Das Erbe Teil II. Wolfgang Ziegler
Читать онлайн книгу.und wirksame Sicherheitstechnik zu installieren sei. Etwas beruhigt begab sich der Burgherr auf den kleinen Wehrgang hinaus, um noch einmal frische Luft zu schöpfen. Die Wunde am Arm schmerzte, aber seine Gedanken kreisten nun um die ferne Gegend, in der sich so bedeutsame Ereignisse zutrugen. Bei seinem letzten geheimen Kontakt zu Rechtsanwalt Meurat unterrichtete dieser ihn, daß Wolf nun schon einige Tage in Polen weilte und die Untersuchung der unterirdischen Anlage anscheinend erfolgreich begonnen hatte. Von Trauenfeld wartete seitdem ungeduldig auf eine weitere Nachricht aus Frankfurt an der Oder. Diese würde ihn per Kurier erreichen. Inständig hoffte der alte Mann, daß die Mission im fernen Eulengebirge von Erfolg gekrönt sein möchte und sie bald in den Besitz der verschollenen Unterlagen gelangen würden. Diese einmal in den Händen haltend könnte man sich mit den Leuten am anderen Ende des Globus in Verbindung setzen und besäße zugleich das wohl wichtigste Unterpfand für eine Beteiligung an dem geplanten Raumflug. Man würde sie, die Herren vom Schwarzen Stein brauchen, um nicht ziellos über die Weiten des fernen Planeten zu fliegen. Nur sie hatten dann Kenntnis von der genauen Lage der uralten Stätten, die damals eine erste Expedition entdeckte und die ihr Logbuch in eben dieser Anlage sicherheitshalber zu Händen von Wolfs Vater gaben, als in den Wirren des Kriegsendes alles drunter und drüber zu gehen schien und schließlich gar die Russen das Gebiet in einer mächtigen Offensive überrollten. Die wertvollen Dokumente auf dem Landweg beiseite zu schaffen, war damals zu riskant und gefährlich geworden. So lagen sie noch immer tief im Schoß des abgelegenen Gebirges.
Der alte Mann auf dem windumwehten Wehrgang war mittlerweile tief in Gedanken versunken. Sie, die Herren vom Schwarzen Stein, hatten sich noch vor Kriegsende der Idee verschworen, Vergangenes deutscher Geschichte nicht auf sich beruhen zu lassen. Mit ihrem Tun legten sie vielleicht den Grundstein für das Wirken künftiger Generationen. Die Idee jedenfalls mußte überleben. So feindselig auch die neue, von den Kräften der Finsternis installierte Gesellschaft darauf reagierte. Seit seinem letzten Besuch beim Arzt wußte von Trauenfeld, daß ihm nicht mehr viel Zeit blieb, seine wenigen Vertrauten in die restlichen Dinge einzuweisen. Einen wichtigen Teil hatte er aber nun getan. Nun blieb noch der Kontakt zu der so weit entfernten deutschen Basis, im Kontinent des ewigen Eises. Wenn Wolf mit den erwarteten Dingen unbeschadet eintraf, würde auf sicherem Wege eine Botschaft von ihm das andere Ende des Planeten erreichen. Möglicherweise erlebte er aber die Reaktion der Männer aus dem Eis schon nicht mehr. Dann mußten eben die anderen das Werk fortsetzen. Unbedingt notwendig war es, an dem bevorstehenden Raumflug teilzunehmen. Das mußte er nochmals seinen Mitstreitern verdeutlichen. Von Trauenfeld wandte sich um und ging zurück in seine Räume in der Burg. Die Uhr zeigte inzwischen die siebte Morgenstunde, und die Sonne tauchte das grüne Land in ein warmes, weiches Licht. Wie der in seinem Arbeitszimmer angekommen griff er abermals zum Telefon und wählte die Nummer eines alten Freundes in der kleinen Stadt, die unten am Ufer des Sees lag. Dessen Büro war schon besetzt. Mit freundlicher Stimme meldet sich die Sekretärin und verband ihn sofort weiter. „Guten Morgen, Edmund“, begrüßte von Trauenfeld seinen Gesprächspartner. „Was für eine Überraschung, was kann ich für dich tun?“ klang es zurück aus der Leitung. „Wir hätten ein paar Dinge zu besprechen, möglichst persönlich“, antwortete er. „Kein Problem. Eilt es sehr?“ „Wäre es dir morgen Vormittag möglich? In dem kleinen Kaffee am Markt, du weißt schon. Ich würde gehen zehn Uhr da sein.“ Auf der Gegenseite raschelte offenbar das Papier eines Terminkalenders. „In Ordnung, ich warte dann schon auf dich“, kam schließlich die Zusage. „Also, dann bis morgen.“ Von Trauenfeld legte den Hörer des Apparates wieder zurück auf die Gabel. Edmund hatte verstanden. Die Erwähnung des kleinen Cafés am Markt war das vereinbarte Codewort gewesen, das höchste Dringlichkeit bescheinigte. Aus einer kleinen Kapsel nahm von Trauenfeld einige Tabletten, schluckte diese, spülte mit einem Glas Wasser nach und begab sich dann in seinen abgedunkelten Schlafraum. Hier legte er sich angekleidet auf die breite Bettstatt und fiel bald in einen unruhigen Halbschlaf.
Gegen Mittag des Tages trafen sich alle nochmals in der Bibliothek. Von Trauenfeld ermahnte seine Gefährten, über alles Besprochene gegenüber Jedermann absolutes Stillschweigen zu bewahren. „Es ist einfach zu wichtig“, sagte er. „Und denkt auch daran, wir müssen bei dem Flug zu dem fernen Planeten unbedingt dabei sein. Ohne unsere Informationen, die ja nun bald eintreffen werden, würde die Mannschaft aus dem Eis nach den alten Anlagen zwar unendlich lange suchen müssen, aber sicher ist sicher. Sobald Wolfs Sohn mit den Unterlagen eintrifft, werdet ihr alle auf dem üblichen Wege verständigt. Kommt dann schnell, vielleicht bleibt nicht mehr viel Zeit. Sollte mir etwas geschehen, immer hin bin ich ein alter, kranker Mann, wird sofort unsere Sigrun die Leitung aller weiterer Aktionen übernehmen. Sie ist von Anfang an dabei, war immer der treibende und verständige Kern gewesen. Sie hat noch aus vergangener Zeit die notwendigen Kontakte und weiß, wie vorzugehen ist. Zudem macht ihre charmante Weiblichkeit ihr manche Dinge leichter, als es bei uns Männern der Fall wäre. Sind Sie, Sigrun, mit dieser, meiner Entscheidung einverstanden? Sind alle anderen einverstanden?“ Schweigend hoben alle die nach vorne und mit den Fingerspitzen nach oben gerichtete Handfläche in halbe Körperhöhe. „Ich sehe, wir sind uns einig. Das ist gut. Sigrun wird koordinieren, die Fäden in der Hand halten. Alle werden ihr helfend mit Rat und Tat zur Seite stehen, wie wir es immer handhabten.
Sigrun, Sie bleiben bitte noch einen Moment bei mir, um noch einige Einzelheiten zu besprechen. Die anderen bitte ich nun, uns zu verlassen. Ich danke für das Kommen und wünsche allen Erfolg und eine gute Heimfahrt. Möge das Licht der Schwarzen Sonne uns leuchten.“ Mit dem Gruß der Bruderschaft verabschiedete sich jeder Einzelne beim Meister des Ordens. Die Männer hatten ihre Zimmer schon geräumt, und die Autos standen auf dem Burghof abfahrbereit. Nachdem das Gepäck in den Wagen verstaut war, verabschiedete man sich herzlich voneinander. Dann verließen die Fahrzeuge in längeren und bewußt unregelmäßigen Abständen die kleine Burg, um zu der Fernstraße am Seeufer zu gelangen, die später in das Autobahnnetz mündete.
Von Trauenfeld schritt an einen kleinen, unauffälligen Sekretär, der an der Wand zwischen den hohen Bücherregalen stand. Dort betätigte er einen verborgenen Handgriff. Zum Vorschein kam eine Tafel mit Knöpfen, die jeweils ein Runenzeichen trugen. Er gab ein Wort ein. Daraufhin klickte es leise metallisch und eines der alten, die Wände zierenden Ölgemälde schob sich ein Stück nach vorn. Wie sich jetzt zeigte, war das Bild an einer kleinen, aber sehr massiven Stahltür befestigt, die jetzt offen stand und Zugriff in einen versteckten Wandtresor erlaubte. Der alte Mann entnahm diesem ein Stapel Akten und einen in schwarzen Samt gehüllten Gegenstand. Am großen Schreibtisch breitete er alles aus, bat Sigrun Platz zu nehme und erläuterte. „Ich fasse mich kurz, meine Liebe. Hier ist alles, was derzeit wichtig und von Bedeutung ist. Sie sollen darüber informiert sein. Hier drin ist die Aufstellung aller zugänglichen natürlichen Höhlensystem in Deutschland, in denen sich geheime Anlagen befinden mit unterschiedlichsten Inhalten beziehungsweise Funktionen“, sagte er und zeigte einen schmalen, dunkelbraunen Hefter vor. „In diesem“, wobei er auf einen anderen dunkelroten Umschlag wies, „befinden sich aufgeschlüsselt nach den einzelnen Objekten mit Tarnnamen die jeweils zugehörigen Einzelheiten. Also, wo sich was befindet oder eingelagert wurde. Eine Vollständigkeit kann ich jedoch leider nicht garantieren. Auch wir haben damals nicht mehr alle Informationen zuverlässig beschaffen können. Daß alle diese Unterlagen mehr als nur streng geheim sind, brauche ich Ihnen wohl nicht zu betonen.“
„Das ist natürlich klar“, antwortet die jetzt in ein langes schwarzes Kleid gehüllte Frau. „Sie können sich freilich ganz auf mich verlassen. Darf ich aber nun einen Blick hineinwerfen?“
„Schauen Sie nur, Sie werden auf die Dinge ab sofort ohnehin Zugriff haben.“ Sigrun nahm den ersten Hefter und blätterte die Seiten vorsichtig auf. Pergamente und Blaupausen mit teilweise offenbar sehr alten und neueren Skizzen und Zeichnungen befanden sich darin. Alle trugen die bekannten Stempel: „Geheime Kommandosache“ und „Streng geheim“. Es waren zum überwiegenden Teil alles Ausschnitte alter Landkarten und neuzeitlicher Meßtischblätter, in denen genauestens die Zugänge zu den der Allgemeinheit völlig unbekannten Höhlensystemen eingetragen waren. Jedes der Systeme war hier zudem mit einem Tarnnamen bezeichnet worden. Am Ende der Akte standen dann diese alphabetisch aufgeschlüsselt und mit der jeweiligen Seitenzahl versehen, ähnlich einem Inhaltsverzeichnis. Sigrun überflog kurz die Seiten. Ihre staunenden Augen huschten dabei über geographische Bezeichnungen wie Schwäbische