Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.Ich will nicht länger leben, wenn wir morgen früh nicht sammt und sonders todt sind. Schade, daß wir Menschen nur einen Hals haben; hätten wir zwei, so würde ich mehr als ein Goldstück für unser Leben verwetten.«
»Zopyrus hat Recht,« fügte Araspes hinzu; »wir wollen fröhlich sein und die Augen aufhalten, denn sie werden sich bald genug auf immer schließen.«
»Wer unschuldig wie wir in den Tod geht, hat keine Ursache zur Trauer,« sagte Gyges. »Füll’ mir den Becher, Schenk!«
»He, Bartja und Darius,« rief Zopyrus den Freunden zu, welche sich leise besprachen. »Habt ihr wieder Geheimnisse? Kommt her zu uns und nehmt den Becher! Ich habe mir, beim Mithra, niemals den Tod gewünscht, heute freu’ ich mich aber auf den schwarzen Azis389, denn er wird uns Alle auf einmal entführen. Zopyrus stirbt lieber mit seinen Freunden, als daß er ohne sie lebt!«
»Vor allen Dingen,« sagte Darius, indem er sich mit Bartja zu den Trinkenden gesellte, »müssen wir uns das Vorgefallene zu erklären versuchen.«
»Mir ist’s gleich,« rief Zopyrus, »ob ich mit oder ohne Erklärung sterbe, wenn ich nur weiß, daß ich unschuldig bin und den Tod des falschen Zeugen nicht verdient habe! Schaff’ uns goldene Pokale, Bischen; aus diesen schlechten, ehernen Bechern will mir der Wein nicht munden. Wenn auch Kambyses unseren Freunden und Vätern uns zu besuchen verbietet, so kann er doch nicht wollen, daß wir in unseren letzten Stunden Noth leiden!«
»Nicht das geringere Metall des Gefäßes, sondern der Wermuthstropfen des Todes verbittert Dir den Trunk,« sagte Bartja.
»Bei Leibe nicht,« rief Zopyrus; »ich hatte schon halb vergessen, daß das Erdrosseln zu tödten pflegt.« Nach diesen Worten stieß er Gyges an und flüstere ihm zu: »Sei doch heiter! Siehst Du denn nicht, daß Bartja der Abschied von der Erde schwer wird? Was sagtest Du, Darius?«
»Ich meinte, es sei nicht anders möglich, als daß, wie Oropastes vermuthet, ein böser Diw Bartja’s Gestalt angenommen und sich zu der Aegypterin begeben habe, um uns zu verderben.«
»Thorheit, ich glaube nicht an solche Dinge!«
»Erinnert ihr euch nicht an die Sage vom Könige Kawus, zu welchem gleichfalls ein Diw in der schönen Gestalt eines Sängers trat?«
»Freilich,« rief Araspes. »Cyrus ließ sich diese Sage so oft beim Schmause vorsingen, daß ich sie auswendig weiß. Wollt ihr sie hören?«
»Gern, gern, singe, laß hören!« riefen die Jünglinge. Araspes besann sich einen Augenblick, dann begann er halb sprechend, halb singend:
Nun Kawus, statt des Vaters, König war,
Und alle Welt ihm untertänig war,
Nun er die Erde vor sich beben sah
Und sich von Schätzen reich umgeben sah,
Die Ketten sah, den Thron, die Perlenreih’n,
Der Krone Gold und funkelndes Gestein,
Die Thasirrosse stark von Bug und Weichen,
Schien er sich auf der Erde ohne Gleichen,
So einst in goldgeschmückter Rosenlaube
Erlabt’ er sich am süßen Saft der Traube;
Zu einem Höfling unterdessen trat
Ein Diw, in Sängertracht gehüllt, und bat
Um Einlaß bei dem Schah. So hub er an:
»Ich bin ein Sänger von Masenderan390;
Der Schah, wenn ihm genehm ist, mich zu hören,
Mag Zutritt mir zu seinem Thron’ gewähren.«
Und Kawus spricht: »Man führ’ ihn gleich herein!
Er nehme Platz in meiner Sänger Reih’n!« –
Da schlägt der Diw die Saiten, und dem schönen
Masenderan läßt er ein Lied ertönen:
»Wollt ihr das Lied von Masenderan hören?«
»Singe, singe weiter!«
»Gepriesen sei mein Land Masenderan!
Glück lache seine Au’n und Länder an,
Wo in den Gärten stets die Rose blüht,
Am Berghang Tulp’ und Anemone blüht,
Wo immer rein die Luft und grün das Land,
Den ew’gen Lenz nicht Frost noch Hitze bannt,
Wo stets die Nachtigall im Walde singt,
Die Hindin an der Bergeshalde springt
Und nie von ihrem muntern Laufe ruht;
Wo Alles prangt in Duft und Farbengluth;
Wo Rosenwasser in den Strömen fließt
Und Wohlgerüche in die Seele gießt.
Im Bahman, Ader, Ferwerdin und Di391
Blühn dort die Tulpen; sie verwelken nie;
Der Rand der Bäche grünt das ganze Jahr,
Die Falken sind beim Jagen immerdar;
Das ganze Land, so weit es sich erstreckt,
Ist mit Geschmeide, Seid’ und Gold bedeckt;
Die Priester sind dort goldbediademt,
Die Großen tragen Gürtel, goldverbrämt;
Ist Einem dort der Aufenthalt verweigert,
So fehlt ihm, was sein Glück auf’s Höchste steigert392.«
»Und Kai Kawus hörte auf die Worte des in Sängergestalt verwandelten Diw und zog nach Masenderan, und wurde dort von den Diws geschlagen und des Augenlichts beraubt.«
»Aber,« fiel Darius ein, »Rustem, der große Held, kam und schlug den Erscheng und die anderen bösen Geister, und befreite die Gefangenen und machte die Blinden sehend, indem er ihnen das Blut der getödteten Diws in die Augen träufelte. Ebenso wird es uns ergehen, ihr Freunde! Wir, die Gefangenen, werden befreit und dem Kambyses und unseren verblendeten Vätern die Augen geöffnet werden, daß sie unsere Unschuld erkennen. Höre, Bischen, gehe, wenn wir dennoch getödtet werden sollten, zu den Magiern, den Chaldäern und dem Aegypter Nebenchari und sage ihnen, sie möchten nicht mehr nach den Sternen schauen, denn sie hätten dem Darius bewiesen, daß sie Lügner und Betrüger wären!«
»Ich habe es immer gesagt,« unterbrach ihn Araspes, »daß nur die Träume zu weissagen verstehen. Eh’ Abradat in der Schlacht vor Sardes fiel, sah die unvergleichliche Panthea im Traume, wie er von einem lydischen Pfeile durchbohrt wurde.«
»Grausamer Mensch,« rief Zopyrus, »mußt Du uns erinnern, daß sich’s schöner auf dem Schlachtfelde als mit zusammengeschnürtem Halse stirbt?!«
»Hast Recht!« erwiederte der Alte; ich habe manchen Tod gesehen, der mir wünschenswerter vorkam als der unsere, ja selbst als das Leben. Ach, Kinder, es gab eine Zeit, in der es besser war als heut!«
»Erzähle uns etwas aus jenen Tagen!«
»Vertraue uns, warum Du niemals geheirathet hast! In der andern Welt wird Dir’s nicht schaden, wenn wir Dein Geheimniß ausplaudern.«
»Ich habe kein Geheimniß; denn das, was ihr erzählt haben wollt, kann euch jeder eurer Väter mittheilen.
»So hört denn!