Das Erbe Teil III. Wolfgang Ziegler
Читать онлайн книгу.schimmernden Tiefwasser selbst hatte, zeigte sich kein Licht und keine Bewegung. Nur der große Reichsadler, der hoch oben von den rauhen Felswänden herabschaute, schien sie schweigend zu begrüßen.
Die so ungewohnte Stille und Verlassenheit wirkte unheimlich auf die beiden Männer in der Steuerkabine von „Isais“. Als sich nichts tat und sich auch nichts veränderte, setzten sie endlich zur Landung auf einem der freien Plätze an. Sie sprachen erst wieder ein Wort, als „Isais“ fest und sicher auf dem breiten Betonsockel stand, an dem mit großen Lettern die römische Ziffer II gemalt war.
„Sie scheinen wirklich alle verschwunden zu sein“, murmelte der Pilot vor sich hin. „Das kann ja noch heiter werden. Dann wollen wir mal raus.“ Sie öffneten die Schleuse und verließen die Flugscheibe. Wie erwartet, empfing sie die große Grotte dann auch mit ungewohnter Einsamkeit und Ruhe. Nichts war mehr da, von dem sonst hier so lebhaften Treiben. Keine Techniker liefen zwischen den nun verwaisten Standplätzen für die Flugscheiben und den Werkstätten herum. Keine Arbeitsgeräusche erfüllten mehr den weitgehend verlassenen Hafenbereich, und gähnende Leere herrschte auch da, wo sonst die kleinen Elektro-Transporter in ihren Fahrspuren zwischen den Kais für die U-Boote und der großen Lastenschleuse zu den inneren Bereichen der Basis sonst so emsig hin und her gerollt waren.
„Richtig unheimlich ist das jetzt“, sagte Co-Pilot Gunter Strox leise, als sie einen ersten Erkundungsgang hinunter zum Höhlensee machten. Ihre Schritte hallten ungewohnt laut auf dem feuchten Betonboden des Piers, und das Klatschen der dunklen Wellen drang überdeutlich an ihre Ohren. Aber auch hier unten war niemand. So liefen sie schließlich zur schwer gepanzerten Personenschleuse, die früher fast immer offen gestanden und dem Personal Zugang zur Basis geboten hatte. Doch hier ging es nicht mehr weiter. Dafür klemmte ein dicker, inzwischen etwas klammer Papierumschlag am Eingang. Sie nahmen ihn wortlos an sich und zogen sich damit in ihre Flugscheibe zurück.
Wieder in der Geborgenheit der Pilotenkabine von „Isais“, rissen sie die Versiegelung auf. Zum Vorschein kam ein von Kommandant Strese handschriftlich niedergelegtes Dokument. Darin beschrieb Strese die Umstände, die zur Stillegung der Basis geführt hatten und wies nachdrücklich an, keinen Versuch zu unternehmen, in ihr Inneres einzudringen. In den im Dokument genau bezeichneten Räumen der zugänglichen Werkstattgebäude am Seeufer der Grotte seien Lebensmittel und andere, eventuell notwendige Materialien für sie hinterlegt. Auch alle technischen Einrichtungen in der Grotte könnten dort weiter genutzt werden. Dann gab es den Hinweis auf die geheimen Punkte außerhalb Antarktikas, die sie für die Zukunft in Anspruch nehmen könnten. In Europa waren zwei Anlagen zur sicheren Unterbringung der Flugscheibe angegeben. Natürlich enthielt die Aufstellung keine genauen Koordinaten; diese waren den Besatzungen der beiden Flugscheiben vor dem Abflug zum Mars mündlich genannt worden und befanden sich hochgradig gesichert in verschlüsselter Form an Bord.
„Also werden wir unsere Jungs nicht mehr wiedersehen“, meinte Pilot Rudi Gelhaar resigniert und zerknitterte das Papier langsam in seinen Händen.
Der Entschluß
Die beiden Männer in der Flugscheibe hatten noch einige Zeit über ihre Situation gesprochen. Dann machten sie sich daran, „Isais“ zu überprüfen. Sie tauschten verschiedene Teile der Antriebsmechanismen und kontrollierten auch sonst alles tiefgründigst. Zum Schluß, nachdem zwei Tage Arbeit hinter ihnen lagen, waren die beiden mit ihrem Werk zufrieden. Es gab nun nichts mehr, was einem weiteren problemlosen Funktionieren von „Isais“ im Wege stehen könnte, nahmen sie jedenfalls an. Während ihrer Arbeiten mußten sie mehrfach zu den Lagerschuppen neben den Standplätzen für die Flugscheiben gehen. Von dort aus entdeckte Gunter Strox an einem fernen Abschnitt des großen Höhlensees auf einmal eine ihm völlig fremde Erscheinung. Zusammen mit seinem Piloten beobachtete er das unheimliche Wesen durch ein starkes Fernglas, das schnell von „Isais“ geholt wurde. Es war ein dunkler, metallisch glänzender Automat, der offensichtlich dort ruhig auf und ab patrouillierte, sich ihnen aber nicht weiter näherte, aber auch keine Anstalten machte, diesen Bereich zu verlassen. Die Entfernung zu dem abgelegenen Uferabschnitt des unterirdischen Grottensees betrug etwa 300 Meter; und da sich das Automatenwesen augenscheinlich passiv verhielt, nahmen sie ihre Arbeiten wieder auf.
„Es wird eines von diesen unheimlichen Dingern sein, über die immer nur gerüchteweise zu hören war“, murmelte Pilot Gelhaar. „Es ist jedenfalls bestimmt besser, diesen Viechern nicht in die Quere zu kommen. Sie müssen so etwas wie eine Überwachungsfunktion ausüben und können wohl auch spezielle Waffensystem bei sich haben oder auslösen. Mach was du willst, aber hier ist es mir nun zu seltsam geworden. Ich meine, wir sollten schnellstens verschwinden.“ Die beiden Piloten saßen inzwischen lange wieder in der kleinen Steuerkabine von „Isais“ und beratschlagten ihr weiteres Vorgehen. Viele Möglichkeiten blieben ihnen nicht. Sie konnten eine der beiden europäischen Basen anfliegen und die Flugscheibe dort geschützt abstellen. Zwei weitere Anlagen befanden sich in Südamerika und auf, beziehungsweise besser gesagt unter einer der Kanarischen Inseln. Ein letzter irdischer Horst lag auf einer arktischen Inselgruppe.
„Der Joker im Spiel ist aber zweifelsfrei unsere Mondbasis M1“, sagte Strox, als sie debattierten, welchen Punkt sie anfliegen sollten.
„Dann können wir aber gleich hier bleiben“, murrte Gelhaar. „Was sollen wir dort oben? Nichts als Leere und Einsamkeit.“
„Mich würde trotzdem interessieren, was man damals dort oben deponiert hat“, erwiderte Strox. „Die Mondstation wurde schließlich nicht aus Jux und Dollerei errichtet. Das war ein Haufen Arbeit und hat wohl sogar auch etliche Menschenleben gekostet. Nur ein einfaches Lager für Ausrüstung, Lebensmittel und Betriebsstoffe kann das allein nicht sein. Dazu ist die Station auch zu groß“, sinnierte er laut. „Außerdem liegt sie so gut verborgen, daß man selbst beim Überflug sie nicht so ohne weiteres entdecken würde. Einzig die glatte Landefläche vor der Gebirgswand könnte auffallen“, stimmte Hase ihm zu.
„Ich denke und vermute, dort ist es aber ähnlich wie hier“, Strox rührte mit dem Löffel in seiner Kaffeetasse, die vor ihm auf dem winzigen Tischchen stand. Er deutete zum runden Bullauge der Kabine hinaus, wo sich im schwachen Licht der Grottenbeleuchtung das Wasser des Höhlensees spiegelte und die wenigen flachen Gebäude am Ufer schattenhaft sichtbar waren. „Und dort oben auf dem Mond ist auch so eine Anlage, in der irgendwelche Truppenteile dem verdammten jüngsten Tag entgegendämmern, wie es sich die Bonzen ausdachten.“
„Du hast es erfaßt“, meinte sein Gegenüber. „Es ist eines der größten Geheimnisse des Reiches. Außerdem liegen da noch Rundkreisel des H-Typs bereit. Die Jungs müssen ja schließlich auch wieder von dort runter kommen können. Aber, ob das alles noch funktioniert.? Da würde ich nicht meine Hand für ins Feuer legen wollen.“
„Aber gut gesichert wird das auch alles sein“, dachte Strox halblaut weiter nach. „Wir müssen hier jedenfalls wieder weg. Was sollen wir uns noch in dieser Einsamkeit aufhalten? Alles ist verschlossen für uns und da draußen rennt so ein komischer Automat rum. Solchen Dingern traue ich ja nun überhaupt nicht über den Weg. Einfach unheimlich ist das! Auch wenn durch diese Dinger der Stützpunkt offenbar geschützt wird.“
Die beiden Männer sprachen noch eine Weile, dann bereiteten sie „Isais“ für den Abflug vor. Stunden später schauten sie ein letztes Mal in die Grotte, aber es hatte sich nichts verändert. Es kam ihnen eher vor, als hätte der automatische einsame Wächter am ferneren Seeufer seinen Kontrollweg näher zu den Bauten bei den Piers verlegt hatte ...
Mit einem dumpfen Laut schloß sich das Luk wieder hinter ihnen. Kurze Zeit später begann es in dem stählernen Zellenkörper leise zu summen. Sanft hob die Flugscheibe von ihrem, vom befestigten Uferbereich zurückgesetzten Start- und Landesockel ab. Als das Aggregat in der Grotte über dem eisigen Höhlensee schwebte begann der Automat am Ufer, wie schon bei Ankunft von „Isais“, emsig die Signale zu empfangen, die ihm den Vorgang als keine feindliche Aktivität meldeten. Schon schlossen sich die Wellen über dem runden Zellenkörper, und langsam tauchte auch der konische Aufbau in die Tiefe. die Grotte blieb in ihrer nun wieder menschenleerer Einsamkeit und Stille zurück. Mit größter Aufmerksamkeit steuerte Gelhaar, unterstützt von seinem Co-Piloten, den untermeerischen