Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.aller Frauen in unsere Hände fiel. Cyrus machte mich, der sich rühmte, ein unverwundbares Herz zu haben, zu ihrem Wächter. Ich sah Panthea täglich, und, ja meine Freunde, und lernte, daß die Liebe stärker sei als unsere Willenskraft. Sie wies meine Bewerbungen ab, veranlaßte Cyrus, mich aus ihrer Nähe zu entfernen und ihren Gatten Abradat als Bundesgenossen aufzunehmen. Das treue edle Weib schmückte, als es zum Kampfe ging, ihren schönen Gatten mit all’ ihrem Geschmeide und sagte ihm, daß er der Tugend des Cyrus, welcher sie, die Gefangene, wie eine Schwester behandelt hatte, nur durch aufopfernde Freundschaft und heldenmütige Tapferkeit danken könne. Abradat stimmte der Gattin bei, kämpfte wie ein Löwe für Cyrus und fiel. Bei seiner Leiche entleibte sich Panthea. Als ihre Diener dieß erfahren hatten, machten sie am Grabe der schönsten Herrin auch ihrem Leben ein Ende. Cyrus beweinte das edle Paar und ließ ihm einen Leichenstein errichten, den ihr heute noch bei Sardes sehen könnt. Auf demselben stehen die schlichten Worte: ›Der Panthea, dem Abradat und den treuesten aller Diener.‹ Seht, ihr Kinder, wer ein solches Weib geliebt hat, der kann wohl nimmer an eine andere denken!«
Die jungen Helden hatten dem Greise schweigend zugehört, und blieben, als er schon längst zu erzählen aufgehört hatte, noch immer stumm. Endlich rief Bartja, seine Hände zum Himmel erhebend: »O großer Auramazda! Warum läßt Du mich nicht enden wie Abradat; warum müssen wir gleich Mördern eines schmählichen Todes sterben?«
In diesem Augenblicke trat Krösus, von Peitschenträgern geleitet, mit gefesselten Händen in die Halle. Die Freunde eilten dem Greise entgegen und bestürmten ihn mit Fragen. Gyges warf sich an die Brust seines Vaters und Bartja näherte sich dem Lenker seiner Jugend mit geöffneten Armen.
Die heiteren Züge des Greises waren streng und ernst und seine sonst so milden Augen düster, fast drohend. Mit einer kalten, gebieterischen Handbewegung wies er den Königssohn zurück und sagte mit zitternder, Schmerz und Vorwürfe athmender Stimme: »Laß meine Hand, verblendeter Knabe; Du bist nicht werth der Liebe, die ich Dir bis zu diesem Tage schenkte. Vierfach treulos hast Du Deinen Bruder betrogen, Deine Freunde hintergangen, das arme Kind, das in Naukratis auf Dich wartet, verrathen und das Herz der unglücklichen Tochter des Amasis vergiftet.«
Anfänglich hörte Bartja gelassen zu; als aber Krösus das Wort »betrogen« aussprach, ballten sich seine Fäuste, und, wild mit dem Fuße stampfend, rief er aus: »Deine Jahre, Deine Schwäche und der Dank, den ich Dir schulde, schützen Dich, Greis, sonst würden diese Schmähreden Deine letzten gewesen sein!«
Krösus hörte diesen Ausbruch gerechten Zornes gelassen an und sagte. »Kambyses und Du seid eines Blutes; dies beweist Dein thörichtes Toben. Es würde Dir besser stehen, wenn Du, Deine Frevelthaten bereuend, mich, Deinen Lehrer und Freund, um Verzeihung bitten, und nicht der unerhörtesten Schändlichkeit den Undank beigesellen wolltest.«
Diese Worte lösten den Zorn des beleidigten Jünglings. Seine geballten Hände sanken kraftlos nieder und seine Wangen wurden todtenbleich.
Diese vermeintlichen Zeichen der Reue milderten die Entrüstung des Greises. Seine Liebe war stark genug, um den schuldigen wie den unschuldigen Bartja zu umfassen und, seine Rechte mit beiden Händen fassend, fragte er ihn, wie ein Vater seinen Sohn fragt, den er auf dem Schlachtfelde verwundet antrifft: »Gestehe mir, Du armer verblendeter Knabe, wie war es möglich, daß Dein reines Herz dem Bösen so schnell anheimfallen konnte!«
Bartja hörte diesen Worten schaudernd zu. Sein Angesicht röthete sich wieder, aber seine Seele erfüllte sich mit bitterem Weh. Zum Erstenmale verließ ihn der Glaube an die Gerechtigkeit der Götter.
Er nannte sich das Schlachtopfer eines grausamen. unerbittlichen Geschicks, er empfand dasselbe, was das unschuldige, gehetzte Wild fühlen muß, wenn es zusammenbricht und das Nahen der Meute und der Jäger vernimmt. Seine zarte, kindliche Natur wußte nicht, wie sie diesen ersten ernsten Schicksalsschlägen entgegentreten sollte. Man hatte seinen Körper und seinen Muth irdischen Feinden gegenüber zu stählen gewußt; aber seine Erzieher hatten ihn eben so wenig als seinen Bruder gelehrt, die Schläge des Geschicks abzuwehren. Schienen Kambyses und Bartja doch bestimmt zu sein, nur aus der Schale des Glücks und der Freude zu trinken.
Zopyrus konnte die Thränen seines Freundes nicht ansehen. Zürnend warf er dem Greise vor, daß er hart und ungerecht sei. Gyges schaute seinen Vater flehend an, Araspes stellte sich zwischen den tadelnden Greis und den gekränkten Jüngling; Darius aber trat mit ruhiger Ueberlegenheit, nachdem er eine Zeitlang alle Betheiligten still beobachtet hatte, Krösus gegenüber und sagte: »Ihr kränkt und beleidigt einander, ohne daß der Angeklagte zu wissen scheint, wessen man ihn bezüchtigt, ohne daß der Richter die Vertheidigung des Beschuldigten hört. Ich bitte Dich, Krösus, theile uns mit, um der Freundschaft willen, die uns bis heute verband, was Dich bewog, Bartja, an dessen Unschuld Du noch vor Kurzem glaubtest, so hart zu verurtheilen?«
Der Greis folgte diesem Verlangen und erzählte, daß er einen eigenhändigen Brief der Aegypterin gelesen, in welchem sie den Jüngling zu einer geheimen Zusammenkunft auffordere. Seine eigenen Augen, das Zeugniß der ersten Männer im Reiche, ja selbst der vor dem Hause der Nitetis gefundene Dolch habe ihn nicht von der Schuld seines Lieblings überzeugen können; jener Brief aber sei gleich einer Brandfackel in sein Herz geflogen und habe den letzten Rest seines Glaubens an die Tugend und Reinheit des Weibes vernichtet.
»Ich verließ den König,« so schloß er, »fest überzeugt von der frevelhaften Verbindung eures Freundes mit jener Aegypterin, deren Herz ich bis dahin für einen Spiegel alles Guten und Schönen gehalten hatte. Könnt ihr mir verargen, wenn ich Denjenigen tadle, welcher diesen klaren Spiegel und die nicht minder makellose Reinheit seiner eigenen Seele so schändlich befleckte?«
»Wie soll ich Dir meine Unschuld beweisen?!« rief Bartja, die Hände ringend. »Wenn Du mich liebtest, so würdest Du meinen Worten glauben; wärest Du mir zugethan . . .«
»Mein Knabe! Um Dein Leben zu retten, verwirkte ich, wenige Minuten ist es her, das meine. Als ich erfuhr, daß Kambyses euren Tod in der That befohlen hatte, eilte ich zu ihm, bestürmte ihn mit Bitten und vermaß mich, als mein Flehen nichts fruchtete, dem gereizten Manne bittere Vorwürfe zu machen. Da riß das dünne Gewebe seiner Geduld, und tobend befahl er den Trabanten, mein Haupt zu fällen. Der Peitschenträger-Oberst Giw verhaftete mich, schenkte mir aber bis morgen das Leben. Er ist mir verpflichtet und wird den Aufschub der Hinrichtung verheimlichen können. Ich freue mich, daß ich euch, meine Söhne, nicht zu überleben brauche und sterbe unschuldig neben euch, den Schuldigen.«
Diese Worte erweckten einen neuen Sturm des Widerspruchs.
Abermals blieb Darius dem allgemeinen Ungestüm gegenüber gemessen und ruhig. Er erzählte dem Greise von neuem den ganzen Verlauf des Abends, die Unmöglichkeit der Schuld des Bartja beweisend. Dann forderte er den der Treulosigkeit Angeklagten zum Reden auf. Bartja wies jedes Einverständniß mit Nitetis so kurz, schlagend und entschieden zurück und bekräftigte seine Aussagen mit einem so furchtbaren Eidschwure, daß die Ueberzeugung des Krösus erst zu schwanken, endlich zu schwinden begann und er, als Bartja seine Rede schloß, ihn hoch aufathmend, als habe man seine Brust von einer schweren Last befreit, in seine Arme schloß.
So sehr sich die Freunde von nun an bemühten, das Vorgefallene zu erklären, so erfolglos blieb ihr Sinnen und Erwägen. Uebrigens waren Alle der festen Ansicht, Nitetis liebe Bartja und habe jenen Brief an ihn in schlimmer Absicht geschrieben.
»Wer sie gesehen hat,« rief Darius aus, »als Kambyses den Tischgenossen mittheilte, Bartja habe sich ein Weib erwählt, der kann nicht an ihrer Leidenschaft für ihn zweifeln. Als sie den Becher fallen ließ, hörte ich schon den Vater der Phädime sagen, die Aegypterinnen schienen großen Antheil an den Herzensangelegenheiten ihrer Schwäger zu nehmen.«
Während dieser Gespräche war die Sonne aufgegangen und schien hell und freundlich in die Wohnung der Gefangenen.
»Mithra will uns das Scheiden schwer machen,« murmelte Bartja.
»Nein,« erwiederte Krösus, »er leuchtet uns nur freundlich voran in die Ewigkeit«
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