher.«
»Oder besser, jener Bube ist euch lieber als euer König.«
»Wir ehren Dich und verabscheuen den Verbrecher Bartja, wie wir den schuldlosen Sohn des Cyrus liebten.«
»Habt ihr Bartja genau erkannt?«
»Ja.«
»Auch Du, Krösus, verneinest nicht meine Frage?«
»Nein. Ich glaube Deinen Bruder im Mondscheine so deutlich, als er dort vor mir steht, gesehen zu habend doch mein’ ich, daß uns irgend eine wunderbare Aehnlichkeit getäuscht haben muß.«
Boges erblaßte bei diesen Worten; Kambyses aber schüttelte mißbilligend sein Haupt und sagte: »Wem dürfte ich glauben, wenn die Augen meiner bewährtesten Helden trügen könnten; wer möchte Richter sein, wenn Zeugnisse wie die euren keine Gültigkeit haben sollten?«
»Andere eben so gültige Aussagen als die unseren, werden Dir beweisen, daß wir uns geirrt haben müssen.«
»Wer wagt es für jenen Frevler Zeugniß abzulegen?« fragte Kambyses aufspringend und mit dem Fuße stampfend.
»Wir, ich, wir!« riefen Araspes, Darius, Gyges und Zopyrus wie mit einer Stimme.
»Verräther, Schurken!« schrie der König. Als aber seine Blicke den mahnenden Augen des Krösus begegneten, senkte er seine Stimme und rief: »Was habt ihr für den Frevler vorzubringen? Bedenket euch wohl, eh’ ihr redet, und fürchtet die Strafe, welche des falschen Zeugnisses wartet.«
»Wir bedürfen dieser Mahnung nicht,« sagte Araspes; »doch können wir beim Mithra beschwören, daß wir seit der Heimkehr von der Jagd Bartja und seinen Garten keinen Augenblick verlassen haben.«
»Und,« fügte Darius hinzu, »ich, der Sohn des Hystaspes, kann die Unschuld Deines Bruders ganz besonders klar beweisen, denn ich beobachtete mit ihm den Tistarstern, welcher ja, nach der Aussage des Boges, seine Flucht beleuchtet haben soll.«
Hystaspes sah nach diesen Worten staunend und fragend auf seinen Sohn; Kambyses schaute bald den einen, bald den andern Theil der Zeugen, welche sich gegenseitig zu glauben gewohnt waren und einander doch nicht glauben konnten, prüfend und unschlüssig an.
Bartja, der bis dahin geschwiegen und schmerzlich auf die Ketten, welche seine Hände fesselten, geschaut hatte, benutzte das allgemeine Stillschweigen und sagte, sich tief verneigend: »Gestattest Du mir, einige Worte zu reden, mein König?«
»Sprich!«
»Unser Vater gab uns das Beispiel, nur dem Guten und Reinen nachzustreben; darum war mein Wandel bis dahin unbefleckt. Kannst Du mich einer einzigen finsteren Handlung zeihen, so glaube mir nicht; findest Du aber keinen Fehl an mir, so traue meinen Worten und bedenke, daß ein Sohn des Cyrus den Tod einer Lüge vorzieht. Ich gestehe, daß sich noch kein Richter in einer mißlicheren Lage befand als Du. Die Besten Deines Reiches zeugen gegen die Besten, der Freund gegen den Freund, der Vater gegen den Sohn. Ich aber sage Dir, daß, wenn ganz Persien seine Hand gegen Dich aufhöbe und Alle beschwören wollten, Kambyses habe Dies oder Jenes begangen, Du aber versichern