Das Erbe Teil II. Wolfgang Ziegler

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Das Erbe Teil II - Wolfgang Ziegler


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Aus der nächsten Telefonzelle rief er Meurat an. Es klingelte einige Male, dann meldete sich die ruhige Stimme des Anwalts. „Meurat, hier ist Wolf! Ich bin wieder da, aber es ist etwas ganz Böses geschehen! Bitte holen Sie mich hier schnell ab!“

      „Was ist passiert? Haben Sie alles dabei?“ Am anderen Ende geriet der Jurist sichtlich aus der Fassung. „Sagen Sie mir nur noch, wo Sie jetzt sind.“ Wolf beschrieb seinen Standort am Stadtrand von Frankfurt an der Oder. „Ich bin schnellstens da“, sagte der Anwalt am anderen Ende und warf unvermittelt den Hörer auf die Gabel.

      Erst in Meurats Wagen kam Wolf wieder etwas zur Ruhe. Der Anwalt war wie ein Irrer durch die abendliche Stadt gerast, um ihn rasch abzuholen. Die Begrüßung fiel den Umständen entsprechend nur kurz und hektisch aus. Noch im Auto schilderte Wolf aber das schreckliche Geschehen. Gab dem Fahrer gleichzeitig aber auch zu verstehen, daß die Dinge sich nun in dem Rucksack befänden, den er fest auf dem Schoß hielt. Sie fuhren in die Kanzlei. Als sie den Wagen abstellten, sahen sie sich aufmerksam um. Doch niemand schien sie verfolgt zu haben oder sonst erkennbar zu beobachten. Allerdings waren die Parkanlagen neben den Abstellflächen ins Dunkel des Abends gehüllt. Hinter den Bäumen und Büschen hätte so eine ganze Schar von Beobachtern hocken können, ohne erkannt zu werden. Eilig schritten sie daher zum Haus, wo Meurat sorgfältig die schwere Eingangstür wieder hinter ihnen verschloß. In der Kanzlei im ersten Stock angekommen setzte er rasch Kaffee auf und stellte die Cognacgläser auf den mächtigen Schreibtisch seines Büros. Die bräunliche Flüssigkeit brannte im ausgetrockneten Hals, weckte bei Wolf aber wieder die Lebensgeister. „Das ist ja wirklich eine furchtbare Geschichte“, sagte Meurat schließlich, als sie beim dampfenden Kaffee saßen. „Natürlich kümmere ich mich um alles. Wir werden die Feststellung von Sabines Verschwinden aber etwas nach hinten verlegen, wenn Sie dort draußen keiner gesehen zu haben scheint. Sind Sie sicher, daß sich nichts Wichtiges in ihrem Haus oder auf dem Grundstück befindet?“

      „Völlig sicher“, antwortete Wolf. „Sie wußte ja nicht einmal, wo genau ich mich befand. Geschweige in was für einem Auftrag. Ich verstehe das einfach alles nicht.“

      „Nun beruhigen Sie sich bitte etwas, auch wenn es schwer fällt. Ich verstehe Sie ja sehr gut.“ Meurat stand auf und legte ihm die große, breite Hand auf die Schulter. Auf jeden Fall müssen wir es der Polizei melden. Sie haben schließlich ihr Verschwinden entdeckt. Und es war bekannt, daß sie ihre Freundin war. Trotzdem, alles ist sehr schrecklich. Ich muß Sie aber irgendwie aus dem Schußfeld bringen. Schließlich haben Sie noch so Wichtiges zu erledigen.“

      „Ich will aber, daß Sabine und diese Hundesöhne gefunden werden!“ fuhr Wolf auf. „Ja, ja“, wie gesagt, ich verstehe Sie ja wirklich“, entgegnete Meurat rasch. „Aber Sie wissen auch, mit wem wir es zu tun haben. Alles ist nicht einfach, glauben Sie mir. Das waren Profis von der dunklen Seite. Sie ahnen es genau wie ich. Da ging es nicht um irgendeinen läppischen Raubüberfall. Die suchten nach etwas und nahmen dann wohl die Frau mit. Wir müssen jetzt gut auf der Hut sein.“

      „Bei Sabine war aber nichts“, regte Wolf sich weiter auf. „Sie haben sie umsonst entführt, das werden sie schon begriffen haben. Die Frage ist nur, was diese Verbrecher nun unternehmen werden. Hoffentlich bringen sie Sabine nicht um. Auch Sie scheinen mir gefährdet.“

      „Ja“, entgegnete der Anwalt. „Das ist schon möglich. Daher müssen wir nun schnell handeln. Ich werde den Orden informieren, daß Sie eingetroffen sind, was sich begeben hat und vor allem, daß der Komtur sich auf ihre kurzfristige Ankunft einrichten soll. Es wäre das Beste, Sie übernachten hier. Gehen Sie nicht in Ihre Stadtwohnung. Morgen früh komme ich und dann besprechen wir alles Weitere. Möglicherweise reisen Sie schon morgen wieder ab. Wir müssen gerade jetzt dafür sorgen, daß die Materialien schnellstens und sicher auf die kleine Burg in Süddeutschland gelangen. Und ich werde mich persönlich um die Suche nach Sabine einschalten, das verspreche ich Ihnen. “

      Wohl oder übel willigte Wolf in die Vorschläge Meurats ein. Dieser zeigte ihm noch die kleine Küche und den Sanitärraum der Kanzlei. „Und hier können Sie sich lang machen“, sagte er abschließend und wies auf das große Ledersofa an der Wand. Er gab ihm noch eine Decke und verabschiedete sich dann. „Passen Sie gut auf und öffnen Sie niemand“, warnte er ihn, dann fiel die schwere Tür der Kanzlei ins Schloß. Wolf riegelte noch zusätzlich ab und begab sich schließlich in die kleine Küche, wo er sich erst mal Kaffeewasser auf. Erschöpft ließ er sich in einem der schweren Sessel nieder und wartete, bis der aufgesetzte Wassertopf zu pfeifen beginne. Zehn Minuten später dampfte eine Tasse des schwarzen, anregenden Getränks vor ihm auf dem Tisch. Er fand keine Ruhe, doch das lag nicht an dem Kaffee. Zuviel war in den letzten zwei Tagen auf ihn hereingestürmt. Der Schmerz und Sorge um Sabines Verschwinden saß tief in ihm und noch immer glaubte er, sich durch die geheimnisvollen dunklen Gänge und Hallen der inzwischen wieder so fernen unterirdischen Station irren zu sehen. Alles kam ihm nun wie ein bizarrer Alptraum vor. Doch der mitgebrachte Inhalt des Rucksacks bestätigte nur allzu deutlich seine Erlebnisse. Und morgen würde er sich schon wieder auf die Reise machen. Langsam nickte er auf dem Sofa ein. Die Müdigkeit gewann schließlich Oberhand und führte ihn in unruhige, beängstigende Träume.

      Morgenlicht drang durch die blanken Fenster der Kanzlei, als Wolf erschrocken auffuhr. Doch es war nichts. Noch immer war er hier allein, und niemand hatte ihn gestört. Er schaute auf die Uhr, die die sechste Stunde zeigte. Es würde noch gut zwei Stunden dauern, bis Meurat wieder hier war. So ging er sich räkelnd in den kleinen Waschraum, wo er sich gründlich erfrischte. Dann öffnete er die Fenster zur Hofseite und sog ein paar Minuten lang die frische, herbe Morgenluft ein. Pünktlich acht Uhr erschien Meurat wieder. „Guten morgen, haben Sie wenigstens etwas geschlafen?“ begrüßte er seinen Gast. „Es ging, Herr Meurat, so einigermaßen“, antwortete Wolf. „Ich habe auf Sie mit dem Morgenkaffee gewartet. Soll ich ihn jetzt ansetzen?“ „Aber gerne. Ich führe inzwischen mal ein paar Telefonate“, sagte der Anwalt, während er sich hinter seinem mächtigen Schreibtisch niederließ und zum Telefonhörer griff. Eine halbe Stunde später, die beiden Männer saßen sich mit den inzwischen fast ausgetrunkenen Tassen gegenüber, wußte Meurat Neues zu vermelden. „Es ist, wie ich gestern Abend schon andeutete. Sie werden sich heute schon wieder auf den Weg machen müssen. Komtur von Trauenfeld erwartet Sie sehnlichst. Ich weiß, daß Sie sicher langsam die Reiserei satt haben. Aber es ist wirklich sehr wichtig, glauben Sie mir. Einen Trost gibt es, Sie werden recht bequem an das Ziel gelangen. Ein Fahrzeug bringt Sie in wenigen Stunden nach Westberlin. Von dort aus fliegen Sie mit einem Linienflug ins Bundesgebiet weiter. Heute Mittag werden Sie schon von hier abgeholt.“ „Das geht ja schnell“, sagte Wolf erstaunt. „Aber was geschieht bei Sabine draußen?“ „Ich habe es mir überlegt. Im Moment nichts. So schlimm es ist, aber wir können uns derzeit nicht auch damit belasten. Verstehen Sie mich nicht falsch. Natürlich kümmere ich mich um die Sache. Aber nicht jetzt sofort. Ich sorge aber bezüglich ihres Verschwindens für einen anonymen Anruf bei der Behörde und halte Sie auf dem Laufenden. Doch zuvor müssen Sie mit den überaus wertvollen Dingen in Sicherheit sein.“ Meurat steckte sich eine Zigarre an und pustete aromatische, blaue Wolken in den Raum. Dann schenkte er Kaffee nach. „Sie glauben ja gar nicht, was Sie noch alles erleben werden in der nächsten Zeit. Eigentlich beneide ich Sie irgendwie. Aber jemand muß auch vor Ort sein und die tägliche Kleinarbeit machen.“ „Erlebt habe ich schon genug. Und Aufregungen aller Arten gab es ebenfalls jede Menge“, warf Wolf ein. „Was soll denn da jetzt noch alles kommen?“

      „Warten Sie es ab, mein Freund. Sie bekommen bald erstaunlichste Dinge zu sehen und zu erfahren. Erst einmal werden Sie Gast bei meinem Freund von Trauenfeld sein. Eine urgemütliche, kleine Burg, gelegen an einem idyllischen See im Alpenvorland, wird das neue Quartier für Sie. Dort treffen sich dann die Herren vom Schwarzen Stein, die schon ungeduldig auf den Wolf und seine Mitbringsel harren“, schmunzelte der Anwalt.

       Treffen in Kufberg

      Der Burgherr war nun wieder allein, die Gäste seit Stunden abgereist. Unruhig ging er in der Bibliothek auf und ab. Nun, morgen würde er sich mit seinem Verbindungsmann im Ort unten treffen. Er hoffte, von diesem schon bald Neues zu erfahren, denn über ihn bestand die Verbindung zu Meurat im Ostteil Deutschlands. Am Nachmittag meldete


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