Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie - Georg Ebers


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sei ferne von mir. Was der König thut, ist gut und duldet keinen Widerspruch: doch –«

      »Schweig’! Ich will nicht, daß man diese finsteren Missethaten von neuem berühre. Du bist beklagenswerth als Vater; aber auch mir haben die letzten Stunden keine Freuden gebracht. Ich bejammere Dich, Greis; doch ich darf die Strafe Deines Sohnes so wenig zurücknehmen, als Du sein Verbrechen ungeschehen machen kannst.«

      »Aber wenn Bartja dennoch unschuldig wäre, wenn die Götter . . .«

      »Meinst Du, daß die Himmlischen Betrüger und Meineidige unterstützen?«

      »Nein, mein König! Aber ein neuer Zeuge ist erschienen, der . . .«

      »Ein neuer Zeuge? Wahrlich, ich möchte gern mein halbes Reich hingeben, wenn ich mich von der Unschuld vieler meinem Hause so nahe stehender Menschen überzeugen könnte!«

      »Sieg meinem Herrscher, dem Auge des Reichs! Draußen harrt ein Hellene, der, nach seiner Gestalt und Haltung zu urtheilen, einer der Edelsten seines Stammes zu sein scheint. Er behauptet, die Unschuld Bartja’s beweisen zu können.«

      Der König lachte bitter auf und rief: »Ein Hellene?! Vielleicht ein Verwandter der Schönen, die Bartja so treulich liebte? Was will dieser Fremdling von den Angelegenheiten meines Hauses wissen? Aber ich kenne diese jonischen Hungerleider! Frech und schamlos mischen sie sich in Alles, und glauben mit ihrer Schlauheit und ihren Ränken bethören zu können! Wie viel hast Du für den neuen Zeugen bezahlt, mein Oheim? Den Griechen geht eine Lüge so leicht von den Lippen wie den Magiern ein Segensspruch, und ich weiß recht gut, daß sie mit Gold für Alles zu gewinnen sind. Ich bin neugierig, Deinen Zeugen zu sehen. Ruf’ ihn! Wenn er mich belügen will, so mag er jedoch bleiben, wo er ist, und bedenken, daß es, wo das Haupt eines Cyrus-Sohnes fällt, auf tausend Griechenköpfe nicht ankommen kann!« – Bei diesen Worten flammte das Auge des Königs zornig auf; Hystaspes aber ließ den Hellenen rufen.

      Ehe derselbe in die Halle trat, banden ihm die Stabträger ein Tuch vor den Mund und befahlen ihm, sich vor dem Könige niederzuwerfen. Der Grieche ging dem Herrscher, welcher ihn durchdringend anblickte, mit edlem Anstand entgegen und warf sich vor ihm, die Erde küssend, nach persischer Sitte nieder.

      Das anmuthige Wesen und die schöne Gestalt des Fremden, der seinen Blick ruhig und bescheiden ertragen hatte, schienen dem Könige zu behagen, denn er ließ ihn nicht lange am Boden liegen und fragte ihn nicht eben unfreundlich:

      »Wer bist Du?«

      »Ich bin ein hellenischer Edler. Mein Name ist Phanes, meine Heimath Athen. Zehn Jahre lang habe ich als Kriegsoberster und Befehlshaber der griechischen Söldner des Amasis nicht ohne Ruhm gedient.«

      »Bist Du Derselbe, dessen geschickter Führung die Aegypter ihre Siege auf Cypern verdanken?«

      »Der bin ich.«

      »Was führt Dich nach Persien?«

      »Der Glanz Deines Namens, o Kambyses, und die Sehnsucht, mein Schwert und meine Erfahrungen Deinem Dienste zu weihen.«

      »Weiter nichts? Sei aufrichtig und bedenke, daß Dir eine einzige Lüge das Leben kosten kann. Wir Perser haben andere Begriffe von Wahrhaftigkeit als ihr Hellenen!«

      »Auch mir ist die Lüge verhaßt, und wäre es nur, weil sie mir als eine Verzerrung und Verkümmerung des Natürlichen, das ist des Wahren, unschön erscheint.«

      »So sprich!«

      »Freilich trieb mich noch ein Drittes nach Persien, das ich Dir aber später mittheilen möchte. Dies Dritte betrifft etwas ungemein Wichtiges, zu dessen Besprechung wir langer Zeit bedürfen; heute aber –«

      »Gerade heute werd’ ich gern etwas Neues hören. Begleite mich auf die Jagd! Du kommst mir wie gerufen, denn niemals hab’ ich einer Zerstreuung nöthiger bedurft als eben jetzt.«

      »Ich werde Dich gern begleiten, wenn Du –«

      »Man stellt dem Könige keine Bedingungen! Bist Du im Jagen geübt?«

      »Ich habe manchen Löwen der libyschen Wüste erlegt.«

      »So komm’ und folge mir!«

      Der König schien im Gedanken an die Jagd seine Erschlaffung abgeschüttelt zu haben und wollte die Halle verlassen, als sich Hystaspes von neuem ihm zu Füßen warf und mit erhobenen Händen ausrief: »Soll mein Sohn, soll Dein Bruder unschuldig sterben? Bei der Seele Deines Vaters, der mich seinen treuesten Freund zu nennen pflegte, beschwöre ich Dich, diesen edlen Fremdling anzuhören!«

      Kambyses blieb stehen. Seine Stirn umzog sich mit neuen Falten, seine Stimme klang drohend und seine Augen sprühten Blitze, als er dem Griechen, die Hand gegen ihn erhebend, zurief: »Sage, was Du weißt; bedenke aber, daß Du mit jedem unwahren Worte Dein eigenes Todesurtheil aussprichst!«

      Phanes hörte ihn ruhig an und sagte, indem er sich anmuthsvoll verneigte. »Der Sonne und meinem Könige kann nichts verborgen bleiben. Wie vermöchte ein armer Sterblicher so Gewaltigen die Wahrheit zu verschließen? Der edle Hystaspes sagt, ich vermöge die Unschuld Deines Bruders sicher zu beweisen; ich aber kann nur hoffen und wünschen, daß mir so Großes und Schönes gelingen möge. Jedenfalls haben mich die Götter eine Spur auffinden lassen, welche wohl geeignet scheint, ein neues Licht auf die gestrigen Vorgänge zu werfen. Beurtheile selbst, ob ich allzu kühn gehofft und allzu schnellen Verdacht geschöpft habe; bedenke aber stets, daß mein Wille, Dir zu dienen, redlich und mein Irrthum, wenn ich mich täuschte, verzeihlich war; bedenke, daß es nichts Gewisses auf der Welt gibt und daß ein Jeder eben das, was er für das Wahrscheinlichste hält, untrüglich zu nennen pflegt.«

      »Du sprichst gut und erinnerst mich durch Deine Worte an . . . Verwünscht! Rede und mach’s kurz! Im Hofe bellen die Hunde!«

      »Ich befand mich noch in Aegypten, als Deine Gesandtschaft dorthin kam, um Nitetis nach Persien zu holen. Im Hause meiner trefflichen, vielberühmten Landsmännin und Freundin Rhodopis wurde ich mit Krösus und seinem Sohne bekannt, während ich Deinen Bruder und seine Freunde nur flüchtig zu sehen bekam. Trotzdem erinnerte ich mich des schönen Angesichts des königlichen Jünglings gar wohl, denn als ich später zu Samos die Werkstätte des großen Bildhauers Theodorus besuchte, erkannte ich seine Züge wieder –«

      »Trafst Du mit ihm auf Samos zusammen?«

      »Nein! Theodorus hatte aber das Haupt eines Sonnengottes, der von den Alkmäoniden für den neuen Tempel zu Delphi bei ihm bestellt war, mit den Zügen Deines Bruders, welche sich seinem Gedächtnisse getreulich eingeprägt hatten, geschmückt.«

      »Deine Erzählung fängt wenig glaubhaft an. Wie wäre es möglich, ein Angesicht, das man nicht vor sich hat, so ähnlich nachzubilden?«

      »Theodorus hat dies Meisterwerk vollbracht und wird Dir gern, wenn Du seine Kunstfertigkeit erproben willst, ein zweites Bild Deines Bruders –«

      »Ich verlange nicht darnach. Erzähle weiter!«

      »Auf meiner Reise hierher, die ich, Dank den vortrefflichen Einrichtungen Deines Vaters, in unglaublich kurzer Zeit, bei jeder vierten Meile die Pferde wechselnd, zurücklegte . . .«

      »Wer gestattete Dir, als Fremden, die Benutzung der Postpferde?«

      »Der für den Sohn des Krösus ausgestellte Freipaß, welcher zufällig in meinen Besitz kam, als mich Gyges, um mir das Leben zu retten, zwang, meine Kleider mit seinen Gewändern zu vertauschen.«

      »Ein Lyder betrügt den Fuchs, ein Syrer den Lyder, aber ein Ionier alle Beide,« murmelte der König und lächelte zum Erstenmale: »Krösus erzählte mir von dieser Geschichte. – Armer Krösus!« – Bei diesen Worten verfinsterten sich seine Züge von neuem und seine Hand versuchte die Falten von seiner Stirn zu streichen; der Athener aber fuhr fort: »Ich legte meine Reise ohne Hinderniß zurück, bis ich heute Morgen in der ersten Stunde nach Mitternacht von einem seltsamen Ereignisse aufgehalten wurde.« –

      Der König horchte, aufmerksamer werdend, der Erzählung und mahnte den die persische Sprache mühsam handhabenden Athener zur Eile.


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