Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3). Ricarda Huch

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Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3) - Ricarda Huch


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Er wurde durch die Schritte und Reden verschiedener Männer geweckt, die sein Zimmer betraten und unter denen er die vermummte Gestalt des Henkers erkannte. Ob es schon Zeit sei? fragte er; man hätte ihn länger schlafen lassen können. Es sei sechs Uhr, wurde ihm geantwortet, um sieben müsse alles vorbei sein. Der Jesuitenpater, der ein Kruzifix trug, nickte ihm zu und schien ihm etwas sagen zu wollen; allein er beachtete es nicht, plötzlich von einem durchdringenden Widerwillen und Zorn erfaßt. Auf seine laute Frage, ob des Kaisers Majestät davon unterrichtet sei, daß jetzt sein Haupt fallen solle, antwortete einer der anwesenden Richter, es geschehe alles auf Befehl des Kaisers. Rußworm stutzte; es drängte ihn, das Fenster aufzureißen und die Vorübergehenden um Rettung anzurufen, der Kaiser werde sie dafür belohnen. Nicht möglich schien es ihm, nicht möglich, daß der Kaiser ihn verließe!

      Draußen war es noch dunkel, in das Zimmer fielen rote Lichter von den Fackeln, die die Wächter hielten. Das Gefühl, es beobachteten ihn höhnende Blicke und weideten sich an seiner Todesfurcht, ließ ihn sich fassen; er richtete sich stolz auf und bat die Anwesenden, seinen Abschiedsworten Gehör zu schenken.

      Der Tod sei ihm erwünscht, sagte er ruhig, durch den er die zahlreichen Sünden seines Lebens büße. Wolle der Henker ihm die befleckte Hand abhauen, bevor er ihm das Haupt vom Rumpfe trennte, so werde er es ihm danken. Nicht als ob er am Tode des Herzogs von Mercoeur schuldig sei; auch den Belgiojoso habe er nicht getötet, vielmehr habe der ihm nachgestellt und sei in die Grube gestürzt, die er ihm zum Falle gegraben habe.

      Er wurde lebhafter und sprach schneller und lauter. Noch weniger, fuhr er fort, habe er sich jemals gegen das Haupt des Römischen Reiches, den Kaiser, verfehlt. Ja, er sei neidisch und rachsüchtig gewesen, habe wüst mit Weibern gewirtschaftet; aber den Kaiser habe er verehrt wie einen Vater und Herrn, der Traum seiner Jugend wie das Ziel seiner Manneskraft sei gewesen, sein Leben auf dem Schlachtfeld für den Kaiser zu wagen. Er habe die Feinde nie gefürchtet, die von außen die Macht des Kaisers angegriffen hätten, noch die im Innern des Reiches sein Diensteifer gereizt hätte. Heilig über alles sei ihm der Kaiser gewesen, Huld und Lohn hätte er von ihm verdient; anstatt dessen gebe er ihn dem Henker preis. Zu spät werde er ihn zurückwünschen, er werde keinen finden, der ihm so ergeben sei wie er. Niemand werde ihn vor den Verrätern schützen, die ihn umringten, verlassen werde er sterben, arm und einsam wie ein heimatloser Bettler.

      Während einige von Rußworms Rede erschüttert waren, machte der Vorsitzende des Gerichtes Miene, seine Lästerungen gegen die kaiserliche Majestät zu unterbrechen; indessen legte der Jesuit die Hand auf seinen Arm und hielt ihm mit traurigem Blick das Kruzifix entgegen. In Rußworms Zügen ging eine jähe und schreckliche Veränderung vor; er riß das Kreuz dem Geistlichen aus der Hand, drückte es an die Lippen und an das Herz und rief aus, indem er sich auf die Knie warf: »Mein Heiland Jesus Christus, vergib mir; ich sterbe gern als ein Sünder zu deinen Füßen.« In dieser Stellung verharrte er schweigend, bis der Streich fiel, der ihn mit eins tötete.

      Dieselbe Nacht war dem Kaiser unruhig verlaufen. Abends hatte er mit Philipp Lang, ein paar Malern und Frauen beim Weine gesessen, bis er plötzlich müde wurde und zu Bett verlangte. Er wachte aber nach kurzem Schlaf wieder auf und wurde, je länger er sich schlaflos hin und her warf, desto aufgeregter. Philipp Lang, den er zu sich rufen ließ, durchschaute, daß er gern von Rußworm gesprochen hätte, aber nicht selbst anfangen mochte, und erzählte scheinbar beiläufig, der Verurteilte habe seine Schuld eingesehen und sich reumütig auf den Tod vorbereitet.

      »Er ist ein trotziger Mensch«, sagte der Kaiser. »Warum hat er meine Gnade nicht angerufen, da ich ihm doch immer ein milder Herr gewesen bin?« Er sei sich wohl bewußt gewesen, daß er sie nicht verdient habe, meinte Lang; auch habe er niemand außer sich selbst geachtet.

      Er sei auch tüchtig gewesen, sagte der Kaiser. Ja er habe ihm Glück gebracht. Jetzt sei er von Verrätern umgeben und wisse nicht, wem er trauen solle.

      Lang nannte diesen und jenen, der Rußworm weit überlegen sei, und führte Beispiele von dem verwahrlosten Zustande an, in den das Heer unter ihm geraten sei. Er habe nur den Vorzug plumper Tapferkeit besessen; der verstorbene Schwarzenberg habe stets an ihm getadelt, daß er alles besser wissen wolle als die anderen, daß aber seine Pläne unausführbar seien.

      »Einer beneidet den anderen, und einer mißtraut dem anderen«, sagte Rudolf. »Sie haben es im Grunde alle nur auf mein Geld abgesehen.«

      Wenn der Kaiser wollte Gnade walten lassen, sagte Lang vorsichtig, so könne niemand ihn an der Ausübung dieses göttlichen Rechtes hindern, wenn es hie und da auch böses Blut machen werde.

      »Ich habe niemand als dich,« sagte Rudolf klagend, »diejenigen, die mich ehren und lieben sollten, trachten nach meinem Leben. Mag der Rußworm übrigens sein, wie er will, er war mir ergeben und war deshalb meinem Bruder Matthias im Wege, der ihn verleumdete. Sie haben es darauf abgesehen, daß ich in ihm mich selbst opfere.« Er stand vom Bett auf und ging, auf Lang gestützt, im Zimmer auf und ab, das ein trübes Nachtlämpchen erhellte. Indessen kroch der Morgen an das Fenster; mit fiebrigen Augen sah der Kaiser zu, wie sich unten die Dächer und Türme spitz und fröstelnd in das kahle Zwielicht zu bohren begannen.

      Wäre Rußworm der kaiserlichen Majestät so ergeben gewesen, sagte Lang, so hätte er nicht dermaßen frevelhafte Reden über sie führen sollen, wie viele gehört hätten; freilich sei er ja noch jung, und im Rausche könne man die Worte nicht wägen, Gnade sei immer wohl angewandt; wenn der Kaiser es wolle, so werde er schleunig einen Boten mit der Begnadigung auf das Rathaus schicken. Eile tue jetzt not, fuhr er fort, da Rudolf, sichtlich erleichtert, doch noch ein wenig zauderte, mit Tagesanbruch solle ja die Hinrichtung vollzogen werden; worauf er geschäftig die nötigen Anordnungen traf und dem Boten einschärfte, zu laufen, so schnell ihn seine Beine trügen. Als derselbe vor dem Rathause ankam, wurde eben der in schwarze Tücher gewickelte Körper des Gerichteten auf einen Wagen geladen, um aus der Stadt geschafft zu werden.

      Dieser Mißerfolg erschütterte den Kaiser im ersten Augenblick nicht sonderlich; denn er hatte sich inzwischen vorgestellt, was für unbequeme Folgen sein Eingriff nach sich ziehen könnte und wie Rußworm vielleicht über seine Schwäche prahlen und ihn heimlich auslachen würde. Schon am selben Abend jedoch kam die Beängstigung wieder, und es gewann den Anschein, als sollte die Melancholie, die man schon überwunden glaubte, sich des Kaisers von neuem bemächtigen.

      Der junge Maximilian von Bayern war zäh, schlau und herrschsüchtig, verstieg sich in seinen Plänen aber nie zu hoch, sondern zügelte sie mit Geduld und Vorsicht und wußte seinen Hochmut sehr wohl mit einer scheinbaren Unterordnung unter die Jesuiten zu vereinen, die jedoch bald merkten, daß ihre Macht über ihn nicht weiter ging, als sein Vorteil zuließ oder etwa als ihr Verstand es über den seinigen davontrug. Das Äußere betreffend, war er gut gewachsen und hatte ein hübsches, regelmäßiges Gesicht, das freilich die Weichheit der Jugend früh verlor; seine Sinnlichkeit war feurig, und es konnte nicht fehlen, daß er in Liebesangelegenheiten geriet, denen er sich mit Leidenschaft hingab. Sein Beichtvater, dem bei den häufigen Gesprächen, die er mit Maximilian führte, diese Vorgänge nicht verborgen blieben, beschränkte sich zuerst auf die Warnung, der Prinz solle Meister seiner Gefühle zu bleiben suchen. Nach einer Weile ließ er sich häufiger darüber aus, was für Pflichten ein katholischer Regent in bezug auf die Weiber, insbesondere seine Ehefrau habe; er sei nämlich für ihr Betragen verantwortlich und müsse sie so ziehen und halten, daß sie zu keinem Tadel, vielmehr zum Lobe Anlaß gebe. Vor allen Dingen dürfe er ihr keinen Einfluß auf die Regierungshandlungen gestatten, denn für diese müsse hauptsächlich der Wille Gottes und das Wohl der Kirche, teils aber auch die sogenannte raison d'état oder Staatsvernunft maßgebend sei. Es sei deshalb notwendig, daß kein weiblicher Einfluß, wie er im Ehebett sich allzu leicht geltend mache, sich eines Fürsten bemächtige und daß in seinen Verhältnissen zu den Weibern die Neigung zurücktrete. Die fleischlichen Triebe, die der Natur des Menschen anhafteten, dürften wohl befriedigt werden, aber es dürfe kein Verhältnis daraus erwachsen, das sein Fühlen und Denken dauernd in Anspruch nähme.

      Zum ersten Male bemerkte der Beichtvater, daß sein sonst so williger Schüler ihm schweigend widerstrebte, weshalb er sich entschloß, die Gefahr, die sich hier entwickeln konnte, nachdrücklich zu bekämpfen. Er sprach eingehend über die Beschaffenheit


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