Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.target="_blank" rel="nofollow" href="#ulink_63b136d3-c70c-594f-a84d-84fde237e6f5">354, Dich aber an den Hof sandte, damit ihr einander vergessen möchtet.«
»Du verläumdest meinen Wohlthäter.«
»Meine Zunge soll verdorren, wenn ich nicht die reine Wahrheit rede. Oropastes trennte Dich und seinen Bruder, weil er Größeres mit dem schönen Gaumata vorhat, als eine Heirath mit der armen Waise eines geringen Magiers. Amytis oder Menische wären ihm als Schwägerinnen schon recht; ein armes Mädchen, wie Du bist, welches seiner Mildthätigkeit Alles verdankt, kann seinen ehrgeizigen Plänen nur hinderlich sein. Er möchte, unter uns gesagt, das Reich während des Massagetenkrieges als Statthalter verwalten und würde viel darum geben, wenn er sich auf irgend eine Weise mit den Achämeniden verschwägern könnte. In seinem Alter denkt man nicht mehr an neue Frauen; sein Bruder aber ist jung und schön, ja man sagt sogar, daß er dem Prinzen Bartja ähnlich sehe.«
»Das ist wahr!« rief die Zofe. »Denke nur, daß ich, als wir damals meiner Herrin entgegengezogen waren, und ich Bartja auf dem Hofe des Stationshauses zum Erstenmale sah, ihn zuerst für Gaumata gehalten habe. Sie gleichen einander wie Zwillinge und sind die schönsten Männer im ganzen Reiche!«
»Wie Du erröthest, mein Röschen! Aber so vollkommen täuschend ist die Aehnlichkeit doch nicht. Als ich heute morgen den Bruder des Oberpriesters begrüßte . . .«
»Gaumata ist hier?« unterbrach die Zofe den Eunuchen mit leidenschaftlicher Heftigkeit. »Hast Du ihn in der That gesehen oder willst Du mich nur ausforschen und zum Besten haben?«
»Beim Mithra, mein Täubchen, ich habe ihm heute die Stirn geküßt und ihm gar viel von seinem Schätzchen erzählen müssen; ja ich will das Unmögliche für ihn möglich machen, denn ich bin zu schwach, um diesen lieblichen blauen Augen, diesem goldhaarigen Lockenkopfe und diesen Pfirsichwangen widerstehen zu können! Spare Dir Deine Röthe, spare sie Dir, meine kleine Granatenblüthe, bis ich Dir Alles erzählt haben werde. In Zukunft wirst Du dem armen Boges nicht mehr so hart begegnen und einsehen lernen, daß er ein gutes Herz voller Freundschaft für Mandane, seine kleine, schöne, schnippische Landsmännin, besitzt.«
»Ich traue Dir nicht,« unterbrach die Zofe diese Betheuerungen. »Man hat mich vor Deiner glatten Zunge gewarnt, und ich weiß nicht, womit ich Deine Theilnahme verdient haben sollte.«
»Kennst Du das?« fragte der Eunuch, dem Mädchen ein weißes, mit künstlich gestickten goldenen Flämmchen bedecktes Band zeigend.
»Das letzte Geschenk, welches ich für ihn stickte!« rief Mandane.
»Das Zeichen, um welches ich Gaumata ersuchte. Ich wußte wohl, daß Du mir nicht trauen würdest. Wer hätte schon gesehen, daß der Gefangene seinen Wächter liebt?«
»Schnell, schnell sage mir, was mein Gespiele von mir verlangt! Sieh nur, dort drüben im Westen röthet sich schon der Himmel. Es wird Abend, und ich muß die Herrin zum Feste schmücken.«
»Ich will mich beeilen,« sagte der Eunuch, indem er plötzlich so ernst wurde, daß Mandane vor ihm erschrak. »Wenn Du nicht glauben magst, daß ich aus Freundschaft zu Dir mich einer Gefahr aussetze, so nimm an, daß ich eurer Liebe helfe, um den Stolz jenes Oropastes zu demüthigen, welcher mich aus der Gunst des Königs zu verdrängen droht. Du sollst und mußt, trotz aller Ränke des Obersten der Magier, die Gattin Deines Gaumata werden, so wahr ich Boges heiße! Morgen Abend, nach dem Aufgange des Tistarsterns355, wird Dein Liebster Dich besuchen. Ich werde alle Wächter zu entfernen wissen, damit er ungefährdet zu Dir kommen und eine Stunde, aber hörst Du, nur eine Stunde, bei Dir bleiben und alles Weitere mit Dir verabreden kann. Deine Herrin wird, ich weiß es bestimmt, die Lieblingsgemahlin des Kambyses werden. Später leistet sie zu Deiner Ehe mit Gaumata hülfreiche Hand, denn sie liebt Dich und kennt kein Lob, welches ihr für Deine Treue und Geschicklichkeit zu hoch erschiene. Morgen Abend, wenn der Tistarstern aufgeht,« fuhr er, in den alten tändelnden Ton, der ihm eigen war, zurückfallend, fort, »beginnt die Sonne Deines Glücks zu scheinen. Du schlägst die Augen nieder und schweigst? Die Dankbarkeit verschließt Dein kleines Mündchen! He? Hab’ ich Recht? Ich bitte Dich, Täubchen, sei weniger stumm, wenn es einmal gelten sollte, des armen Boges vor Deiner mächtigen Herrin lobend zu erwähnen! Soll ich den schönen Gaumata grüßen? Darf ich ihm sagen, daß Du ihn nicht vergessen hast und ihn freudig erwartest? Du zauderst? O weh, es beginnt schon zu dunkeln! Ich muß fort, um nachzusehen, ob alle Weiber nach der Ordnung zum großen Geburtstagsschmause geschmückt sind. – Noch Eins! Gaumata muß übermorgen Babylon verlassen; Oropastes fürchtet, daß er Dich wiedersehen möchte und hat ihm befohlen, sobald die Feier vorüber sei, nach Rhagae zurückzukehren. Du schweigst noch immer? Nun wohl, dann kann ich Dir und dem armen Knaben nicht helfen! Ich werde auch ohne euch mein Ziel erreichen, und am Ende ist es am besten, wenn ihr eure Liebe vergeßt. Lebe wohl!«
Das Mädchen kämpfte einen schweren Kampf. Ihr ahnte, daß Boges sie betrügen wolle; eine innere Stimme befahl ihr, dem Geliebten das Stelldichein zu verweigern; das Gute und die Vorsicht gewannen die Oberhand in ihrem Herzen und sie wollte eben ausrufen: »Sag’ ihm, daß ich ihn nicht empfangen werde,« als ihre Blicke dem seidenen Bande, welches sie einst dem schönen Knaben gestickt hatte, begegneten. Heitere Bilder aus ihrer Kindheit, kurze Minuten taumelnden Liebesrausches zogen blitzschnell durch ihr Gedächtniß; Liebe, Leichtsinn, Sehnsucht gewannen die Oberhand über Tugend, Ahnung, Vorsicht, und ehe Boges sein Lebewohl aussprechen konnte, rief sie fast willenlos und wie ein gescheuchtes Reh dem Hause zueilend. »Ich werde ihn erwarten!«
Boges ging mit raschen Schritten durch die blühenden Gänge der hängenden Gärten. An der Brüstung des hohen Bauwerks blieb er stehen und öffnete behutsam eine verborgene Fallthür. Dieselbe diente zum Verschluß einer geheimen Treppe, welche der Bauherr angelegt haben mochte, um durch einen der mächtigen Pfeiler, welche die Gärten trugen, vom Ufer des Stromes aus unbemerkt die Wohnung seiner Gattin erreichen zu können. Die Thür bewegte sich leicht in ihren Angeln und wurde, als Boges sie wieder verschlossen und einige Strommuscheln, welche die Gänge des Gartens bedeckten, über sie hin gestreut hatte, selbst für Suchende schwer auffindbar. Der Eunuch rieb sich, nach seiner Gewohnheit freundlich lächelnd, die mit Ringen bedeckten Hände und murmelte vor sich hin: »Jetzt muß es glücken! Das Mädchen geht in’s Garn, ihr Liebster gehorcht meinem Winke, die alte Treppe ist zugänglich, Nitetis hat an diesem Freudentage bitterlich geweint, die blaue Lilie erblüht morgen Nacht; ja, ja, mein Plänchen muß glücken! Schönes ägyptisches Kätzchen, Deine Sammetpfötchen werden morgen in dem Fuchseisen hängen bleiben, welches Dir der arme, verachtete Eunuch, der Dir nichts befehlen darf, aufstellt.«
Bei diesen Worten durchzuckte ein Blitz der Tücke das Auge des forteilenden Weiberhüters.
An der großen Treppe begegnete er dem Eunuchen Neriglissar, welcher als Obergärtner auf den hängenden Gärten wohnte.
»Wie steht es mit der blauen Lilie?« fragte er denselben.
»Sie entwickelt sich köstlich!« rief der Gärtner, seines geliebten Blumenzöglings in Begeisterung gedenkend. »Morgen, wenn der Tistarstern aufgeht, wird sie, wie ich Dir verheißen habe, in der schönsten Blüthe prangen! Meine ägyptische Herrin wird eine große Freude haben, denn sie liebt die Blumen, und ich bitte Dich, auch dem Könige und den Achämeniden mitzutheilen, daß es meinem Fleiße gelungen sei, jene seltene Pflanze zur Blüthe zu bringen. Sie zeigt sich nur alle zehn Jahre während einer einzigen Nacht in ihrer vollen Schönheit. Theile dies den edlen Achämeniden mit und führe sie zu mir.«
»Dein Wunsch soll erfüllt werden,« lächelte Boges. »Auf den Besuch des Königs darfst Du freilich nicht rechnen, denn ich vermuthe, daß er die hängenden Gärten vor seiner Vermählung mit der Aegypterin nicht betreten wird; einige Achämeniden werden aber sicher erscheinen. Sie sind so große Garten- und Blumenfreunde, daß sie sich diesen seltenen Anblick nicht entgehen lassen werden. Vielleicht kann ich auch Krösus hieher führen; er versteht sich zwar weniger auf die Gärtnerei, als die persischen Blumennarren, dafür ist er aber um so erkenntlicher für jeden dem Auge wohlgefälligen Anblick.«
»Bringe ihn nur mit,« rief