Gesammelte Werke. Ricarda Huch

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Gesammelte Werke - Ricarda Huch


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Er werde das Heilige Grab gewinnen, werde das Recht wiederherstellen, er werde nur den siebenten Teil der Pfaffen bestehen lassen, die Klöster zerstören und die Nonnen verheiraten, daß sie Wein und Korn bauten; dann würden gute, glückliche Jahre kommen. Es waren Wünsche aus dem Herzen des niederen Volkes. Aus solchen Kreisen war auch der falsche Friedrich gekommen, kamen auch die meisten seiner Anhänger und diejenigen, die nach seinem Tode dieselbe Rolle zu spielen versuchten. Einer von ihnen, der behauptete, er sei aus der Asche des vor Wetzlar Verbrannten erstanden, wurde in Utrecht erhängt, ein anderer in Lübeck ertränkt. Im Jahre 1295 wurde in Eßlingen der letzte falsche Friedrich verbrannt.

       Inhaltsverzeichnis

      Im Jahre 1306 verfaßte ein französischer Schriftsteller namens Pierre Dubois, Jurist und Politiker, ein Buch über die Wiedereroberung des Heiligen Landes. Darin sprach er davon, daß die Bedingung dieses Unternehmens der Friede in der Christenheit sei, und wie derselbe hergestellt werden könne. Das Weltkaisertum, wie es bisher bestanden habe, sei eine verjährte Einrichtung und überhaupt abzulehnen; dagegen dachte er an ein internationales, aus Prälaten und Fürsten bestehendes Schiedsgericht, ein Konzil, das auf Wunsch des französischen Königs vom Papst einberufen werden und auf dem Boden Frankreichs sich versammeln solle. Die das Konzil bildenden Prälaten und Fürsten sollten von der Lehre des Thomas von Aquino ausgehen, daß der Krieg nur dann berechtigt sei, wenn er den Frieden zum Ziel habe, und jeder, der sich dem Frieden widersetze oder den Kämpfenden Waffen liefere, solle zur Strafe seines Eigentums beraubt und nach dem Heiligen Lande geschickt werden. War bei diesem Plan dem König von Frankreich schon eine bedeutende Rolle zuerteilt, so verriet Dubois in einem folgenden Buche, daß er das Imperium auch von einer ganz anderen Seite betrachten konnte: er riet nämlich darin seinem Monarchen, sich selbst vom Papst zum Kaiser krönen zu lassen und noch dazu die Würde in seiner Familie erblich zu machen. Das also verbarg sich hinter der Ablehnung der mittelalterlichen Idee des Weltkaisertums: die verderbliche Universalmonarchie wurde zu einer löblichen Einrichtung, sowie der König von Frankreich ihr Träger wäre. Die Eifersucht, daß nicht die Westfranken, sondern die Ostfranken Nachfolger Karls des Großen geworden waren, war immer eine Triebfeder der französischen Politik gewesen; sie wurde es vollends, als Frankreich ein einheitlicher mächtiger Staat zu werden begann, während das Deutsche Reich in zahllose Einzelteile auseinanderzufallen drohte. Was den König von Frankreich verhinderte, die Suprematie über Europa an sich zu reißen, war der Gegensatz zu England, den die Deutschen benützen konnten, was allerdings auch dazu beitrug, die Spaltung im Reich offenbar zu machen. Einen bedeutenden Schritt auf der eingeschlagenen Bahn tat der französische König, indem er den Papst seinem Einfluß unterwarf und es sogar dahin brachte, daß der Papst seine Residenz nach Avignon, auf französischen Boden verlegte. Seit die Staufer Sizilien an sich gebracht und dadurch die Päpste des Schutzes der Normannen beraubt hatten, suchten sie Zuflucht bei Frankreich, bekämpften sie die deutschen Kaiser mit französischer Hilfe; daß sie in Avignon in gänzliche Abhängigkeit von Frankreich gerieten, das bedrückte sie nicht, weil sie, dafür sorgte der König, Franzosen waren.

      Johann XXII., der im Jahre 1316 auf Betreiben des Königs von Frankreich zum Papst gewählt wurde, war der Sohn eines Schusters von Cahors, ein nicht gewöhnlicher Mann. Schon die zähe Lebenskraft, die den damals 72jährigen zu unermüdlicher Tätigkeit anspornte, war etwas Außerordentliches. Besonders beschäftigte er sich mit gelehrten theologischen Problemen und mit dem Aufspüren neuer Einnahmequellen. Seit die Päpste das Kirchenwesen in Rom zentralisiert, alle Rechtsfragen, Beschwerden, Anliegen der ganzen Christenheit an sich gezogen hatten und dadurch ein ungeheurer geschäftlicher Apparat notwendig geworden war, brauchten sie mehr und mehr Geld, das, da bei der Abneigung der mittelalterlichen Menschen gegen regelmäßige Steuern solche nicht zu erlangen waren, auf Umwegen beigebracht werden mußte. Wenn die verschiedenen Abgaben, die bei verschiedener Gelegenheit geleistet werden mußten, nicht genügten, wurde für Kreuzzüge gesammelt, die niemals stattfanden; damit war namentlich Johann XXII. erfolgreich. Nach seinem Tode fanden sich im päpstlichen Schatz 18 Millionen Goldgulden in Münzen und 7 Millionen in Edelsteinen und edlen Metallen. Ebensolche Fortschritte hatten die Päpste infolge der Nachgiebigkeit Rudolfs von Habsburg in der Ausdehnung ihrer Herrschaft über Italien gemacht. Clemens V. stellte die Behauptung auf, bei Erledigung des Kaisertums stehe die Reichsregierung in Italien den Päpsten zu; konnte er es nicht beweisen, so konnte er doch danach handeln. Daß er Robert von Anjou, einen Enkel jenes Karl, der den letzten Staufer hatte enthaupten lassen, zum Reichsstatthalter ernannte, kam einer Kriegserklärung gleich. Robert von Anjou nahm keinen Anstand, offen auszusprechen, daß das römisch-deutsche Reich durch Gewalt entstanden sei und daß so Entstandenes keine Dauer haben könne; auch seien die Deutschen mehr Barbaren als Christen, die mit den Franzosen nicht übereinstimmen und mit den Italienern sich nicht vertragen könnten. Johann XXII. gesellte den Grafen Philipp von Valois, späteren König von Frankreich, dem Anjou als Unterreichsverweser bei. Als sich diesen Kreaturen des Papstes in Oberitalien die Ghibellinen widersetzten, verhängte er über ihren Führer, Mattes Visconti, den Bann, erklärte ihn als Ketzer und ließ das Kreuz gegen ihn predigen.

      Zweimal kamen in dieser Zeit Könige zur Regierung, die fähig und willens waren, die Rechte des Reiches energisch zu wahren; aber Albrecht von Habsburg wurde im Jahre 1308 ermordet, und Heinrich VII., ein geborener Graf von Luxemburg, erlag nach kurzer Regierung in Italien einer Krankheit. Nach seinem plötzlichen Tode spalteten sich im Reich die Wähler, die einen wählten Friedrich den Schönen, Herzog von Österreich, die anderen den Wittelsbacher Ludwig, Sohn Ludwigs des Strengen, beide Enkel Rudolfs von Habsburg. Das Äußere Ludwigs von Bayern ist uns von einem Italiener genau beschrieben: er hatte eine hohe schlanke Gestalt, rötlichblondes, etwas spärliches Haar, eine gebogene Nase, schöne, glänzende braune Augen, lebhafte Farben, einen raschen Gang, und sein Gesicht schien immer zu lächeln. So stellte er wohl einen deutschen Kaiser dar, aber doch mit einer leichten Verzerrung, wie ja auch das Reich, dessen Namen er trug, dasselbe und doch nicht dasselbe war. Das Lächeln, das auf seinem Gesicht heimisch war, drückte nicht den Stolz des Edlen aus, der auch dem widrigsten Schicksal heiter begegnet, sondern die Sorglosigkeit eines oberflächlichen Gemütes, das den Schritt des Schicksals nicht vernimmt. Nicht, daß er sich mit den Flittern des Lebens vertändelt hätte: er hatte Lust zu großen Dingen und schwang sich leicht zu kühnen Unternehmungen auf; aber nichts wurzelte so tief in seiner Seele, daß Tropfen Blutes daran hängengeblieben wären, wenn er es ausreißen mußte. Er war liebenswürdig und lebensprühend, wenn er seine Frau umfaßte und hoch in die Luft schwang oder wenn er einem Herrn von Westerburg, der ein etwas trotziges Liebes gedieht gemacht hatte, auftrug, es der Dame freundlicher zu machen und ihn lobte, als er es »gebessert« hatte. Sicherlich hatte er seinen Vetter und Gegenkönig lieb, und es war aufrichtige Großmut darin, als er ihn aus der Gefangenschaft entließ, um seinen Thron wie ein Bruder mit ihm zu teilen; nur war er ebenso bereit, einen anderen Schachzug zu tun, als es ihm angeraten wurde. Er war persönlich tapfer und voll Schwung in der Schlacht; aber wenn er siegte, hatte er nichts davon. Er wisse die Vögel zu fangen, aber nicht zu rupfen, sagte man von ihm. Einst, während einer Fehde mit dem verfeindeten Bruder, soll er in ein Dorf gesprengt sein, mit eigener Hand den Brand hineingeworfen haben, was eigens dazu angestellte, sogenannte Brenner zu tun pflegten, und als die Flammen hoch aufschlugen, laut gejubelt haben. Es war ein prächtiges Bild und ein ganz erfüllter Augenblick, den er froh genoß. Nachdem sein Gegner in der Schlacht bei Mühldorf besiegt war, zog er über die Alpen nach Mailand und empfing dort die Krone Italiens. Nach deutscher Auffassung wurde eine strittige Königswahl durch den Sieg des einen der Erwählten entschieden; infolgedessen durfte sich Ludwig als rechtmäßiger König betrachten. Der Papst hingegen stellte sich auf den Standpunkt, daß der König nicht König sei, bis der Papst ihn bestätigt habe, daß infolgedessen der Thron vakant sei und, weil während einer Vakanz die Regierung ihm zustehe, Ludwig keine Regierungshandlung ausüben dürfe; außerdem habe Ludwig keine Verbindung mit dem gebannten Visconti eingehen dürfen. Gegen den Prozeß, den der Papst an den Türen des Domes von Avignon anschlagen ließ, protestierte Ludwig im Dezember 1323 vor Notar und Zeugen. Er sagte in dem Protest, es sei seit undenkbaren Zeiten in Deutschland Brauch, daß der von den Kurfürsten oder deren Mehrheit Erwählte und Gekrönte eben dadurch römischer König


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