Ego-State-Therapie bei Traumafolgestörungen. Kai Fritzsche

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Ego-State-Therapie bei Traumafolgestörungen - Kai Fritzsche


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Durch meine therapeutische Arbeit und Lehrtätigkeit befindet sich meine Konzeption der Ego-State-Therapie »in Bewegung« und wird durch viele Impulse beeinflusst. Insofern stellt die Orientierung im Bereich der Ego-State-Therapie auch eine Aktualisierung dar.

      Der größte Teil des Buches, der zweite Teil, ist der praktischen Anwendung gewidmet. Zunächst wird die Grundkonzeption zur Behandlung von Traumafolgestörungen mit Ego-State-Therapie erläutert. Anschießend werden fünf verschiedene Interventionen vorgestellt. Die einzelnen Kapitel werden durch Übersichten, Checklisten, Interventionsbeispiele und Verweise auf Alternativen ergänzt. Für jede der fünf Interventionen wird jeweils eine Struktur angegeben, die einen Überblick über die Behandlungsschritte ermöglicht. Die Strukturen bieten einen Leitfaden für die Praxis, eine Unterstützung der Umsetzung im therapeutischen Alltag sowie eine Modifikationshilfe für die Anpassung an die Besonderheiten des jeweiligen Behandlungsfalls. Zusätzlich wurden Fallbeispiele eingefügt, die die Arbeit in der Praxis verdeutlichen. Die Grenzen des Gesamtumfangs des Buches reglementierten die Anzahl und Ausführlichkeit der Fallbeispiele. Die Erläuterung der einzelnen Behandlungsschritte hatte zunächst Vorrang. Aus diesem Umstand ergab sich bereits die Idee für ein weiterführendes Projekt, in dem Skripte, Fragen, Beispiele und Spezifika einzelner Traumafolgestörungen weiter vertieft werden.

      Ich habe mich in diesem Buch für eine Sprache entschieden, mit der ich Sie, liebe Leserin und lieber Leser, häufig direkt anspreche. Das hat mit meinem Bedürfnis zu tun, Ihnen zu begegnen, vielleicht so, als würden Sie sich in einem meiner Seminare befinden. Ich werde also die erste Person nutzen, ich werde Sie direkt ansprechen und nur teilweise die indirekte Rede verwenden. Hinsichtlich der Gender-Frage habe ich mich für die Variante der abwechselnden Verwendung der weiblichen und männlichen Form entschieden.

      Wenn ich ein Buch über die Ego-State-Therapie zur Behandlung von Traumafolgestörungen schreibe, bin ich natürlich auch mit meinen eigenen Ego-States konfrontiert, die bei einem solch umfangreichen Projekt nicht lange auf sich warten lassen und mich während der Zeit des Schreibens begleiten. Als Erstes ist hier ein Anteil zu nennen, der meine Begeisterungsfähigkeit und Neugier repräsentiert. Ergreift anscheinend auf jede Idee zu, lässt sie nicht mehr los und möchte sie kreativ umsetzen. Als Nächstes tritt ein Anteil hervor, der sich als Anwalt für die Beziehung zu meinen Patientinnen und Patienten und letztlich insgesamt zu anderen Menschen versteht. Dieser Anteil sorgt für die vielen Begegnungen während des Entstehungsprozesses dieses Buches. Er scheucht mich sozusagen aus dem Kämmerchen und bringt mich mit anderen Menschen zusammen. Er ließ das Schreiben zu einem äußerst interaktiven Erlebnis werden. Natürlich meldet sich auch der Anteil, der sich als Experte für Ego-State-Therapie einschätzt. Er erscheint als Trainer, Lehrer und Therapeut. Offensichtlich hat er einen pädagogischen Anstrich, hat Freude am Unterrichten und ergreift Partei für die Patientinnen und Patienten, denen er gerecht werden will. Und schließlich zeigt sich ein strenger Kritiker, der wohl ziemlich hohe Ansprüche hat und natürlich kaum zufriedenzustellen ist. Wie Sie sehen, ist selbst im stillen Kämmerchen einiges los. Diese Vielfalt hat sich offensichtlich als konstruktiv herausgestellt. Sonst wäre das Buch nicht vollendet worden.

      Viele Menschen haben den Entstehungsprozess begleitet. Ihnen allen bin ich sehr dankbar. Den größten Anteil haben meine Patientinnen und Patienten aus den vielen Jahren meiner psychotherapeutischen Tätigkeit. Von ihnen lernte ich am meisten. Sie bringen mich immer wieder in die ambulante psychotherapeutische Realität zurück und fordern mich auf, mich weiterzuentwickeln. Ebenso bin ich für die vielen Diskussionen mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern meiner Seminare, Workshops und Supervisionen dankbar. Sie fragen nach. Sie wünschen sich überzeugende Konzepte und praktikable Werkzeuge. Sie weisen mich auf Lücken und Unklarheiten hin und helfen mir dadurch außerordentlich, nicht vom Wege abzukommen. Dr. Richard Huybrechts und Susanne Wirtz bin ich für ihre wichtige inhaltliche Mitarbeit dankbar. Ihre Hinweise zu den Texten waren für mich sehr wertvoll. Dr. Andrea Curio und Dr. Michael Siebers danke ich für die vielen konzeptionellen Anregungen, die meine Arbeit überaus bereichern und in dieses Buch eingeflossen sind. Meiner Tochter Nele bin ich dankbar für die Unterstützung bei sprachlichen Fragen. Meiner Frau Berit danke ich für die endlose Geduld und wichtige Unterstützung dieses Projekts, das neben meiner Praxis- und Seminartätigkeit entstand. Meinem Sohn Claas danke ich für sein Verständnis angesichts meiner ausgeprägten Absorption während des Entstehungsprozesses. Nicht zuletzt danke ich Dr. Ralf Holtzmann, Dipl.-Inform. Veronika Licher und dem Team des Carl-Auer Verlags für das Vertrauen, das mir entgegengebracht wird, und die bestärkende und wohltuende Zusammenarbeit.

       Kai Fritzsche Berlin, im März 2020

Teil 1 – Orientierung

       1Erster Kontakt mit der Thematik der Traumafolgestörungen

      Wenn ich heute an den ersten Kontakt mit meinem Berufsleben als Psychotherapeut, an die Anfänge meiner psychotherapeutischen Laufbahn in der Universitätsambulanz für Psychodiagnostik und Psychotherapie der Humboldt-Universität zu Berlin zurückdenke, dann staune ich darüber, wie meine damaligen Patientinnen und Patienten trotz meiner Behandlung gesund wurden. Hochmotiviert, enthusiastisch, man könnte auch sagen etwas hypomanisch und unwissend stürzte ich mich mit meinen Rettungsfantasien förmlich auf sie, sodass ihnen, falls sie sich für ein Verbleiben in der Therapie entschieden hatten, nur eine Chance blieb, die darin bestand, möglichst schnell gesund zu werden.

      Den glücklichen Verlauf meiner weiteren beruflichen Entwicklung habe ich vor allem drei Umständen zu verdanken:

      1)Die Patienten hatten Geduld mit mir und unterstützten mich in meinen Bemühungen, indem sie mir behilflich waren, ihnen angemessen zu helfen. Ihnen habe ich am meisten zu verdanken und ohne sie könnte ich heute nicht dieses Buch schreiben. Meine Patientinnen und Patienten forderten mich. Sie brachten mich wieder auf den Boden, sie zeigten Verständnis für meine Naivität und sie schenkten mir ihr Vertrauen, das größte Geschenk, das ihnen möglich war.

      2)Ich hatte das Glück eines wohlwollenden und verständnisvollen Supervisors, der meine Bemühungen richtig einzuschätzen vermochte und eine wunderbar wertschätzende Art besaß, mich auf die Gefahren meines Tuns sowie auf angemessene psychotherapeutische Wege hinzuweisen, ohne meine Motivation zu bremsen.

      3)Ich war fasziniert von der Begegnung mit Menschen. Ihre Geschichte interessierte mich und das spürten sie. Ich wollte verstehen, mitfühlen, Ideen bekommen. Ich wollte mit ihnen ein Stück des Weges gemeinsam gehen, mal einen Schritt voraus, mal einen Schritt hinterher und möglichst häufig genau neben ihnen. Ich wollte mich auf ihre Seite schlagen, was einerseits unmöglich schien, was sie andererseits unbedingt brauchten. Ich suchte mit ihnen gemeinsam nach Bewältigungsschritten, bildete mit ihnen ein Team, das meiner Vorstellung nach durch dick und dünn ging, und versorgte sie mit Zuversicht.

      Seitdem ist viel Zeit vergangen und ich hatte reichlich Gelegenheit zu lernen, nicht nur von meinen Patientinnen und Patienten, sondern auch aus einem riesigen Wissensfundus all derer, die sich mit dem Thema des Verstehens von psychischen, physischen und sozialen Prozessen in Zusammenhang mit Traumatisierungen und mit den Behandlungsmöglichkeiten von Traumafolgestörungen beschäftigten und noch immer beschäftigen. Ich werde natürlich nicht alle zitieren können, die mich in meiner Arbeit beeinflusst haben. Ich werde jedoch versuchen, so viele Verweise unterzubringen, wie es möglich ist.

      In meinen Seminaren und Vorträgen werde ich häufig gefragt, wie ich es aushalten würde, mich den ganzen Tag mit Traumatisierungen zu beschäftigen. Die Antwort fällt mir nicht schwer: Ich beschäftige mich nicht den ganzen Tag mit Traumatisierungen. Ich habe das Glück, mich den ganzen Tag Menschen widmen zu können. Diese sind mehr als ihre traumatischen Erfahrungen, deutlich mehr. Trotz der Nähe zum Schrecken, zu Ohnmacht, Hilflosigkeit, Bedrohung und Gewalt freue ich mich auf die Begegnung mit diesen Menschen.

      Ich bin ihnen auch dankbar dafür, dass sie mit mir arbeiten und mir meine Ecken und Kanten ebenso verzeihen können wie meine Fehler.

      Bereits bei meinem ersten Kontakt mit dem Berufsleben als Psychotherapeut begegnete ich Menschen, die


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