Emma. Jane Austen

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Emma - Jane Austen


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sagte Mr. Woodhouse kopfschüttelnd und ließ seine Augen voll inniger Sorge auf seiner Tochter ruhen. In Emmas Ohren klang der Seufzer wie ›Ach, die traurigen Folgen eures Aufenthalts in South End sind ohne Zahl. Es ist zu quälend, darüber zu sprechen‹. Und eine Weile hoffte sie, er finge nicht davon an, und ein bißchen schweigendes Grübeln werde genügen, damit er wieder zum Genuß seiner eigenen schlanken Hafergrütze komme. Doch nach ein paar Minuten begann er abermals:

      »Ich kann nicht darüber hinwegkommen, daß ihr diesen Herbst an die See gegangen seid, statt hierher zu kommen.«

      »Aber warum nicht, Sir? Seien Sie sicher, es hat den Kindern sehr gutgetan.«

      »Und überdies, wenn ihr schon an die See gehen mußtet, dann lieber nicht nach South End. South End ist ein ungesunder Ort. Perry war überrascht, daß ihr euch für South End entschieden hattet.«

      »Ich weiß, viele Leute sind dieser Ansicht, aber sie sind wirklich ganz im Irrtum, Sir. Wir haben uns dort alle vollkommen gesund gefühlt, der Schlamm hat uns nicht im geringsten gestört, und Mr. Wingfield sagt, es sei völlig verkehrt, den Ort für ungesund zu halten; und auf ihn kann man sich doch verlassen, er weiß gründlich über die Luft dort Bescheid, und sein eigener Bruder ist wiederholt mit seiner ganzen Familie dort gewesen.«

      »Nach Cromer hättet ihr gehen sollen, mein Liebes, wenn überhaupt irgendwohin. Perry war einmal eine Woche lang in Cromer, er hält es für das beste aller Seebäder. Schöner, offener Strand, sagt er, und sehr reine Luft. Und soviel ich verstanden habe, hättet ihr dort eine Unterkunft weitab vom Meer gefunden, eine Viertelstunde entfernt und sehr behaglich. Ihr hättet lieber Perry konsultieren sollen.«

      »Aber mein lieber Papa, die weite Reise! Bedenken Sie doch nur, welch ein Unterschied. Hundert Meilen etwa statt vierzig.«

      »Ach, mein liebes Kind, wo es um die Gesundheit geht, sagt Perry immer, sollte nichts anderes mehr eine Rolle spielen, und wenn man schon reisen muß, ist es einerlei, ob vierzig oder hundert Meilen. Lieber sich überhaupt nicht von der Stelle rühren, lieber in London bleiben als vierzig Meilen reisen, um noch schlechtere Luft zu atmen. Das ist’s, was Perry sagt. Er fand es sehr unklug.«

      Vergebens hatte Emma versucht, ihren Vater zum Schweigen zu bringen; wenn er sich so verbiß, wunderte sie sich nicht, daß ihrem Schwager der Geduldsfaden riß.

      »Mr. Perry«, sagte er in sehr gereiztem Ton, »täte gut daran, seine Ansicht für sich zu behalten, bis er gefragt wird. Was geht es ihn an, was ich tue? Ob ich meine Familie an diesen oder jenen Teil der Küste bringe? Mir scheint, ich darf mir ebensogut ein Urteil erlauben wie Mr. Perry. Ich brauche seine Verordnungen so wenig wie seine Pillen.« Er hielt inne, fand sogleich seine Gelassenheit wieder und fügte nur mit trockenem Sarkasmus hinzu: »Wenn Mr. Perry mir verraten kann, wie ich mit meiner Frau und fünf Kindern hundertunddreißig Meilen ohne größere Unkosten und Strapazen zurücklegen kann als vierzig Meilen, will ich ebenso wie er lieber nach Cromer als nach South End gehen.«

      »Sehr richtig«, rief Mr. Knightley, um rasch zu vermitteln, »sehr richtig. Das ist freilich zu bedenken. – Aber John, um auf das zurückzukommen, was ich dir eben sagte, meine Idee, den Pfad nach Langham zu verlegen, ihn weiter rechts zu führen, damit er nicht durch die Hauswiesen schneidet – ich sehe da keine Schwierigkeit. Ich würde es nicht versuchen, wenn den Leuten von Highbury dadurch Unbequemlichkeiten erwüchsen; aber wenn du dir genau vor Augen hältst, wie der Pfad gegenwärtig verläuft . . . Doch das läßt sich einzig an Hand unserer Karten nachprüfen. Ich hoffe, ich sehe dich morgen früh in Donwell Abbey, dann wollen wir sie studieren, und du sagst mir, was du dazu meinst.«

      Mr. Woodhouse war ziemlich erregt über die rauhen Worte gegen seinen Freund Perry, dem er in Wirklichkeit, wenn auch unbewußt, manche seiner eigenen Ansichten und Äußerungen untergeschoben hatte. Aber die beschwichtigende Fürsorge seiner Töchter verscheuchte allmählich die Mißstimmung des Augenblicks, und die Brüder waren darauf bedacht, keine neue aufkommen zu lassen, der eine mit sprungbereiter Wachsamkeit, der andre, indem er sich besser im Zaume hielt.

      Dreizehntes Kapitel

      Es konnte kaum einen glücklicheren Menschen geben als Mrs. John Knightley während dieses kurzen Besuchs in Hartfield. Jeden Morgen machte sie mit ihren fünf Kindern bei ihren alten Bekannten die Runde, und jeden Abend plauderte sie darüber mit ihrem Vater und ihrer Schwester. Es blieb ihr nichts andres zu wünschen übrig, als daß die Tage nicht so schnell vorübergingen. Es war eine herrliche Zeit – vollkommen, weil viel zu kurz.

      Im allgemeinen waren sie abends weniger mit Freunden zusammen als vormittags, aber wenigstens einer Dinnergesellschaft, noch dazu außer Hause und am Weihnachtsabend, konnten sie nicht entgehen. Mr. Weston wollte von einer Absage nichts wissen, einmal mußten sie alle zum Essen nach Randalls kommen. Selbst Mr. Woodhouse machte sich nach reiflicher Überlegung mit dem Gedanken vertraut mitzugehen, um sich nicht von seiner Familie zu trennen.

      Es war ihm nicht einmal vergönnt, sich über die Schwierigkeiten der Beförderung zu verbreiten; da auch Wagen und Pferde der jungen Knightleys sich zur Zeit in Hartfield befanden, mußte er es bei einer einfachen Frage bewenden lassen, die sich nicht einmal zu einem Zweifel verstieg. Emma brauchte nicht lange, um ihn davon zu überzeugen, daß sich in einem der Wagen auch Platz für Harriet finde.

      Nur Harriet, Mr. Elton und Mr. Knightley, ihre besonderen Freunde, waren mit ihnen eingeladen, und zu früher Stunde; man richtete sich in allem nach Mr. Woodhouses Gewohnheiten und Neigungen.

      Am Abend vor diesem großen Ereignis (denn es war ein sehr großes Ereignis, daß Mr. Woodhouse auswärts speiste, und gar am 24. Dezember) war Harriet in Hartfield gewesen und mit einer schweren Erkältung nach Hause gegangen. Nur auf ihren dringlichen Wunsch, sich von Mrs. Goddard pflegen zu lassen, hatte Emma sie schließlich gehen lassen.

      Sie besuchte Harriet am nächsten Tage und fand ihr Schicksal, was Randalls betraf, schon besiegelt. Sie fieberte und hatte eine schlimme Halsentzündung. Mrs. Goddard umsorgte sie liebevoll. Man sprach davon, Mr. Perry zu holen, und Harriet selber war zu krank und matt, um sich gegen die Autorität aufzulehnen, die sie von der herrlichen Einladung ausschloß, doch konnte sie von dieser Enttäuschung nur mit einem Strom von Tränen sprechen.

      Emma saß bei ihr, solange sie konnte, um sie während Mrs. Goddards unvermeidlichen Abhaltungen zu betreuen und ihre Stimmung zu heben, indem sie ihr vorstellte, wie niedergeschlagen Mr. Elton sein würde, wenn er hörte, wie es ihr ging; und als Emma sich schließlich verabschiedete, war Harriet einigermaßen beruhigt und wiegte sich in dem süßen Trost, daß ihm ein trostloser Abend bevorstand und alle sie sehr vermissen würden. Emma war kaum ein paar Schritte von Mrs. Goddards Tür entfernt, als sie Mr. Elton selber begegnete, der offenbar darauf zusteuerte, und als sie langsam zusammen weitergingen und sich über die Kranke unterhielten – nach der er sich auf das Gerücht hin, daß es ihr sehr schlecht gehe, erkundigen wollte, um in Hartfield über sie zu berichten –, wurden sie von Mr. John Knightley eingeholt, der mit seinen beiden ältesten Söhnen von seinem täglichen Besuch in Donwell zurückkam; die gesunden, glühenden Gesichter der Buben zeigten, wie wohl ihnen der Spaziergang über Land getan hatte, und verhießen dem Hammelbraten und Reispudding, zu dem sie heimeilten, ein rasches Ende. Gemeinsam setzten sie ihren Weg fort. Emma beschrieb gerade die Beschwerden ihrer Freundin: stark entzündeter Hals, sehr erhöhte Temperatur, zu schneller matter Puls, usw., und leider habe sie von Mrs. Goddard erfahren, daß Harriet sehr zu schweren Halsentzündungen neige und ihr schon oft damit Sorge gemacht habe. Mr. Elton zeigte sich denn auch gebührend besorgt, indem er ausrief:

      »Eine Halsentzündung! Hoffentlich nicht ansteckend, nicht die eitrige, infektiöse Art. Hat Perry sie untersucht? Sie sollten wirklich nicht weniger an sich selber denken als an Ihre Freundin. Ich bitte Sie, setzen Sie sich keiner Gefahr aus! Warum sieht Perry nicht nach ihr?«

      Emma, die für sich gar nichts befürchtete, beschwichtigte diese übertriebene Ängstlichkeit, indem sie auf Mrs. Goddards Erfahrung und Pflege hinwies. Doch lag ihr gar nicht daran, ihm seine Besorgnis gänzlich auszureden; um sie vielmehr zu steigern und zu nähren, fügte sie bald darauf hinzu, als habe es damit nichts zu tun:

      »Es


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