Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers

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Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie - Georg Ebers


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von Ober- und Unterägypten, an ihre Tochter Nitetis, Gemahlin des Großkönigs von Persien.

      »Sechs Tage später fanden seine Köche in dem Leibe eines Fisches jenen Siegelring wieder. Polykrates übersandte uns sogleich die Botschaft von diesem wunderbaren Ereignisse; Dein Vater aber schüttelte, statt sich zu freuen, gramvoll sein greises Haupt und sagte, er sehe wohl, daß man Niemand seinem Geschick entreißen könne. Am nämlichen Tage kündete er dem Polykrates die alte Freundschaft auf und ließ ihm sagen, er wolle sich bemühen, seiner zu vergessen, damit er vor dem Schmerze bewahrt bleibe, einen Menschen, den er liebe, in Unglück gerathen zu sehen.

      »Polykrates empfing lachend diese Botschaft und sandte uns die Briefe, welche seine Seeräuber unserer Triere abgenommen hatten, mit einem spöttischen Gruße zurück. Von jetzt an werden alle Schreiben an Dich über Syrien befördert werden.

      »Fragst Du mich, warum ich Dir diese lange Geschichte, welche Dich weniger als andere Nachrichten aus dem elterlichen Hause angeht, erzählt habe, so antworte ich Dir: ›Um Dich auf den Zustand Deines Vaters vorzubereiten.‹ Erkennst Du den heitern, lebensfrohen, sorglosen Amasis aus jenen düsteren Worten wieder, die er dem samischen Freunde zurief?

      »Ach, mein Gatte hat wohl Ursache betrübt zu sein, und die Augen Deiner Mutter wurden seit Deiner Abreise nach Persien niemals trocken. Von dem Krankenlager Deiner Schwester eile ich zu Deinem Vater, um ihn zu trösten und seine Schritte zu leiten.

      »Ich benütze die Nacht, um diese Zeilen zu schreiben, obgleich ich wohl des Schlummers bedürfte.

      »Hier bin ich von den Wärterinnen, die mich zu Tachot, Deiner Schwester, Deiner wahren Freundin, riefen, unterbrochen worden.

      »Jetzt, meine Tochter, nimm all’ Deinen Muth zusammen, wie auch ich all’ meine Kraft aufbieten will, um Dir in geordneter Reihenfolge zu erzählen, was die Götter über unser Haus verhängt haben.

      »Nach Deiner Abreise hörte Tachot drei Tage lang nicht auf zu weinen. All’ unsere tröstenden Worte, alle Ermahnungen Deines Vaters, alle Opfer und Gebete vermochten nicht den Gram des armen Kindes zu lindern oder zu zerstreuen. Am vierten Tage versiegten endlich ihre Thränen. Mit leiser Stimme, scheinbar ergeben, antwortete sie, wenn wir sie fragten; den größten Theil des Tages aber saß sie schweigend bei ihrer Spindel. Die sonst so geschickten Finger zerrissen, wenn sie nicht stundenlang in dem Schooße der Träumerin ruhten, alle Fäden. Sie, die sonst so herzlich über die Scherze Deines Vaters lachen konnte, hörte ihnen nur noch mit gleichgültiger Stumpfheit zu; meinen mütterlichen Ermahnungen lauschte sie in ängstlicher Spannung.

      »Wenn ich ihre Stirne küßte und sie bat, sich selbst zu beherrschen, so sprang sie hoch erröthend auf, warf sich an meine Brust, setzte sich wieder an die Spindel und zog die Fäden mit beinahe wilder Hast; nach einer halben Stunde aber lagen die Hände wiederum unthätig in ihrem Schooße, waren ihre Augen von neuem träumerisch auf einen Punkt in der Luft oder an der Erde gerichtet. Wenn wir sie zwangen, an einem Feste theilzunehmen, so wandelte sie unter den Gästen theilnahmlos umher.

      »Traurig, beinahe rathlos brachten wir die Arme nach Sais zurück.

      »Ihr Aussehen glich dem einer Gottheit. Sie war schmächtiger geworden, aber wie wir Alle bemerkt zu haben glaubten, gewachsen; die Farbe ihrer Haut schimmerte in einer fast durchsichtigen Weiße, und ihre Wangen zierte ein leiser Anhauch, den ich nur mit der Farbe eines jungen Rosenblattes oder den ersten Grüßen der Morgenröthe vergleichen kann. Ihr Auge glänzt heute noch wunderbar schön und hell. Es scheint mir immer, als wenn diese Blicke mehr erschauten, als das, was sich auf der Erde und am Himmel bewegt. Ich meine, diese Blicke müssen über das Geschaffene hinaus in ferne Welten schauen.

      »Weil ihre Hände und ihre Stirn immer heißer wurden und manchmal ein leises Frösteln ihre zarten Glieder durchschauerte, ließen wir Imhotep, den berühmtesten Arzt für innere Krankheiten, aus Theben nach Sais kommen.


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