Das Erbe Teil II. Wolfgang Ziegler
Читать онлайн книгу.der dort befindlichen technischen Einrichtungen zeigten. Alles war penibel sauber und übersichtlich abgeheftet. Selbst ein Außenstehender hätte kein Problem, sich schnell eine Übersicht zu verschaffen und sich darin zurechtzufinden. Besonders bemerkenswert waren die älteren Fotos, die sich in beiden Heftern befanden. Auf den Bildern, ebenfalls immer den einzelnen Objekten zugeordnet, waren so zum einen Details der geheimen Zugänge in der Landschaft erkennbar. In einer anderen Sammlung, wo das Innere der Systeme dargestellt wurde, gab es Bilder, die technische Einrichtungen, Räume und ähnliches abbildeten.
„Die ist die eine Sache“, sagte von Trauenfeld. „Hier geht es weiter. In diesem dritten Ordner liegen alle schon vorhandenen Berichte und Informationen, die unsere angestrebte Aufgabe betreffen.“ Dieser Abheftung war dann die dünnsten von allen. Sie enthielt einen ersten Flugbericht, der jedoch keine präzisen Positionsangaben beinhaltete. Da waren aber auch eine ganze Reihe phantastisch anmutender Photos, die - aus geringer Höhe aufgenommen - die fremdartige Oberfläche des Roten Planeten zeigten und ruinenhafte Gebilde, die vom Sand teil schon fast zugeweht waren.
„Und genau hier liegt der Kern des Rätsels begraben. In irgendeinem dieser uralten Bauwerke ist die geheime Kammer, in der sich die Information über den Weg zum begehrten magischen ‚Schwarzlila Stein‘ befindet. Zu ihm müssen wir wieder Zugang erhalten. Dies bedeutet, diese Information zu finden, sie zu bergen und sie zurück auf die Erde schaffen. Dann, nach seiner Auffindung, muß die Versammlung zum rechten Zeitpunkt einberufen und die alten, überlieferten Rituale vorgenommen werden. Erst dann werden wir über die Kräfte verfügen, die diese herrschende, geradezu satanische Finsternis von der Erde und ihrer Menschheit vertreibt. Wir müssen unseren Gegnern zuvorkommen, denn auch die haben Kenntnis, daß dem Stein ungeahnte Kräfte innewohnen. Sie wissen zwar nichts mit ihm anzufangen, da sie nicht die geheimen magischen Rituale unsere Altvorderen kennen, aber sie können ihn unserem Zugriff entziehen, was eine Katastrophe wäre. Doch es wird alles nicht so einfach sein, wie ich es gerade in kurzen Worten sagte. Unsere Gegner werden sich wehren, mit allen nur möglichen Mitteln. Und ich sehe leider auch deutlich, daß es unserem Kreis teure Opfer kosten wird. Ich werde zu dieser Zeit schon nicht mehr unter Euch weilen ...“ Sigrun sah den alten Herren fragend an: „Ist es so schlimm?“
„Nein, schlimm nicht. Es ist einfach das Alter und ich bin sehr krank. Belassen wir es dabei, Sigrun. Die Wesenheit Isais möge mit Ihnen sein. Ihren Stein brauchen wir aber wieder hier auf Erden. Und das möglichst schnell.“
Die beiden trafen noch einige Absprachen. Von Trauenfeld machte die Frau so auch mit dem Zugangskennwort und seiner Handhabung zum versteckten Tresor vertraut und gab ihr noch einige andere Informationen. Es war schon Nachmittag, als auch Sigrun „Schwarzeck“ verließ und mit ihrem schnellen, kleinen Auto zurück Richtung Norden fuhr.
Grausame Warnung
Wolf hatte per Eisenbahn unbehelligt die Grenze passiert und näherte sich nun wieder seiner Heimat. Draußen zogen die vertrauten flachen Landstriche vor den schmutzigen Fenstern des Abteils vorbei. Seine Gedanken weilten bei Sabine. Er hatte sie vom Grenzbahnhof aus anrufen wollen. Zu seinem Erstaunen und Beunruhigung ging aber niemand an den Apparat. Er versuchte es mehrfach, doch es stellte sich kein Erfolg ein. Vielleicht war sie gerade mal in der Stadt, um irgendeine Besorgung zu erledigen, versuchte er sich zu beruhigen. Dennoch blieb ein ungutes Gefühl. So kam es, daß er nun immer mehr der Ankunft auf dem Frankfurter Hauptbahnhof entgegenfieberte. Gleich von dort aus wollte er es nochmals versuchen, noch ehe er Rechtsanwalt Meurat verständigte. Es dauerte aber doch noch eine Stunde, ehe der Zug langsam rumpelnd über das Gleisgewirr schließlich in der Bahnhofshalle einfuhr. Er stand noch nicht ganz als Wolf die Tür aufriß, absprang und eiligst in Richtung der Empfangshalle rannte. Nur den alten Rucksack auf seinen Rücken hielt er an den Schulterriemen immer mit einer Hand gut fest. Erneut warf er Münzen in den Telefonapparat, doch wieder ging nur der lange Rufton nach draußen. Es meldete sich niemand. ‚Sie müßte doch aber schon lange zurück sein‘, ging es ihm zunehmend besorgt durch den Sinn. Er versuchte es noch einmal, vergeblich, dann verließ er den Bahnhof und eilte zum Taxistand. Wieder mußte er warten. Wie immer war kein Fahrzeug sofort zur Verfügung. Endlich kam eine schwarze Limousine angerollt. Der Fahrer machte einen müden, griesgrämigen Eindruck. „Was, bis da raus?“ fragte er mürrisch. „Da habe ich doch inzwischen schon fast Feierabend“. Erst ein zugesteckter Geldschein besänftigte etwas und ließ ihn endlich das Fahrzeug in Bewegung setzen. Dann fuhr er aber auch wie ein Teufel durch die Stadt; nahm nach Wolfs Hinweisen mehrere Abkürzungen, und eine dreiviertel Stunde später rumpelte der Wagen über den einsamen Weg zu dem Hof vor den dunklen Waldrändern. Wolf zahlte eilig, wobei er noch ein gutes Trinkgeld gab, dann rannte er auf das Haus zu, das hinter den Gartenzäunen und Hecken sich hier in aller Stille erhob.
„Sabine, ich bin wieder da!“ rief er laut. Doch nichts rührte sich. Aber ihr kleines Auto stand in der offenen Scheune neben dem Hof. Also mußte sie da sein. Wolf drückte die Türklinke, die auch sofort nachgab. Knarrend öffnete sich die Haustür. „Sabine ...?“ Seine Stimme fand keine Antwort. Es war draußen inzwischen schon fast dämmrig geworden, so daß die Zimmer in ein düsteres Licht getaucht waren. Die Küche zeigte sich leer. Aber auf dem Küchentisch lagen Einkäufe verteilt und offenbar hatte Sabine begonnen, gerade ein Abendbrot vorzubereiten. Neben dem Messer lagen geschälte Zwiebeln und Kartoffeln. Ein mit Wasser gefüllter Topf stand bereit, und unter dem Herd stapelte sich ein Häufchen frisches Holz. Er fand Sabine aber trotz aller Absuche nicht.
Wolf vermochte nicht zu sagen, wie viel Zeit vergangen war, als er in die Wirklichkeit zurückfand. Draußen war es mittlerweile völlig dunkel geworden. Der Wind strich rauschend um die nahen Bäume, und in der Scheune nebenan schlug ständig eine wohl offenstehende Tür klappend hin und her. Wie betäubt erhob er sich endlich. Sabine war verschwunden. Ihre Entführer hatten dabei weder Geld noch Gut gesucht. Und es war kein gewöhnlicher Überfall gewesen. Für ihn gab es sogar eine Nachricht. Sie steckte in Sabines alter Schreibmaschine. Das weiße Blatt Papier ragte überdeutlich hervor, so daß Wolf es unbedingt finden mußte. Auf dem Blatt waren nur wenige Zeilen getippt worden.
„Suche sie nur..., dann bist DU dran!“ Das „Du“ war dick unterstrichen. Ganz offenbar hing Sabines Verschwinden – oder besser wohl Entführung - mit seinem eben erledigten Auftrag zusammen. Eine grausamere Warnung hätte man ihm nicht zukommen lassen können. „Ihr Schweine“, murmelte Wolf. „Aber ich werde euch und Sabine suchen und finden. Und dann gnade euch Gott!“ Aber warum hatten sie ihm hier nicht aufgelauert? Denn offenbar glaubten die Unbekannten, und er war der festen Überzeugung, daß hier mehrere Personen am Werk gewesen waren, daß Sabine etwas gewußt hatte, das sie interessieren könnte. Nun, dies war zumindest nicht der Fall gewesen. Leise ging Wolf durch die Räume. Wie im Trance schaute er sich noch um, konnte aber sonst nichts Auffälliges mehr entdecken. Das Telefon war tot. Irgendjemand mußte noch vor seiner Ankunft die Leitung durchtrennt haben. Oder hatten die Entführer gar auf ihn versteckt gewartet, um ihn noch zu beobachten? Warum aber hatten sie sich dann nur an Sabine gehalten? Schnell nahm er den Rucksack wieder auf den Rücken und überlegte, wie er auf schnellsten Wege zu Meurat kam. Das wertvolle Material, das er bei sich trug, mußte jetzt ganz besonders gut gesichert werden. Da aber das Telefon im Haus nicht mehr benutzbar war, konnte er sich nicht einmal von hier aus melden, um das Schreckliche Meurat mitzuteilen. Da fiel ihm blitzartig Sabines Auto ein. Die Schlüssel dazu hingen wie immer an dem kleinen Brett neben der Eingangstür. Er schloß diese fest hinter sich zu und lief rasch zu dem Wagen. Schon wollte er den Schlüssel in das Zündschloß stecken, als ihm auffiel, daß das Auto nicht abgeschlossen gewesen war. Sie schloß aber immer den Wagen ab. Er war einfach zu wertvoll in dieser Zeit, auch wenn es ein altersschwaches Modell war, um ihn leichtsinnig offen stehen zu lassen. Schließlich konnte nachts jeder schnell über die niedrigen Umzäunungen springen und sich an dem Fahrzeug zu schaffen machen. Zitternd zog er die Hand vom Zündschloß zurück. Vielleicht ... Wollte man ihn so aus dem Weg räumen? Wußten die Verbrecher nicht, daß er so kostbares Material bei sich trug? Eine Explosion hätte nicht nur ihn getötet, sondern auch alles andere restlos vernichtet. Oder welche Fallen hatte man gelegt? Gehetzt sah er sich auf dem dunklen Gelände des alten Gehöftes um. War da nicht eben ein Schatten hinter dem Holzschuppen? Oder narrten ihn schon die Sinne? Mit kaltem Schweiß