Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie. Georg Ebers
Читать онлайн книгу.befohlen, sein Möglichstes zu thun, und ihm mitgetheilt, daß der größeste Feinschmecker aus der üppigsten Stadt in der ganzen Welt, daß ein Sybarit, daß Philoinus über seine zarten Gerichte strenges Gericht halten werde. Geh’, Knakias, und sage, man solle anrichten! Seid ihr jetzt zufrieden, ihr ungeduldigen Herren? Arger Phanes; mir hast Du mit Deiner Trauerkunde die Mahlzeit verdorben!«
Der Athener verneigte sich; der Sybarit aber philosophirte abermals: »Zufriedenheit ist ein schönes Ding, wenn man die Mittel hat, all’ seine Wünsche zu befriedigen; auch danke ich Dir, Rhodopis, für die Würdigung, welche Du meiner unvergleichlichen Heimath angedeihen läßt. Was sagt Anakreon?53
›Der heutige Tag liegt mir am Herzen,
Wer weiß, was uns der nächste bringt,
Drum flieht den Gram, verbannt die Schmerzen,
Und spielt das Würfelspiel und trinkt! – –‹
»He! Ibykus, hab’ ich Deinen Freund, der mit Dir an der Tafel des Polykrates schmaust, richtig citirt? Ich sage Dir, daß, wenn Anakreon auch bessere Verse macht als ich, meine Wenigkeit sich dafür doch nicht schlechter auf’s Leben versteht, wie der große Lebenskünstler. Er hat in allen seinen Liedern kein Lob auf’s Essen, und ist denn das Essen nicht wichtiger, als das Spielen und Lieben, obgleich diese beiden Tätigkeiten – ich meine Spielen und Lieben – mir auch recht theuer sind? Ohne Essen müßt’ ich sterben, ohne Spiel und Liebe kann ich schon, wenn auch nur kümmerlich, fortbestehen.«
Der Sybarit brach, zufrieden mit seinem schalen Witze, in ein lautes Gelächter aus; der Spartaner aber wandte sich, während man in ähnlicher Weise fortplauderte, an den Delphier Phryxus, zog ihn in eine Ecke und fragte ihn, seiner gemessenen Art vergessend, in großer Aufregung, ob er ihm die lang ersehnte Antwort des Orakels mitbringe? Das ernste Gesicht des Delphiers ward freundlicher; er griff in die Brustfalten seines Chiton54 und holte ein kleines Röllchen von pergamentartigem Schafleder hervor, auf dem mehrere Zeilen geschrieben waren.
Die Hände des starken und tapferen Spartaners zitterten, als er nach dem Röllchen griff, und nachdem er es geöffnet, saugten sich seine Blicke an die Schriftzüge an, die es bedeckten. So stand er kurze Zeit; dann schüttelte er mißmuthig die grauen Locken, gab Phryxus die Rolle zurück und sagte:
»Wir Spartaner lernen andere Künste, als Lesen und Schreiben. Wenn Du kannst, so lies mir vor, was Pythia sagt.«
Der Delphier überflog die Schrift und erwiederte: »Freue Dich! Loxias55 verheißt Dir eine glückliche Heimkehr; höre, was Dir die Priesterin verkündet:
›Wenn einst die reisige Schaar von schneeigen Bergen herabsteigt
Zu den Gefilden des Stroms, welcher die Ebne benetzt,
Führt Dich der zaudernde Kahn herab zu jenem Gefilde,
Welches dem irrenden Fuß heimischen Frieden gewährt;
Wenn einst die reisige Schaar von schneeigen Bergen herabsteigt,
Schenkt Dir die richtende Fünf, was sie Dir lange versagt.‹«
Gespannten Ohres lauschte der Spartaner diesen Worten. Zum zweiten Male ließ er sich den Spruch des Orakels vorlesen, dann wiederholte er ihn aus dem Gedächtnisse, dankte Phryxus, und steckte das Röllchen zu sich.
Der Delphier mischte sich in das allgemeine Gespräch; der Spartaner aber murmelte den Spruch des Orakels unaufhörlich vor sich hin, um ihn ja nicht zu vergessen, und bemühte sich, die rätselhaften Worte zu deuten.
Zweites Kapitel
Die Flügelthüren des Speisesaales öffneten sich. An jeder Seite des Eingangs stand ein schöner, blondgelockter Knabe, mit Myrtenkränzen in der Hand; in der Mitte des Saales erhob sich ein großer, niedriger, glänzend polirter Tisch, an dessen Seiten purpurrothe Polster die Gäste zu bequemer Rast einluden56.
Auf der Tafel prangten reiche Blumensträuße. Große Braten, Gläser und Schalen voller Datteln, Feigen, Granatäpfel, Melonen und Weintrauben standen neben kleinen silbernen Bienenkörben voller Honig; zarter Käse von der Insel Trinakria57 lag auf getriebenen kupfernen Tellern, und in der Mitte des Tisches stand ein silberner, einem Altar gleichender Tafelaufsatz, der rings mit Myrten und Rosenkränzen umwunden war, und von dessen Spitze süße Räucherungsdüfte aufstiegen.
Am äußersten Ende des Tisches glänzte das silberne Mischgefäß58, ein herrliches äginetisches Werk, dessen gekrümmte Henkel zwei Giganten darstellten, die unter der Last der Schale, welche sie trugen, zusammenzubrechen schienen. Dieser Mischkrug war, wie der Altar in der Mitte des Tisches, mit Blumen umwunden, und auch um jeden Becher59 schlang sich ein Rosen- oder Myrtenkranz.
Rosenblätter waren in dem ganzen Zimmer umhergestreut60, an dessen glatten Wänden von weißem Stuck viele Lampen hingen.
Kaum hatte man sich auf die Polster niedergelegt, so erschienen die blonden Knaben, umwanden die Häupter und Schultern der Schmausenden mit Myrten- und Epheukränzen, und wuschen ihre Füße in silbernen Becken61. Als der Vorschneider schon die ersten Braten, um sie zu zerlegen, vom Tische genommen hatte, machte sich der Sybarit noch immer mit den Knaben zu schaffen, und ließ sich, obgleich er schon nach allen Wohlgerüchen Arabiens duftete, förmlich in Rosen und Myrten einwickeln; nachdem jedoch das erste Gericht, Thunfische mit Senfbrühe62, aufgetragen worden war, vergaß er aller Nebendinge und beschäftigte sich ausschließlich mit dem Genusse der trefflichen Speisen. Rhodopis saß auf einem Armstuhle an der Spitze der Tafel neben dem Mischkruge, und leitete sowohl die Unterhaltung, als auch die aufwartenden Sklaven63.
Mit einem gewissen Stolze sah sie auf ihre fröhlichen Gäste, und schien sich mit jedem ausschließlich zu beschäftigen, indem sie sich bald bei dem Delphier nach dem Erfolge seiner Sammlungen erkundigte, bald den Sybariten fragte, ob ihm die Werke ihres Koches behagten, bald dem Ibykus lauschte, welcher erzählte, daß Phrynichus von Athen die religiösen Schauspiele des Thespis von Ikaria in’s bürgerliche Leben gezogen habe, und mit Chören, Sprechern und Gegensprechern ganze Geschichten aus der Vorzeit aufführen64 lasse.
Dann wandte sie sich an den Spartaner und sagte ihm, daß er der Einzige sei, bei dem sie sich nicht wegen der Einfachheit ihres Gastmahls, wohl aber wegen der Ueppigkeit desselben zu entschuldigen habe. Wenn er nächstens wiederkomme, solle ihm ihr Sklave Knakias, der sich rühme, als entwichener spartanischer Helot65, eine köstliche Blutsuppe kochen zu können (bei diesen Worten schauderte der Sybarit), eine echt lacedämonische Mahlzeit bereiten.
Als die Gäste gesättigt waren, wuschen sie sich von Neuem die Hände. Dann wurde das Speisegeschirr abgeräumt, der Fußboden gesäubert, und Wein und Wasser in den Mischkessel gegossen. Endlich66 wandte