Emma. Jane Austen

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Emma - Jane Austen


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war ein Unding, mein Liebes, daß ihr den Herbst in South End verbracht habt, statt hierher zu kommen. Ich habe von der Seeluft nie viel gehalten.«

      »Mr. Wingfield hat sie uns eindringlichst empfohlen, Sir, sonst wären wir nicht hingegangen. Er empfahl sie für alle Kinder, besonders aber für Bellachens empfindlichen Hals – sowohl die Luft wie die Seebäder.«

      »Ach, mein Liebes, aber Perry war sehr im Zweifel, ob die See ihr zuträglich wäre, und ich selber bin seit langem vollkommen überzeugt, wenn ich’s auch vielleicht noch nie gesagt habe, daß die See einem selten guttut. Einmal wäre sie fast mein Tod gewesen, das ist sicher.«

      »Komm, komm«, rief Emma, die spürte, daß dies ein gefährliches Terrain war, »ich muß euch bitten, sprecht nicht von der See, es macht mich ganz elend neidisch. Noch nie habe ich sie gesehen! South End ist verbotenes Thema, bitte! Meine liebe Isabella, du hast dich noch gar nicht nach Mr. Perry erkundigt, und er vergißt dich nie . . .«

      »Ach ja, der gute Mr. Perry – wie geht es ihm, Sir?«

      »Nun, so leidlich, wenn auch nicht ganz gut. Der arme Perry hat’s an der Galle und hat keine Zeit, sich zu pflegen; er sagt, er hätte nie Zeit, sich selber zu pflegen, und das ist sehr traurig, aber er wird ständig in der Gegend ringsum gebraucht. Ich glaube, es gibt weit und breit keinen Mann mit einer so ausgedehnten Praxis. Freilich gibt es auch nirgendwo einen so klugen Mann.«

      »Und Mrs. Perry und die Kinder, wie geht es denen? Wachsen sie heran? Ich habe Mr. Perry in so gutem Andenken. Hoffentlich kommt er bald einmal her. Wie wird er sich freuen, meine Kleinen zu sehen!«

      »Ich hoffe, er spricht morgen hier vor, denn ich möchte ihm für mich selber ein oder zwei wichtige Fragen stellen. Mein Liebes, wenn er kommt, laß ihn vorsichtshalber Bellachens Hals untersuchen.«

      »Mein lieber Papa, ihr Hals hat sich so gebessert, daß ich mir darum kaum mehr Sorge mache. Entweder hat ihr das Baden so gutgetan, oder es liegt an einem ausgezeichneten Mittel zum Einreiben, das Mr. Wingfield ihr verordnet hat und das wir seit August ab und zu anwenden.«

      »Es ist nicht sehr wahrscheinlich, mein Liebes, daß ihr das Baden geholfen hat; und wenn ich gewußt hätte, daß du etwas zum Einreiben brauchst, hätte ich mit . . .«

      »Mir scheint, du hast Mrs. und Miss Bates ganz vergessen«, warf Emma ein; »nach ihnen hast du dich noch gar nicht erkundigt.«

      »Ach, die guten Bates! Ich schäme mich geradezu. Aber du erwähnst sie fast immer in deinen Briefen. Ich hoffe, sie sind wohlauf. Die gute alte Mrs. Bates, ich werde sie morgen besuchen und meine Kinder mitnehmen. Sie freuen sich immer so, meine Kinder wiederzusehen. Und die treffliche Miss Bates! So durch und durch brave Leute! Wie geht es ihnen, Papa?«

      »Nun, im ganzen recht wohl, mein liebes Kind. Aber die arme Mrs. Bates war vor einem Monat sehr erkältet.«

      »Wie tut mir das leid! Die Erkältungen scheinen noch nie so verbreitet gewesen zu sein wie in diesem Herbst. Mr. Wingfield sagte mir, ihm seien noch nie so viele und so schwere Fälle vorgekommen, außer bei einer regelrechten Influenzaepidemie.«

      »So war es vielfach, mein liebes Kind, wenn auch nicht in dem Maße, wie du sagst. Perry sagte, fast alle Welt sei erkältet gewesen, doch nicht so schwer, wie er es sonst oft im November erlebt hat. Perry meint, es sei im ganzen genommen nicht gerade so ungesundes Wetter gewesen.«

      »Nein, ich wüßte auch nicht, daß Mr. Wingfield es als besonders ungesund ansieht, außer daß . . .«

      »Ach, mein liebes Kind, in Wahrheit ist in London immer ungesundes Wetter. In London ist niemand gesund, kann es nicht sein. Es ist schrecklich, daß du gezwungen bist, dort zu leben! So weit weg! Und in so schlechter Luft!«

      »Aber nein, wo wir wohnen, ist die Luft durchaus nicht schlecht! In unserm Stadtteil ist sie soviel besser als in den meisten andern. Sie dürfen unsre Gegend nicht mit London im allgemeinen verwechseln, mein lieber Papa. Die Gegend von Brunswick Square unterscheidet sich sehr von der übrigen Stadt. Bei uns ist es wunderbar luftig! Ich gebe zu, ich möchte nicht gern in einem andern Viertel wohnen; es gibt kaum ein zweites, das mir für meine Kinder gut genug wäre, aber bei uns ist es besonders luftig! Mr. Wingfield hält die Umgebung von Brunswick Square entschieden für die günstigste, was die Luft angeht.«

      »Ach, mein Liebes, so gut wie in Hartfield ist sie doch nicht. Du machst das Beste draus, aber nach einer Woche in Hartfield seid ihr alle wie umgewandelt. Ich kann nicht behaupten, daß jetzt nur einer von euch gut aussieht.«

      »Es tut mir leid, das zu hören, Sir; aber glauben Sie mir, abgesehen von etwas nervösem Kopfweh und Herzklopfen, die ich nirgends ganz loswerde, fühle ich mich recht wohl. Und wenn die Kinder vorm Zubettgehen ziemlich blaß aussahen, liegt es nur daran, daß sie von der Reise und vor lauter Freude, herzukommen, ein bißchen übermüdet waren. Ich hoffe, morgen wird Ihnen ihr Aussehen besser gefallen, denn Mr. Wingfield hat mir doch gesagt, er glaube, uns niemals allesamt in so guter Verfassung weggeschickt zu haben. Hoffentlich finden Sie wenigstens nicht, daß Mr. Knightley schlecht aussieht« – und sie wandte ihre Augen mit liebevoller Besorgnis ihrem Manne zu.

      »Mittelmäßig, mein Liebes. Ich kann dir nicht schmeicheln. Ich finde Mr. Knightley weit davon entfernt, gut auszusehen.«

      »Was gibt’s, Sir? Sprachen Sie von mir?« rief Mr. Knightley, als er seinen Namen hörte.

      »Mein Vater findet leider, Sie sähen nicht wohl aus, aber hoffentlich ist es nur ein bißchen Müdigkeit. Trotzdem hätte ich, wie Sie wissen, gern gesehen, wenn Sie Mr. Wingfield vor Ihrer Abreise konsultiert hätten.«

      »Meine liebe Isabella«, rief er heftig, »ich bitte Sie, kümmern Sie sich nicht um mein Aussehen. Begnügen Sie sich damit, an sich und den Kindern ewig herumzudoktern und sich zu verpäppeln, und lassen Sie mich aussehen, wie ich will.«

      »Ich hab nicht ganz verstanden«, rief Emma, »was Sie Ihrem Bruder von Ihrem Freund Graham erzählten, der sich für sein neues Gut einen Verwalter aus Schottland kommen lassen will. Aber hat das Sinn? Wird das alte Vorurteil nicht zu stark sein?«

      In dieser Weise redete sie so lange und so erfolgreich drauflos, daß sie, als sie wieder nach ihrem Vater und ihrer Schwester hinüberhorchen mußte, nichts Verfänglicheres zu hören bekam als Isabellas freundliche Erkundigung nach Jane Fairfax; und wenn Emma auch sonst auf Jane Fairfax nicht gut zu sprechen war, im Augenblick stimmte sie herzlich gern Isabellas Loblied zu.

      »Die süße, liebe Jane Fairfax!« sagte Mrs. John Knightley. »So lange habe ich sie nicht gesehen, außer dann und wann einen Augenblick, wenn wir uns zufällig in London trafen. Wie glücklich werden ihre gute alte Großmutter und ihre treffliche Tante sein, wenn sie sie besucht! Um der lieben Emma willen tut es mir leid, daß sich Jane nicht öfter in Highbury aufhalten kann; aber Oberst Campbell und seine Frau werden jetzt, da ihre Tochter verheiratet ist, wohl überhaupt nicht mehr ohne Jane auskommen können. Sie wäre eine so entzückende Gefährtin für Emma.«

      Mr. Woodhouse stimmte allem bei, fügte aber hinzu:

      »Unsre kleine Freundin Harriet Smith ist aber auch eine hübsche junge Person. Harriet wird dir gefallen. Emma könnte keine nettere Gefährtin finden als Harriet.«

      »Das freut mich sehr. Nur weiß man von Jane Fairfax, wie fein und gebildet sie ist; und ebenso alt wie Emma.«

      Dieses Thema wurde mit Vergnügen ausgesponnen, andre von ähnlicher Wichtigkeit schlossen sich an und zogen gleichfalls in schönster Harmonie vorüber. Doch der Abend sollte nicht ohne eine neue kleine Aufregung zu Ende gehen. Die Hafergrütze kam und lieferte wiederum ergiebigen Gesprächsstoff: hohes Lob und lange Kommentare, die unangreifbare Feststellung, daß sie für jedermanns Konstitution bekömmlich sei, und einige recht strenge Philippiken gegen die vielen Häuser, wo sie nie genießbar zubereitet wurde. Unglücklicherweise aber mußte die Tochter als jüngstes und daher schlagendes Beispiel solchen Versagens ihre eigene Köchin in South End anführen, die man für diese Zeit gedungen hatte und die nie begreifen lernte, was ihre Herrin unter schöner, schlanker, dünner, doch nicht zu dünner Hafergrütze verstand. Wie oft hatte Isabella


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