Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie - Georg Ebers


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er diesen Verdacht dem Könige kund that, wurde der Oberpriester Oropastes von den Stabträgern in die Halle geführt.

      Der König schaute ihn grollend an und fragte ohne jedes einleitende Wort: »Hast Du einen Bruder?«

      »Ja, mein König. Er und ich sind die einzigen Ueberlebenden von sechs Geschwistern; meine Eltern . . .«

      »Ist dieser Bruder jünger oder älter als Du?«

      »Ich war der Aelteste von uns Allen, während er, der Jüngste, meinem Vater als Freude seines Alters geboren wurde.«

      »Hast Du eine auffallende Aehnlichkeit zwischen ihm und einem meiner Verwandten bemerkt?«

      »Ja, mein König. Gaumata gleicht Deinem Bruder Bartja so auffallend, daß man ihn stets in der Priesterschule zu Rhagae, woselbst er sich noch heute befindet, den Prinzen nannte.«

      »War er in der jüngsten Zeit zu Babylon?«

      »Während des Neujahrsfestes zum Letztenmale.«

      »Sprichst Du die Wahrheit?«

      »Mein Kleid und mein Amt würden mich doppelt strafbar machen, wenn ich meinen Mund zu einer Lüge öffnen wollte.«

      Der König erröthete bei diesen Worten vor Zorn und rief: »Dennoch lügst Du, denn Gaumata war gestern Abend hier! Du erbebst mit gutem Grunde!«

      »Mein Leben gehört Dir, dem Alles gehört; dennoch schwöre ich, der Oberpriester, bei dem höchsten Gotte, dem ich dreißig Jahre lang treulich gedient habe, daß ich nichts von der gestrigen Anwesenheit meines Bruders zu Babylon weiß.«

      »Dein Angesicht trägt die Züge der Wahrhaftigkeit.«

      »Du weißt, daß ich am gestrigen hohen Tage keinen Augenblick von Deiner Seite gewichen bin.«

      »Ich weiß.«

      Abermals öffneten sich die Pforten, um die zitternde Mandane einzulassen. Der Oberpriester sah sie staunend und fragend an. Dem aufmerksam beobachtenden Auge des Königs entging es nicht, daß die Zofe in einer gewissen Beziehung zu Oropastes stand, darum fragte er ihn, ohne das zitternde Mädchen, welches vor seinen Füßen lag, zu beachten: »Kennst Du dies Weib?«

      »Ja, mein König. Sie erhielt durch mich die hohe Stelle einer Oberin allen Gesindes bei der, – vergib ihr Auramazda, – bei der ägyptischen Königstochter.«

      »Wie kamst Du, ein Priester, dazu, dies junge Weib zu begünstigen?«

      »Ihre Eltern starben an derselben Pest, welche meine Brüder dahinraffte. Ihr Vater war ein ehrenwerther Priester und ein Freund unseres Hauses; darum nahmen wir das Mägdlein zu uns, eingedenk der hohen Lehre: ›Gibst Du dem reinen Manne und seinen Wittwen und Waisen nichts, dann wirst Du fortgeschleudert werden von der reinen, unterwürfigen Erde zu stachelnden Nesseln, schmerzenden Leiden und den furchtbarsten Orten.‹ So wurde ich ihr Pflegevater und ließ sie mit meinem jüngsten Bruder auferziehen, bis er in die Priesterschule eintrat.«

      Der König wechselte mit Phanes einen Blick des Einverständnisses und fragte: »Warum behieltest Du das Mädchen, welches doch schön zu sein scheint, nicht bei Dir?«

      »Hat sie auch als erwachsenes Mädchen Deinen Bruder wiedergesehen?«

      »Ja, mein König. So oft mich Gaumata besuchte, ließ ich ihn mit Mandane wie mit seiner Schwester verkehren: als ich aber später bemerkte, daß sich in die kindliche Freundschaft die Leidenschaft der Jugend zu mischen beginne, wurde mein Beschluß, das Mädchen fortzuschicken, immer fester.«

      »Wir wissen genug,« sagte der König, indem er dem Oberpriester durch einen Wink zurückzutreten befahl. Dann blickte er auf das Mädchen hernieder und herrschte ihr zu: »Erhebe Dich!«

      Mandane stand zitternd und bebend auf. Ihr frisches Gesichtchen war bleich wie der Tod geworden, und ihre rothen Lippen hatten eine bläuliche Farbe angenommen.

      »Erzähle, was Du vom gestrigen Abende weißt; bedenke aber, daß eine Lüge Dein Tod ist.«

      Die Kniee der Geängstigten bebten so stark, daß sie sich kaum aufrecht zu halten vermochte und die Furcht ihre Lippen versiegelte.

      »Meine Geduld ist kurz!« rief ihr Kambyses von neuem zu.

      Mandane schrak zusammen, wurde noch bleicher und fühlte sich unfähiger zu sprechen, als vorher. Da trat Phanes an den zornigen König heran und bat ihn leise, ihm zu gestatten, dies Weib zu verhören. Ihr Mund, den jetzt die Angst verschließe, werde von einem begütigenden Worte geöffnet werden.

      Kambyses nickte ihm willfährig zu, und was der Athener vorausgesagt hatte, bewahrheitete sich; denn kaum hatte er Mandane des Wohlwollens aller Anwesenden versichert, seine Hand auf ihr Haupt gelegt und ihr freundlich zugeredet, als sich der Quell ihrer Augen öffnete, ein Thränenstrom ihre Wangen benetzte, und der Bann, welcher ihre Zunge gefesselt hatte, dahin schwand. Nun erzählte sie, von leisem Schluchzen unterbrochen, Alles, was sie wußte, verschwieg nicht, daß Boges jenes Stelldichein unterstützt habe, und schloß mit den Worten: »Ich weiß wohl, daß ich mein Leben verwirkt habe und daß ich das schlechteste und undankbarste Wesen auf der Welt bin; all’ dies Unheil wäre aber niemals möglich gewesen, wenn Oropastes seinem Bruder gestattet hätte, mich zu heirathen!«

      Bei diesen sehnsüchtig ausgesprochenen Worten brach sie in neues Schluchzen aus, während sich die ernsten Zuhörer, ja selbst der König, eines leisen Lächelns nicht erwehren konnten.

      Dies Lächeln rettete das schwer bedrohte Leben des Mädchens. Kambyses würde aber nach Allem, was er erfahren, kaum gelächelt haben, wenn Mandane nicht mit jenem feinen Instinkte, welcher den Frauen just in der Stunde der drohenden Gefahr am willfährigsten zu Gebote steht, verstanden hätte, seine schwache Seite aufzufassen und auszubeuten. So verweilte sie denn viel länger als nöthig bei der Freude, welche Nitetis über die Geschenke des Königs geäußert hatte.

      »Tausendmal,« rief sie, »küßte meine Herrin alle Dinge, die man ihr von Dir, o König, brachte; am öftesten aber hat sie ihre Lippen auf jenen Blumenstrauß gedrückt, welchen Du ihr vor einigen Tagen mit eigenen Händen pflücktest. Ach, und als der Strauß zu welken begann, da nahm sie Blume für Blume, breitete die Blüthenblättchen sorglich aus, legte sie zwischen wollene Tücher und stellte eigenhändig ihre schwere, goldene Salbenschachtel darauf, um sie zu trocknen und als Andenken an Deine Güte aufzubewahren!«

      Als sie bemerkte, daß sich die Züge ihres strengen Richters bei diesen Worten aufheiterten, schöpfte sie neuen Muth, legte der Herrin süße Worte, welche sie niemals ausgesprochen, in den Mund und behauptete, daß sie, Mandane, hundertmal gehört habe, wie Nitetis den Namen »Kambyses« unaussprechlich zärtlich im Schlafe ausgerufen habe. Endlich schloß sie ihre Rede, indem sie schluchzend um Gnade bettelte.

      Der König schaute ohne Groll, aber mit grenzenloser Verachtung zu ihr hernieder, stieß sie mit dem Fuße zurück und rief: »Aus meinen Augen, Du Hündin! Blut wie Deines würde das Beil des Henkers besudeln! Aus meinen Augen!«

      Mandane ließ sich nicht lange bitten, die Halle zu verlassen. Das »aus meinen Augen« klang ihr wie süße Musik. Spornstreichs eilte sie durch die weiten Höfe des Palastes, um auf der Straße dem drängenden Volke, gleich einer Wahnwitzigen, unaufhörlich zuzurufen: »Ich bin frei! ich bin frei!«

      Kaum hatte sie den Saal verlassen, als Datis, das Auge des Königs, ihn von neuem betrat und die Mittheilung brachte, daß man den Eunuchenobersten vergeblich gesucht habe. Derselbe sei in räthselhafter Weise von den hängenden Gärten verschwunden; er, Datis, habe jedoch seinen Untergebenen den Auftrag ertheilt, den Flüchtling zu suchen und ihm denselben todt oder lebendig abzuliefern.

      Der König brauste bei dieser Botschaft in neuem Jähzorn auf und bedrohte den Sicherheitsbeamten, welcher die Aufregung des


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