Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie - Georg Ebers


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von Aegypten, Nitetis, soll zur Strafe für ihre Schandthaten nach der Strenge des Gesetzes gerichtet werden, und zwar also. Man setze sie rittlings auf einen Esel und führe sie durch die Straßen der Stadt, damit das Volk von Babylon sehe, daß Kambyses die Tochter eines Königs eben so streng zu züchtigen weiß, als seine Richter die geringste Bettlerin bestrafen. Wenn die Sonne untergegangen ist, soll die Ruchlose lebendig vergraben werden. – Dieser Befehl wird dem Eunuchen-Obersten Boges zur Ausführung übergeben. Der Oberste der Schreiber Ariabignes im Auftrage des Königs Kambyses.‹

      »Kaum hatte ich diese Zeilen in meinen Aermel gesteckt, als sich die Mutter des Königs mit zerrissenen Kleidern, von Atossa geführt, in die Halle drängte. – Da gab es viel Heulen, Geschrei, Vorwürfe, Flüche, Bitten und Beschwörungen; der König blieb aber standhaft, und ich glaube, daß Kassandane und Atossa dem Krösus und Bartja in die andere Welt nachgesandt worden wären, wenn nicht die Scheu vor der Seele seines Vaters den wutschnaubenden Sohn abgehalten hätte, seine Hand an die Wittwe des Cyrus zu legen. – Für Nitetis sprach Kassandane übrigens kein Wort. Sie scheint von ihrer Schuld eben so fest überzeugt zu sein als Du und ich. Den verliebten Gaumata brauchen wir auch nicht mehr zu fürchten. Ich habe drei Männer gemiethet, welche ihm, ehe er nach Rhagae kommt, ein kühles Bad in den Wogen des Euphrat verschaffen sollen! Die Fische und Würmer werden lustige Tage haben, ha, ha!«

      Phädime stimmte in dieses Gelächter ein, überschüttete den Eunuchen mit Schmeichelnamen, welche sie ihm abgelernt hatte, und hängte ihm mit ihren vollen Armen eine schwere, von Edelsteinen strotzende Kette als Zeichen ihrer Dankbarkeit um den fleischigen Hals.

      Zehntes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Die Nachricht von dem Vorgefallenen und zu Erwartenden erfüllte, ehe die Sonne die Mittagshöhe erreicht hatte, ganz Babylon. Die Straßen wimmelten von Menschen, welche dem seltsamen Schauspiele, das die Bestrafung der treulosen Gattin des Königs abzugeben versprach, mit Ungeduld entgegen sahen. Die Peitschenträger mußten ihr ganzes Ansehen brauchen, um den Andrang der Gaffer zurückzuhalten. Als sich später das Gerücht von der bevorstehenden Hinrichtung des Bartja und seiner Freunde verbreitete, nahm der Jubel des Volks, welches, von dem am Geburtstagsfeste des Königs und den ihm folgenden Tagen freigebig gespendeten Palmenweine berauscht, seine Aufregung nicht zu zügeln vermochte, eine andere Gestalt an. Trunkene Männer rotteten sich zusammen und durchzogen die Straßen mit dem Rufe: »Bartja, der gute Sohn des Cyrus, soll getödtet werden!« Die Frauen vernahmen diese Worte in ihren stillen Gemächern, entflohen den Wärtern und eilten, den gewohnten Schleier vergessend, hinaus in’s Freie, um den empörten Männern heulend zu folgen. Die Freude, eine besonders glückliche Schwester gedemüthigt zu sehen, schwand vor dem Schmerze über die nahe Hinrichtung des geliebten Jünglings. Männer, Weiber, Kinder tobten, schrieen, fluchten und feuerten einander zu immer heftiger werdenden Zornesausbrüchen an. Alle Werkstätten leerten sich, die Kaufleute schlossen ihre Gewölbe und die Schulbuben und Dienstleute, denen der Geburtstag des Königs acht freie Tage zu geben pflegte, benutzten ihre Unabhängigkeit, um am lautesten zu schreien und, oftmals ohne zu wissen, um was es sich handele, zu klagen und zu heulen.

      Endlich wurde das Getümmel so groß, daß die Peitschenträger nicht mehr zur Herstellung der Ruhe genügten, und eine Abtheilung der Leibwache, um die Straßen zu säubern, aufmarschiren mußte. Sobald sich die glänzenden Rüstungen und langen Lanzen zeigten, wich das Volk zurück, besetzte die Nebengassen und sammelte sich, sobald die Soldaten vorüber waren, zu neuen Haufen.

      Am sogenannten Thore des Bel, in welches die nach Westen führende Landstraße mündete, war das Gedränge am größten, denn es hieß, daß die Ägypterin zu diesem Thore, durch welches sie in Babylon eingezogen, schimpflich hinausgeführt werden solle. So war denn auch an dieser Stelle eine besonders zahlreiche Schaar von Peitschenträgern aufgestellt worden, der es oblag, den durch das Thor ziehenden Wanderern Platz zu machen. Uebrigens begaben sich heute nur Wenige aus der Stadt hinaus, denn die Neugier war stärker als der Drang der Geschäfte oder die Lust, sich im Freien zu ergehen. Diejenigen aber, welche von auswärts kamen, verweilten fast Alle bei dem Thore, als sie vernahmen, welches Schauspiel der dort versammelten Menge geboten werden sollte.

      »Gemach, mein Sohn,« gab der Hauptmann zurück. »Du siehst, daß es heute leichter ist, aus Babylon heraus, als hinein zu kommen. Wen fährst Du?«

      »Einen vornehmen Herrn, der einen Freipaß des Königs besitzt. Schnell, mach’ uns Platz!«

      »Hm, das Gefolge sieht eben nicht königlich aus!«

      »Was geht’s Dich an? Der Freipaß . . .«

      »Ich muß ihn sehen, eh’ ich euch in die Stadt lasse!« Diese Worte richtete er halb an die Reisenden, welche er aufmerksam und mißtrauisch anschaute, halb an den Kutscher.

      Während der persisch gekleidete Mann in dem Aermel seines Gewandes nach dem Freipasse suchte, wandte sich der Peitschenträger einem sich nähernden Kameraden zu, zeigte auf das spärliche Gefolge des Reisenden und sagte: »Hast Du je solchen wunderlichen Aufzug gesehen? Ich will nicht Giw heißen, wenn hinter diesen Ankömmlingen nichts Besonderes steckt. Der unterste Teppichbreiter des Königs reist ja mit viermal größerem Gefolge, als dieser Mensch, der einen Freipaß führt und die Kleider eines Tischgenossen trägt!«

      Der Peitschenträger ergriff es und prüfte das Siegel »Es ist richtig,« murmelte er. Dann begann er die Buchstaben anzublicken. Kaum hatte er die ersten derselben entziffert, als er den Reisenden scharf und immer schärfer anschaute und mit dem Rufe: »Herbei ihr Leute, umstellt den Wagen; dieser Mann ist ein Betrüger!« den Pferden in die Zügel fiel.

      Nachdem er sich überzeugt hatte, daß kein Entrinnen möglich war, näherte er sich wieder dem Fremden und sagte:

      »Du führst einen Freipaß, der Dir nicht zugehört. Gyges, der Sohn des Krösus, für den Du Dich ausgibst, sitzt im Gefängniß und soll noch heute hingerichtet werden. Du hast keine Aehnlichkeit mit ihm und wirst es bereuen, Dich für den Sohn des Krösus ausgegeben zu haben. Steige aus und folge mir.«

      Der Reisende leistete diesem Befehle keinen Gehorsam; sondern bat den Hauptmann in gebrochenem Persisch, sich vielmehr zu ihm in den Wagen zu setzen, weil er ihm wichtige Dinge anzuvertrauen habe. Der Beamte zauderte einen Augenblick; als er aber sah, daß eine neue Schaar von Peitschenträgern heranrückte, winkte er ihnen, vor den ungeduldig stampfenden Pferden stehen zu bleiben, und stieg in die Harmamaxa.

      Der Fremde schaute den Hauptmann lächelnd an und fragte ihn: »Seh’ ich aus wie ein Betrüger?«

      »Nein,


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