Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer. Arthur Schopenhauer

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Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer - Arthur Schopenhauer


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auf die rechte Art ab, wie ich bald zeigen werde, sondern mittelst einer Inkonsequenz, die er durch häufige und unwiderstehliche Angriffe auf diesen Haupttheil seiner Lehre büßen mußte. Er erkannte nicht direkt im Willen das Ding an sich; allein er that einen großen, bahnbrechenden Schritt zu dieser Erkenntniß, indem er die unleugbare moralische Bedeutung des menschlichen Handelns als ganz verschieden und nicht abhängig von den Gesetzen der Erscheinung, noch diesen gemäß je erklärbar, sondern als etwas, welches das Ding an sich unmittelbar berühre, darstellte: dieses ist der zweite Hauptgesichtspunkt für sein Verdienst.

      »Er scheint mir, mit Verlaub von Ewr Gnaden,

       Wie eine der langbeinigen Cikaden,

       Die immer fliegt und fliegend springt –

       Und gleich im Gras ihr altes Liedchen singt.« –

      Kant hatte Gründe, die Miene zu machen, als ob er es auch nur so meinte. Aber aus dem vorgeblichen Sprunge, der zugestanden war, weil man schon wußte, daß er ins Gras zurückführt, ward diesmal ein Flug, und jetzt haben, die unten stehn, nur das Nachsehn und können nicht mehr ihn wieder einfangen.

      Kant also wagte es, aus seiner Lehre die Unbeweisbarkeit aller jener vorgeblich so oft bewiesenen Dogmen darzuthun. Die spekulative Theologie und die mit ihr zusammenhängende rationale Psychologie empfiengen von ihm den Todesstreich. Seitdem sind sie aus der Deutschen Philosophie verschwunden, und man darf sich nicht dadurch irre machen lassen, daß hie und da das Wort beibehalten wird, nachdem man die Sache aufgegeben, oder daß irgend ein armsäliger Philosophieprofessor die Furcht seines Herrn vor Augen hat und Wahrheit Wahrheit seyn läßt. Die Größe dieses Verdienstes Kants kann nur Der ermessen, welcher den nachtheiligen Einfluß jener Begriffe auf Naturwissenschaft, wie auf Philosophie, in allen, selbst den besten Schriftstellern des 17. und 18. Jahrhunderts beachtet hat. In den Deutschen naturwissenschaftlichen Schriften ist die seit Kant eingetretene Veränderung des Tones und des metaphysischen Hintergrundes auffallend: vor ihm stand es damit, wie noch jetzt in England. – Dieses Verdienst Kants hängt damit zusammen, daß das besinnungslose Nachgehn den Gesetzen der Erscheinung, das Erheben derselben zu ewigen Wahrheiten und dadurch der flüchtigen Erscheinung zum eigentlichen Wesen der Welt, kurz, der in seinem Wahn durch keine Besinnung gestörte Realismus in aller vorhergegangenen Philosophie der alten, der mittleren und der neueren Zeit durchaus herrschend gewesen war. Berkeley, der, wie vor ihm auch schon Malebranche, das Einseitige, ja Falsche desselben erkannt hatte, vermochte nicht ihn umzustoßen, weil sein Angriff sich auf einen Punkt beschränkte. Kanten also war es vorbehalten, der idealistischen Grundansicht, welche im ganzen nicht islamisirten Asien, und zwar wesentlich, sogar die der Religion ist, in Europa wenigstens in der Philosophie zur Herrschaft zu verhelfen. Vor Kant also waren wir in der Zeit; jetzt ist die Zeit in uns, u.s.f.

      Auch die Ethik war von jener realistischen Philosophie nach den Gesetzen der Erscheinung, die sie für absolute, auch vom Dinge an sich geltende hielt, behandelt worden, und daher bald auf Glücksäligkeitslehre, bald auf den Willen des Weltschöpfers, zuletzt auf den Begriff der Vollkommenheit gegründet, welcher an und für sich ganz leer und inhaltslos ist, da er eine bloße Relation bezeichnet, die erst von den Dingen, auf welche sie angewandt wird, Bedeutung erhält, indem »vollkommen seyn« nichts weiter heißt als »irgend einem dabei vorausgesetzten und gegebenen Begriff entsprechen«, der also vorher aufgestellt seyn muß, und ohne welchen die Vollkommenheit eine unbenannte Zahl ist und folglich allein ausgesprochen gar nichts sagt. Will man nun aber etwan dabei den Begriff der »Menschheit« zur stillschweigenden Voraussetzung machen und demnach zum Moralprincip setzen nach vollkommener Menschheit zu streben; so sagt man damit eben nur: »Die Menschen sollen seyn wie sie seyn sollen« – und ist so klug wie zuvor. »Vollkommen« nämlich ist beinahe nur das Synonym von »vollzählig«, indem es besagt, daß in einem gegebenen Fall, oder Individuo, alle die Prädikate, welche im Begriff seiner Gattung liegen, vertreten, also wirklich vorhanden sind. Daher ist der Begriff der »Vollkommenheit«, wenn schlechthin und in abstracto gebraucht, ein gedankenleeres Wort, und eben so das Gerede vom »allervollkommensten Wesen« u. dgl. m. Das Alles ist bloßer Wortkram. Nichtsdestoweniger war im vorigen Jahrhundert dieser Begriff von Vollkommenheit und Unvollkommenheit eine kurrente Münze geworden; ja, er war die Angel, um welche sich fast alles Moralisiren und selbst Theologisiren drehte. Jeder führte ihn im Munde, so daß zuletzt ein wahrer Unfug damit getrieben wurde. Selbst die besten Schriftsteller der Zeit, z.B. Lessingen, sehn wir auf das Beklagenswertheste in den Vollkommenheiten und Unvollkommenheiten verstrickt und sich damit herumschlagen. Dabei mußte doch jeder irgend denkende Kopf wenigstensdunkel fühlen, daß dieser Begriff ohne allen positiven Gehalt ist, indem er, wie ein algebraisches Zeichen, ein bloßes Verhältniß in abstracto andeutet. – Kant, wie schon gesagt, sonderte die unleugbare große ethische Bedeutsamkeit der Handlungen ganz ab von der Erscheinung und deren Gesetzen, und zeigte jene als unmittelbar das Ding an sich, das Innerste Wesen der Welt betreffend, wogegen diese, d.h. Zeit und Raum, und Alles, was sie erfüllt und in ihnen nach dem Kausalgesetz sich ordnet, als bestand- und wesenloser Traum anzusehn sind.

      Dieses Wenige und keineswegs den Gegenstand Erschöpfende mag hinreichen als Zeugniß meiner Anerkennung der großen Verdienste Kants, hier abgelegt zu meiner eigenen Befriedigung, und weil die Gerechtigkeit forderte jene Verdienste Jedem ins Gedächtniß zurückzurufen, der mir in der nachsichtslosen Aufdeckung seiner Fehler, zu welcher ich jetzt schreite, folgen will.

      Daß Kants große Leistungen auch von großen Fehlern begleitet seyn mußten, läßt sich schon bloß historisch ermessen, daraus, daß, obwohl er die größte Revolution in der Philosophie bewirkte, und der Scholastik, die, im angegebenen weitem Sinn verstanden, vierzehn Jahrhunderte gedauert hatte, ein Ende machte, um nun wirklich eine ganz neue dritte Weltepoche der Philosophie zu beginnen; doch der unmittelbare Erfolg seines Auftretens fast nur negativ, nicht positiv war, indem, weil er nicht ein vollständiges neues System aufstellte, an welches seine Anhänger nur irgend einen Zeitraum hindurch sich hätten halten können, Alle zwar merkten, es sei etwas sehr Großes geschehn, aber doch keiner recht wußte was. Sie sahen wohl ein, daß die ganze bisherige Philosophie ein fruchtloses Träumen gewesen, aus dem jetzt die neue Zeit erwachte; aber woran sie sich nun halten sollten, wußten sie nicht. Eine große Leere, ein großes Bedürfniß war eingetreten: die allgemeine Aufmerksamkeit, selbst des großem Publikums, war erregt. Hiedurch veranlaßt, nicht aber vom Innern Triebe und Gefühl der Kraft (die sich auch im ungünstigsten Zeitpunkt äußern, wie bei Spinoza) gedrungen, machten Männer ohne alle auszeichnende Talente mannigfaltige, schwache, ungereimte, ja mitunter tolle Versuche, denen das nun ein Mal


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