Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie - Georg Ebers


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Kambyses einen großen Dienst zu leisten. Der Freipaß des Gyges, der mein Freund ist, wurde mir von ihm, als er in Ägypten war, für den Fall, daß ich nach Persien kommen sollte, geliehen. Ich bin bereit, mich vor dem Könige zu rechtfertigen, und habe nichts zu fürchten, wohl aber für Nachrichten, die ich bringe, große Gunst zu erwarten. Laß mich, wenn dies Deine Pflicht erfordert, ungesäumt zu Krösus führen; dieser wird Bürgschaft für mich leisten und Dir Deine Leute, deren Du heut zu bedürfen scheinst, wiederschicken. Vertheile diese Goldstücke unter ihnen und erzähle mir sogleich, was mein armer Freund Gyges verbrochen hat, und was dies Menschengewimmel und Getümmel bedeutet.«

      Der Fremde hatte zwar in schlechtem Persisch, aber mit so überlegener Würde und so fester Sicherheit gesprochen, auch war seine Gabe so reich gewesen, daß der an Unterwürfigkeit gewöhnte Despotendiener einem Fürsten gegenüber zu sitzen glaubte, seine Arme ehrerbietig kreuzte und, seiner vielen Geschäfte entschuldigend gedenkend, in fliegenden Worten zu erzählen begann. Er hatte in der vergangenen Nacht während des Verhörs in der großen Halle Wache gestanden und konnte darum dem Fremden das Vorgefallene mit ziemlicher Genauigkeit berichten. Der Grieche folgte dem Erzähler in großer Spannung und schüttelte häufig, namentlich aber, als von der Treulosigkeit der Amasis-Tochter und des Cyrus-Sohnes die Rede war, ungläubig das schöne Haupt. Die verhängten Todesurtheile, besonders das des Krösus, schienen ihn tief zu ergreifen; aber schnell verschwand das Bedauern aus seinen lebhaften Zügen, um tiefem Nachdenken und bald darauf einer Freude Platz zu machen, welche errathen ließ, daß sein Sinnen mit schönem Erfolge gekrönt worden sei. Auf einmal wich seine ernste Würde von ihm. Munter auflachend und mit der Hand seine hohe Stirn fröhlich schlagend, ergriff er mit der Linken die Hand des erstaunten Hauptmanns, drückte sie und fragte:

      »Würdest Du Dich freuen, wenn Bartja gerettet werden könnte?«

      »Unaussprechlich!«

      »Aber, wie könnte ich, ein armer Hauptmann –«

      »Du mußt, Du mußt!«

      »Ich kann nicht!«

      »Ich weiß wohl, daß es für einen Fremden schwer, beinahe unmöglich ist, eine Unterredung mit eurem Herrscher zu erlangen; meine Botschaft duldet aber keinen Aufschub, denn ich vermag die Unschuld Bartja’s und seiner Freunde zu beweisen. Hörst Du, dies vermag ich. Glaubst Du nun, daß Du mir den Zutritt verschaffen mußt?«

      »Aber wie wär’ es möglich?«

      »Frage nicht, sondern handle! – Sagtest Du nicht, Darius gehöre mit zu den Verurtheilten?«

      »Ja.«

      »Ich hörte, sein Vater sei ein hoch angesehener Mann.«

      »Er ist der Erste im Reiche nach den Kindern des Cyrus.«

      »So führe mich sofort zu ihm. Er wird mich freundlich empfangen, wenn er erfährt, daß ich seinen Sohn zu retten vermag.«

      »Wunderbarer Fremdling, aus Deinen Worten spricht so viel Zuversicht, daß ich . . .«

      »Daß Du mir glauben darfst! Schnell, schnell, schaff’ uns Leute, welche das Gedränge zertheilen und uns zum Palaste begleiten können!«

      Außer dem Zweifel gibt es nichts, was sich geschwinder mittheilt, als die Hoffnung auf die Erfüllung eines ersehnten Wunsches, zumal wenn sie uns durch einen wahrhaft Zuversichtlichen eröffnet wird.

      Der Peitschenträgerhauptmann glaubte dem seltsamen Reisenden, sprang, seine Geißel schwingend, aus dem Wagen und rief seinen Untergebenen zu: »Dieser edle Herr ist gekommen, um Bartja’s Unschuld zu beweisen und muß sogleich zum Könige geführt werden. Folgt mir, Freunde, und macht ihm Platz!«

      In diesem Augenblicke erschien ein Zug berittener Leibgardisten. Der Hauptmann eilte ihrem Befehlshaber entgegen und bat ihn, unterstützt von dem Zurufe der Menge, den Fremden zum Palaste zu begleiten.

      Indessen schwang sich der Reisende auf das Pferd seines Dieners und folgte den ihm Bahn brechenden Persern.

      Schnell wie der Wind durchflog die hoffnungsvolle Kunde die Riesenstadt. Je weiter die Reiter kamen, desto williger öffneten sich die Volkshaufen, desto brausender wurde der Jubel der Menge, desto ähnlicher der Ritt des Fremden einem Triumphzuge.

      Kaum erblickte der Peitschenträgerhauptmann den edlen Greis, als er laut aufjubelte, sich vor seinem Rosse niederwarf und ihm mit gekreuzten Armen mittheilte, welche Hoffnung jener Fremde in ihm erweckt habe.

      Hystaspes winkte dem Reisenden, der sich auf seinem Rosse anmuthsvoll vor ihm verneigte, und ließ sich von ihm die Aussage des Peitschenträgers bestätigen. Auch er gewann von nun an neue Zuversicht, bat den Fremden, ihm zu folgen, führte ihn in den Palast und ersuchte den obersten Stabträger, ihn zum Könige zu führen, während er dem Griechen befahl, an der Pforte des königlichen Gemachs zu verweilen.

      Kambyses lag, als sein greiser Verwandter das Zimmer betrat, bleich wie der Tod auf seinem Purpurdiwan. Zu seinen Füßen kniete ein Mundschenk, welcher sich bemühte, die Scherben eines kostbaren ägyptischen Glasgefässes aufzulesen, das ihm der König, weil ihm der in ihm dargereichte Trank nicht mundete, ungeduldig vor die Füße geworfen hatte. Eine große Zahl von Hofbeamten umgab in ziemlicher Entfernung den gereizten Gebieter. Man sah einem Jeden an, daß er den Zorn des Herrschers fürchte und sich so weit als möglich von ihm zurückzuziehen wünsche. Lautlose Stille erfüllte den weiten Raum, durch dessen offene Fenster das blendende Licht und die drückende Hitze des babylonischen Maitages zog. Ein großer Hund von edler epirotischer Rasse war der Einzige, der es wagte, das tiefe Schweigen mit wimmerndem Geheul zu unterbrechen. Kambyses hatte das schmeichelnde Thier mit einem gewaltigen Fußtritte zurückgestoßen. Ehe der Stabträger Hystaspes einführte, sprang der König von seinem Lager auf. Er konnte die träge Ruhe nicht mehr aushalten; sein Schmerz und Zorn drohten ihn zu ersticken. Das Geheul des Hundes erweckte einen schnellen Gedanken in seinem abgemarterten, nach Vergessenheit lechzenden Gehirn.

      »Zur Jagd!« schrie er, sich auf die Füße stellend, den zusammenschreckenden Höflingen zu.

      Nun legte er sich, als hätten diese Worte seinen gewaltigen Körper gänzlich erschöpft, von neuem auf den Diwan nieder. Er bemerkte den eingetretenen Hystaspes nicht, denn seine finsteren Blicke folgten unablässig den Sonnenstäubchen, welche in dem durch das Fenster dringenden Lichte muntere Spiele trieben.

      Der Vater des Darius wagte den Gereizten nicht anzureden; er stellte sich aber in das Fenster, zertheilte die flatternden Keime und zog in dieser Weise den Blick des Königs auf sich.

      Kambyses schaute ihn und seine zerrissenen Gewänder erst grollend, dann bitter lächelnd an und fragte: »Was willst Du?«

      »Sieg dem Könige! Dein armer Diener und Oheim ist gekommen, um die Gnade seines Herrschers anzurufen!«

      »Steh’ auf und geh’! Du weißt, daß ich für Meineidige und falsche Zeugen keine Gnade kenne. Es ist besser, einen todten als einen ehrlosen Sohn zu


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