Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3). Ricarda Huch

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Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3) - Ricarda Huch


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konnte.

      Bei wiedererlangter Nüchternheit pflegte der Pfalzgraf Anwandlungen von Reue über die verübten Exzesse zu haben, besonders seit er dem vom Landgrafen Moritz bei Gelegenheit eines Familienfestes in Heidelberg gegründeten Mäßigkeitsorden beigetreten war. Moritz hatte es damals ärgerlich empfunden, daß der Stumpfsinn der Betrunkenen nicht die Art der Unterhaltung aufkommen ließ, die er liebte, und hatte den Vorschlag gemacht, man solle sich eine gewisse Beschränkung im Essen und Trinken auferlegen und zu diesem Zweck einen Verein stiften. Der Mensch sei zum Ebenbilde Gottes, nicht zum Ebenbilde von Affen und Schweinen geschaffen, denen er im Rausch ähnlich werde.

      Es sei gar zu anstrengend, Mensch zu sein, sagte der Herzog von Württemberg, man müsse sich von Zeit zu Zeit in der Säuerei davon erholen. – So? sagte Moritz höhnisch, das sei je nachdem: ein Vierfüßler könne nicht lange aufrecht gehen, ihm würde es Mühe machen, auf allen vieren zu laufen. Gott habe den Menschen ja ein Bad der Erquickung gerichtet in der Betrachtung seiner Vollkommenheit und in der Erforschung der Weltwunder. Da der Mensch aus Gottes Geist geschaffen sei, könne ihm auch nur durch den Geist Leben zufließen. Freilich müsse man essen und trinken, um den Körper zu erhalten, mit dem der Geist verbunden sei; aber wenn man zuviel Holz in den Ofen schiebe, so ersticke das Feuer, um dessentwillen doch nur geheizt werde. Die Fürsten sollten dessen vor allen Dingen eingedenk sein, die ihren Untertanen ein Vorbild aufstellen sollten. Sie als christliche Fürsten möchten auch nicht einen Baal oder Moloch anbeten, der im eisernen Bauch Kinder verbrenne und sich mit Opferblut begießen lasse; so könnten sie auch christlichen Völkern nicht zumuten, Herren zu dienen, die im Sumpf der Völlerei heimisch wären. Wenn sie ihren Untertanen nicht das Beispiel eines edleren Lebens geben könnten, wozu wären sie dann da? Hätte Gott sie eingesetzt, damit sie sich desto besser besaufen könnten? Ein Fürst stehe auf beleuchteter Höhe, und sein Wandel müsse so sein, daß jeder ihn mit Lust betrachten und sich danach bilden könne.

      Von solchen und ähnlichen Reden des Landgrafen Moritz wurde der Pfalzgraf endlich so erschüttert, daß er zu weinen anfing, dem Landgrafen um den Hals fiel und ihm sagte, er habe sein Gewissen geweckt, es sei alles wahr und richtig, er, der Pfalzgraf, wolle nun vom Saufen lassen und ein fürstliches Leben führen, damit die evangelische Wahrheit durch ihn offenbar werde. Es wurde demnach zur Einrichtung des Ordens geschritten, wonach niemand bei einer Mahlzeit mehr als sieben Becher Wein trinken durfte; zu einem kleineren Maße wollte der Herzog von Württemberg, der aber hernach wieder austrat, sich nicht verstehen, da er meinte, Gott könne es nicht darauf abgesehen haben, die Fürsten und Herren verschmachten zu lassen. Außer dem Landgrafen Moritz und dem Pfalzgrafen traten dem Orden bei der Landgraf Ludwig von Hessen-Darmstadt, Moritzens Vetter, der Markgraf von Jägerndorf und einige Grafen von Nassau, Solms, Erbach und Leiningen.

      Als Erfolg und Zuwachs wurde es in Heidelberg begrüßt, daß Landgraf Moritz von Hessen im Jahre 1603 den reformierten Glauben annahm. Auf einer Reise durch die Schweiz und Frankreich hatte er die Einrichtungen der reformierten Kirche durch eigene Anschauung und ihre Leiter persönlich kennengelernt und einen Eindruck davon gewonnen, der seine schon bestehende Neigung verstärkte. In Basel, Zürich und Genf fand er Friedfertigkeit, Ordnung und Tüchtigkeit, sah er alle Kräfte des Gemeinwesens gesammelt, um eine harmonische Erscheinung hervorzubringen. Die Geistlichen, mit denen er sich unterhielt, schwärmten nicht in Geheimnissen, die sie allein besitzen wollten, vielmehr suchten sie die göttliche Vernunft allen zu entschleiern. Es schien ihm, als hätten die Menschen dort klarere und festere Gedanken, gesundere, regelmäßiger schlagende Herzen, und Ungeduld ergriff ihn, einen ähnlichen Zustand nach Deutschland, wenigstens nach dem ihm untergebenen Hessen zu verpflanzen. Den König von Frankreich, Heinrich IV., betrachtete er als noch der reformierten Religion zugehörig, soweit er ihn bewunderte; seine Fehler, die Ausschweifungen, die Liederlichkeit seines Ehelebens und allerlei Zweideutigkeiten und Unregelmäßigkeiten schrieb er seinem Zusammenhange mit der katholischen Kirche zu. Er war überzeugt, daß Heinrich IV. sich im Herzen mit den Bekennern seines alten Glaubens einig fühlte, die auf der Seite seines guten Genius ständen, und sie in etwaigen Kämpfen und Nöten unterstützen würde. Dazu kam, daß seine zweite Frau – denn die zarte Agnes war nach neunjähriger Ehe gestorben –, die sechzehnjährige, kluge Juliane, eine Oranierin war, reformierten Glaubens, eine Vertreterin des Geschlechtes, dessen Namen ein Meerhauch von Kraft und Freiheit umwitterte.

      Mit einigen ergebenen Geistlichen arbeitete Moritz selbst die neue Verordnung aus, nach welcher vornehmlich die Änderung stattfand, daß alle Bilder aus der Kirche entfernt und beim Abendmahl das Brot zum Gedächtnis Jesu gebrochen und an die Gemeinde ausgeteilt werden sollte. Eines Sonntags trug ein Prediger in der Kasseler Hofkirche in einer größtenteils von Moritz selbst verfertigten Rede alle Gründe vor, die den Landgrafen zu der neuen Ordnung geführt hätten, forderte das Volk auf, sich damit bekannt zu machen, sie zu prüfen und etwaige Zweifel dem Landesherrn selbst vorzutragen, der bereit sei, jedem seiner Untertanen Antwort zu geben. Moritz war mit seiner Familie anwesend und folgte dem Vortrage aufmerksam und etwas ungeduldig; er hätte selbst zur Gemeinde gesprochen, wenn er es nicht für ziemlich gehalten hätte, an dem dem Gottesdienst geweihten Orte hinter dem dazu bestellten Geistlichen zurückzustehen. Seine hohe, elastisch aufrecht gehaltene Gestalt und sein Blick voll geistigen Feuers beherrschte die Zuhörer, so daß er den Eindruck gewinnen konnte, die Ausführungen seines Pastors hätten jedermann überzeugt.

      Vor der Kirche blieb er im Gespräch mit seiner Frau und seiner ältesten Tochter aus erster Ehe stehen und sah freundlich in die Runde, um diejenigen zu ermutigen, die etwa eine Frage stellen möchten. Als er einige bemerkte, die sich nähern zu wollen schienen, winkte er mit der Hand und forderte den nächsten auf, sich ohne Scheu zu erklären. Der Mann, ein Buchdrucker, sagte unter vielen Bücklingen, daß er belehrt zu werden wünsche, warum es denn sträflich sei, sich an Bildern zu erbauen, wofern man sie nicht anbete, was ein evangelischer Christ doch ohnehin nicht tue. Offenbar erfreut, daß er Gelegenheit bekam, seine Ansichten zu erörtern, sagte Moritz lebhaft und mit lauter Stimme: »Möge sich ein jeder an Bildern erfreuen, wenn sie gut gemalt sind und etwas Gutes darstellen; aber nicht in der Kirche und beim Gottesdienste, denn ein anderes ist die Kunst und ein anderes die Religion. Wir sind schwache Menschen und wider unser Wissen und Wollen geneigt, das Bild für das Wesen zu halten. Es steht geschrieben: ›Gott ist Geist, und die ihn anbeten, sollen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten.‹ Das ist wohl zu begreifen, aber schwer ist es, danach zu leben. Wer möchte nicht vor bunten Bildern träumen und Gebete lallen? Wir sollen aber das Herz rein halten, die Gedanken hoch richten und nach Gottes Geboten tun.«

      Der Mann wagte diesen entschieden gesprochenen Worten keins entgegenzusetzen; auch blickte der Landgraf schon auf einen anderen, einen alten Mann bäuerischen Ansehens, der, aufgefordert zu sprechen, mit verlegenem Lächeln sagte: »Der Herr Landgraf wird alles am besten wissen; aber unser Herr Pfarrer hat gesagt, wie der Luther das Abendmahl eingesetzt habe, so sei es gut, und dabei solle es sein Verbleiben haben.«

      Diese Worte schienen den Landgrafen zu ärgern, aber er zwang sich, gelassen zu bleiben, und erwiderte: »Nun, mein Sohn, so vernimm meine Meinung gegen die deines Pfarrers. Gottes Allmacht kann Wunder tun, wenn er will, und ein Wunder ist es, daß ein im Fleische Geborener ohne Sünde war; aber Brot, das wir als Brot gebacken haben, bleibt Brot, denn Gott treibt keinen Schabernack mit uns. Glaubst du, er würde den himmlischen Leib seines Sohnes durch deinen schmutzigen Bauch gehen lassen? Wir sollen die Worte Gottes nicht nach unserer lockeren, schelmischen Phantasie auslegen, sondern sie so annehmen, wie er sie vor unseren Sinnen und unserem denkenden Geiste ausgebreitet hat.«

      Damit ließ er den Bauern, der fortfuhr, dreist oder verlegen zu lächeln, stehen und entfernte sich mit so schnellen Schritten, daß ihm Frau und Kinder kaum folgen konnten. Der Anblick eines Elefanten, den ein fremdartig orientalisch gekleideter Mann, die Trommel schlagend, eben auf den freien Platz vor dem Schlosse führte, stellte seine Laune sofort völlig wieder her. Er ließ den Mann durch einen Diener in den Schloßhof holen und rief selbst seine Tochter, seine ältesten Söhne und deren Hofmeister, den Züricher Grob, herbei, um ihnen das fabelhafte Tier zu zeigen. Die Mittagssonne überstrahlte den steingrauen Koloß, auf dessen gewölbtem Rücken ein kleiner Affe saß und an einem Apfel knabberte. Zuerst ließ sich der Landgraf von seinen Kindern die deutschen und lateinischen Namen sowie die Heimat der Tiere sagen, und nachdem er befriedigende Antwort erhalten hatte,


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