Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3). Ricarda Huch

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Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3) - Ricarda Huch


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Himmel, das heißt in die unmittelbare Nähe Gottes zu gelangen als höchstens mittelbar durch den Mann, da es keine persönliche Seele habe und des Eigenlebens bar sei, insofern etwa mit den Tieren auf einer Stufe. Geschaffen sei die Frau, ebenso wie das Tier, damit der Mann sich seiner nach Bedarf bediene, und sei deshalb seiner fleischlichen Natur entsprechend und auf sie wirkend gemacht, als derjenigen Seite seines Wesens, mit der er selbst verwerflich und vergänglich sei. Nur eine Frau habe auf Erden gelebt, die rein und von der Gebrechlichkeit der Weiber frei sei, die Heilige Jungfrau, und es sei die Meinung einiger gelehrter Väter des Ordens Jesu, daß das weibliche Geschlecht durch sie erlöst werden könne, während andere glaubten, daß Maria gewissermaßen die Darstellerin dieses niederen Geschlechtes sei und dasselbe in ihr Anteil an Gott habe, ohne selbst über seine kurze tierische Existenz hinauszukommen. Dieses alles bedenkend, könne ein Fürst der Weiber sich wohl bedienen, wenn es nötig sei, solle sich aber nicht zu ihrem Knecht machen, vor ihnen scharwenzeln und kniebeugen, sie etwa gar vergöttern, wie manche heidnischer- und schamloserweise täten. Die Königin des Himmels, die von Engeln Getragene, die unbefleckt empfangen habe, der solle er sein Herz weihen. Sie, die makellos Schöne, die unverwelkliche, nie sich entblätternde Rose, die wolkenlos Strahlende, die Holdselige, Gnadenreiche, Allverzeihende, sei die einzige Dame, der ein Fürst sich anbetend hingeben könne, ohne sich zu erniedrigen. Wer ihr hienieden niewankende Ergebenheit bewiese, den würde ihre Lilienhand am Tore des Himmels empfangen, um ihn in der Ewigkeit für die kurze Spanne irdischer Entsagung zu entschädigen.

      Solche Worte fachten allmählich Liebe zu der Himmelsjungfrau im Herzen des Prinzen an, freilich nicht ohne Kämpfe und Rückfälle. Um die Entwicklung zu befördern, legte der Beichtvater seinem Zögling allerlei geistliche Übungen auf, Versenkung in vorgeschriebene Betrachtungen, vielstündige Gebete und zwischendurch Geißelungen und Kasteiungen. In dem dadurch hervorgerufenen Zustande von Erregung erblickte der Prinz zufällig ein von dem Maler Rottmann verfertigtes Bild der Jungfrau Maria in einer von zahllosen Blumen durchsproßten Landschaft, von lachenden Engelskindern wie von einem Frühlingskranze umgeben, den Beschauer mit frauenhafter Güte und Lieblichkeit anlächelnd. Hingerissen von der Schönheit der unerreichbar Schwebenden, gelobte er ihr das reine Feuer seines Herzens und den Dienst seines ganzen Lebens, so daß er alle seine Taten in ihrem Namen und zu ihrer Verherrlichung tun wolle. Bald reiften ihm auch die Früchte seines Entschlusses, indem das Bewußtsein, der himmlischen Frau anzugehören, insgeheim mit ihr, der über allen irdischen Weibern, ja über allen Menschen Thronenden inbrünstig und auf ewig verbunden zu sein, ihn in erhabener Höhe unerschütterlich feststellte. Er begann die Frauen, die er mit der Vollkommenheit seiner Herrin verglich, geringzuschätzen und ungerührt an ihnen vorüberzugehen, während sie durch seine strenge Zurückhaltung doppelt angezogen wurden. Es wäre ihm nicht schwer geworden, unvermählt zu bleiben; aber da er für einen Nachfolger zu sorgen hatte, heiratete er seine Base Elisabeth Renate von Lothringen, übrigens ohne daß der Zweck der Verbindung erreicht wurde. Die Alleinherrschaft der Jungfrau Maria im Herzen Maximilians wurde durch die Ehe nicht angetastet, gründete sich vielmehr mit den Jahren immer fester und sicherer. Die oft langwierigen Regierungsgeschäfte erhielten eine gewisse Süßigkeit durch die Vorstellung, daß es sich um ihr Land und ihr Volk handle, welches er, als der Statthalter der angebeteten Königin, um sie zufriedenzustellen, in einen möglichst heiligmäßigen Zustand zu versetzen habe.

      *

      Am pfälzischen Hofe war man der Meinung, daß die Katholiken zu einem großen Schlage ausholten, um die Protestanten zu vernichten; dafür sprachen allerlei bedenkliche Zeichen. Schon im Jahre 1601 war ein Reisender durch Heidelberg gekommen, der sich Brocardo Baronio nannte und ein Italiener zu sein vorgab, der zum protestantischen Glauben übergetreten sei und deshalb verfolgt werde, und da er sich ansehnlich und wohlredend zeigte, hatte man ihn im Schlosse empfangen. Dieser hatte allerlei häßliche Eröffnungen gemacht, wie daß eine Verschwörung unter den Katholiken bestehe mit dem Papst an der Spitze, daß eine ungeheure europäische Bartholomäusnacht vorbereitet und ein unauslöschlicher Blutstrom sich durch alle Länder ergießen werde. Die Schrift ›De autonomia‹, die von der Notwendigkeit, die Ketzer auszurotten, handelte, weil es nur eine Wahrheit gebe, und diese sei bei den Katholiken, bewies, wie sicher die Feinde sich fühlten. Denn wie hätten so unumwundene Gesinnungen und Drohungen sonst gedruckt und veröffentlicht werden können? Den Räten, Lingelsheim, Loefenius, Schug, Camerarius, stieg das Blut heiß zum Kopfe, wenn sie sich vorstellten, in welcher Verfassung diese Gefahren die protestantische Partei antrafen. Während das Heer der Jesuiten und Kapuziner in zahllosen Wellen, Rinnsalen und Bächen zusammenfloß und mit einem Male alles Land überschwemmen konnte, blieben die Protestanten vereinzelt, untereinander entzweit, kaum auf Verteidigung bedacht, geschweige denn, daß sie den Angriff wagen könnten. Soeben kam Loefenius von Stuttgart zurück, wo eine Vermählung stattgefunden hatte, zu der der Kurfürst geladen war, was man hatte benutzen wollen, um eine Vereinigung mit dem Herzog von Württemberg zu erzielen und dadurch die Grundlage zu einer weiteren Union zu gewinnen. In Lingelsheims Bibliothek berichtete er seinen Kollegen von dem Mißerfolg seiner Sendung. Ihr Herr sei entweder auf der Jagd oder bei Tafel gewesen oder habe seinen Rausch ausgeschlafen. Einmal habe er ihn allein gesprochen, da habe er geweint, weil er wegen der Gliederschmerzen am letzten Turnier nicht habe teilnehmen können. Es sei aus mit ihm, er könne nie mehr gesund werden, er, Loefenius, solle ihn trinken lassen, damit er sein Unglück vergäße; Geschäfte habe er das ganze Jahr, diese wenigen Tage sollte Loefenius ihm nicht vergällen.

      »Die schwerste aller Lasten ist ein leichter Kopf,« sagte Lingelsheim in lateinischer Sprache, »das gilt für den einzelnen wie für den Staat.« Ob denn Loefenius nichts mit den Räten des Herzogs habe ausrichten können? Außer dem Enslin, sagte Loefenius, sei keiner, der ein klares Wort zu reden sich getraue, und Enslin sei ihm absichtlich ausgewichen. Er habe gehört, daß Enslin daran arbeite, die Lehensrechte, die Österreich über Württemberg habe, abzulösen, und daß er sich deshalb den Kaiser geneigt erhalten wollte. Bis das erledigt sei, werde Württemberg dem Kaiser in allen Dingen nachgeben und sich auf nichts Verdächtiges einlassen. Jammervoll sei es, wie am Hofe gehaust werde, in einem Freudenhause könne es nicht ärger zugehen. Mehr als fünfhundert Personen zähle der Hofstaat, und die Tafel sei immer voll gedeckt. Der Herzog wolle durchaus eine stattliche Hofhaltung führen, obwohl doch wenig Adel im Württembergischen vorhanden sei und das Land gedeihen könnte, wenn es nicht absichtlich verderbt würde. Geld fließe wie Wasser, und um es sich zu verschaffen, ließe der Herzog Goldmacher kommen und stecke ihnen Tausende von Talern in die Tasche, bevor eine Erbse groß Gold aus ihrem Tiegel komme. Schlau genug sei der Herzog, aber er kümmere sich nur noch darum, etwas ins Bett und in den Beutel zu bekommen, und der Enslin könne und wolle nicht über Württemberg hinausdenken.

      Indessen hatte der Großhofmeister, Graf Solms, seine Not mit dem Kurfürsten, der, übellaunig von der Reise zurückkehrend, auf seine Gemahlin schimpfte, weil sie ihm nicht entgegengekommen sei, und in ihre Gemächer dringen wollte, um sie zur Rede zu stellen. Er sei eben nicht in dem Zustande, der hohen Frau aufzuwarten, sagte Graf Solms ernst; er habe getrunken und sei nicht Meister über seine Zunge. »Desto mehr über meine Faust«, stammelte der Kurfürst und rollte die Augen.

      Wenn er ihn verhindern könne, seine edle Gemahlin zu beleidigen, so wolle er Leib und Leben daransetzen, sowohl ihretwegen wie seinetwegen.

      »Warum verbirgt sie sich denn wie ein Weib, das seinem Eheherrn übelgesinnt ist?« schrie der Kurfürst. »Hätte sie mich geliebt, wie es sich gebührt, so hätte sie einen guten Mann an mir gefunden. Willst du leugnen, daß ich ein gutherziger, nachgiebiger Mensch bin? Ich will doch sehen, ob ich ihren Stolz und Trotz nicht beugen kann! ob sie mit ihrem Latein und Französisch einen Ausweg vor meinen Fäusten findet!«

      Der Graf stemmte sich gegen die Tür und sagte ruhig: »Der Leib Eures Dieners ist Euer Schild, er schützt Euch gegen Tod und gegen Schande.« Diese Worte und der vorwurfsvolle Blick des Grafen wendeten Friedrichs Sinn augenblicklich; er warf sich, in Tränen ausbrechend, an seine Brust und rief: »O mein Herz, mein treuester Johannes, ich tötete ja mich selbst in dir! Verlaß mich nicht! Denn was wäre ich ohne dich! Was habe ich dir getan, daß du mir die kaltherzige, ungehorsame Frau vorziehst und mich um ihretwillen deiner Liebe beraubst?«

      »Weil ich Euch liebe,« sagte Solms traurig, »will ich nicht, daß Ihr eine hohe Dame


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