Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer. Arthur Schopenhauer

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Die wichtigen Werke von Arthur Schopenhauer - Arthur Schopenhauer


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S. 137, fünfte Auflage, im Allgemeinen das Vermögen der Erkenntnisse. S. 132; v, 171, das Vermögen der Regeln. S. 158; v, 197, aber wird gesagt: »Er ist nicht nur das Vermögen der Regeln, sondern der Quell der Grundsätze, nach welchem alles unter Regeln steht«; und dennoch ward er oben der Vernunft entgegengesetzt, weil diese allein das Vermögen der Principien wäre. S, 160; v, 199, ist der Verstand das Vermögen der Begriffe: S. 302; v, 359, aber das Vermögen der Einheit der Erscheinungen vermittelst der Regeln.

      Die von mir aufgestellten, festen, scharfen, bestimmten, einfachen und mit dem Sprachgebrauch aller Völker und Zeiten stets übereinkommenden Erklärungen jener zwei Erkenntnißvermögen werde ich nicht nöthig haben gegen solche (obwohl sie von Kant ausgehn) wahrhaft konfuse und grundlose Reden darüber zu vertheidigen. Ich habe diese nur angeführt als Belege meines Vorwurfs, daß Kant sein symmetrisches, logisches System verfolgt, ohne sich über den Gegenstand, den er so behandelt, genugsam zu besinnen.

      Hätte nun Kant, wie ich oben sagte, ernstlich untersucht, inwiefern zwei solche verschiedene Erkenntnißvermögen, davon eines das Unterscheidende der Menschheit ist, sich zu erkennen geben, und was, gemäß dem Sprachgebrauch aller Völker und aller Philosophen, Vernunft und Verstand heiße; so hätte er auch nie, ohne weitere Auktorität, als den in ganz anderm Sinne gebrauchten intellectus theoreticus und practicus der Scholastiker, die Vernunft in eine theoretische und praktische zerfällt, und letztere zur Quelle des tugendhaften Handelns gemacht. Eben so, bevor Kant Verstandesbegriffe (worunter er theils seine Kategorien, theils alle Gemeinbegriffe versteht) und Vernunftbegriffe (seine sogenannten Ideen) so sorgfältig sonderte und beide zum Material seiner Philosophie machte, die größtentheils nur von der Gültigkeit, Anwendung, Ursprung aller dieser Begriffe handelt; – zuvor, sage ich, hätte er doch wahrlich untersuchen sollen, was denn überhaupt ein Begriff sei. Allein auch diese so nothwendige Untersuchung ist leider ganz unterblieben; was viel beigetragen hat zu der heillosen Vermischung intuitiver und abstrakter Erkenntniß, die ich bald nachweisen werde. – Der selbe Mangel an hinlänglichem Besinnen, mit welchem er die Fragen übergieng: was ist Anschauung? was ist Reflexion? was Begriff? was Vernunft? was Verstand? – ließ ihn auch folgende eben so unumgänglich nöthige Untersuchungen übergehn: was nenne ich den Gegenstand, den ich von der Vorstellung unterscheide? was ist Daseyn? was Objekt? was Subjekt? was Wahrheit, Schein, Irrthum? – Aber er verfolgt, ohne sich zu besinnen oder umzusehn, sein logisches Schema und seine Symmetrie. Die Tafel der Urtheile soll und muß der Schlüssel zu aller Weisheit seyn.

      Ich habe es oben als das Hauptverdienst Kants aufgestellt, daß er die Erscheinung vom Dinge an sich unterschied, diese ganze sichtbare Welt für Erscheinung erklärte und daher den Gesetzen derselben alle Gültigkeit über die Erscheinung hinaus absprach. Es ist allerdings auffallend, daß er jene bloß relative Existenz der Erscheinung nicht aus der einfachen, so nahe liegenden, unleugbaren Wahrheit »Kein Objekt ohne Subjekt« ableitete, um so, schon an der Wurzel, das Objekt, weil es durchaus immer nur in Beziehung auf ein Subjekt daist, als von diesem abhängig, durch dieses bedingt und daher als bloße Erscheinung, die nicht an sich, nicht unbedingt existirt, darzustellen. Jenen wichtigen Satz hatte bereits Berkeley, gegen dessen Verdienst Kant nicht gerecht ist, zum Grundstein seiner Philosophie gemacht und dadurch sich ein unsterbliches Andenken gestiftet, obwohl er selbst nicht die gehörigen Folgerungen aus jenem Satze zog und sodann theils nicht verstanden, theils nicht genugsam beachtet wurde. Ich hatte, in meiner ersten Auflage, Kants Umgehn dieses Berkeleyschen Satzes aus einer sichtbaren Scheu vor dem entschiedenen Idealismus erklärt; während ich diesen andererseits in vielen Stellen der »Kritik der reinen Vernunft« deutlich ausgesprochen fand; und hatte demnach Kanten des Widerspruchs mit sich selbst geziehn. Auch war dieser Vorwurf gegründet, sofern man, wie es damals mein Fall war, die »Kritik der reinen Vernunft« bloß in der zweiten, oder den nach ihr abgedruckten fünf folgenden Auflagen kennt. Als ich nun aber später Kants Hauptwerk in der bereits selten gewordenen ersten Auflage las, sah ich, zu meiner großen Freude, alle jene Widersprüche verschwinden, und fand, daß Kant, wenn er gleich nicht die Formel »kein Objekt ohne Subjekt« gebraucht, doch, mit eben der Entschiedenheit wie Berkeley und ich, die in Raum und Zeit vorliegende Außenwelt für bloße Vorstellung des sie erkennenden Subjekts erklärt; daher er z.B. S. 383 daselbst ohne Rückhalt sagt: »Wenn ich das denkende Subjekt wegnehme, muß die ganze Körperwelt wegfallen, als die nichts ist, als die Erscheinung in der Sinnlichkeit unsers Subjekts und eine Art Vorstellungen desselben.« Aber die ganze Stelle von S. 348-392, in welcher Kant seinen entschiedenen Idealismus überaus schön und deutlich darlegt, wurde von ihm in der zweiten Auflage supprimirt und dagegen eine Menge ihr widerstreitender Aeußerungen hineingebracht. Dadurch ist denn der Text der »Kritik der reinen Vernunft«, wie er vom Jahr 1787 an bis zum Jahr 1838 cirkulirt hat, ein verunstalteter und verdorbener geworden, und dieselbe ein sich selbst widersprechendes Buch geworden, dessen Sinn eben deshalb Niemanden ganz klar und verständlich seyn konnte. Das Nähere hierüber, wie auch meine Vermuthungen über die Gründe und Schwächen, welche Kanten zu einer solchen Verunstaltung seines unsterblichen Werkes haben bewegen können, habe ich dargelegt in einem Briefe an Herrn Professor Rosenkranz, dessen Hauptstelle derselbe in seine Vorrede zum zweiten Bande der von ihm besorgten Ausgabe der sämmtlichen Werke Kants aufgenommen hat, wohin ich also hier verweise. In Folge meiner Vorstellungen nämlich hat im Jahre 1838 Herr Professor Rosenkranz sich bewegen gefunden, die »Kritik der reinen Vernunft« in ihrer ursprünglichen Gestalt wieder herzustellen, indem er sie, in besagtem zweiten Bande, nach der ersten Auflage von 1781 abdrucken ließ, wodurch er sich um die Philosophie ein unschätzbares Verdienst erworben, ja das wichtigste Werk der Deutschen Litteratur vielleicht vom Untergange gerettet hat; und dies soll man ihm nie vergessen. Aber Keiner bilde sich ein, die »Kritik der reinen Vernunft« zu kennen und einen deutlichen Begriff von Kants Lehre zu haben, wenn er jene nur in der zweiten, oder einer der folgenden Auflagen gelesen hat; das ist schlechterdings unmöglich: denn er hat nur einen verstümmelten, verdorbenen, gewissermaaßen unächten Text gelesen. Es ist meine Pflicht, Dies hier entschieden und zu Jedermanns Warnung auszusprechen.

      Mit der in der ersten Auflage der »Kritik der reinen Vernunft« so deutlich ausgesprochenen, entschieden idealistischen Grundansicht steht jedoch die Art, wie Kant das Ding an sich einführt, in unleugbarem Widerspruch, und ohne Zweifel ist dies der Hauptgrund, warum er in der zweiten Auflage die angegebene idealistische Hauptstelle supprimirte, und sich geradezu gegen den Berkeleyschen Idealismus erklärte, wodurch er jedoch nur Inkonsequenzen in sein Werk brachte, ohne dem Hauptgebrechen desselben abhelfen zu können. Dieses ist bekanntlich die Einführung des Dinges an sich, auf die von ihm gewählte Weise, deren Unstatthaftigkeit von G. E. Schulze im »Aenesidemus« weitläuftig dargethan und bald als der unhaltbare Punkt seines Systems anerkannt wurde. Die Sache läßt sich mit sehr Wenigem deutlich machen. Kant gründet die Voraussetzung des Dinges an sich, wiewohl unter mancherlei Wendungen verdeckt, auf einen Schluß nach dem Kausalitätsgesetz, daß nämlich die empirische Anschauung, richtiger die Empfindung in unsern Sinnesorganen, von der sie ausgeht, eine äußere Ursache haben müsse. Nun aber ist, nach seiner eigenen und richtigen Entdeckung, das Gesetz der Kausalität uns a priori bekannt, folglich eine Funktion unsers Intellekts, also subjektiven Ursprungs; ferner ist die Sinnesempfindung selbst, auf welche wir hier das Kausalitätsgesetz anwenden, unleugbar subjektiv, und endlich sogar der Raum, in welchen wir mittelst dieser Anwendung die Ursache der Empfindung als Objekt versetzen, ist eine a priori gegebene, folglich subjektive Form unsers Intellekts. Mithin bleibt die ganze empirische Anschauung durchweg auf subjektivem Grund und Boden, als ein bloßer Vorgang in uns, und nichts von ihr gänzlich Verschiedenes, von ihr Unabhängiges, läßt sich als ein Ding an sich hineinbringen, oder als nothwendige Voraussetzung darthun. Wirklich ist und bleibt die empirische Anschauung unsere bloße Vorstellung: es ist die Welt als Vorstellung. Zum Wesen an sich dieser können wir nur auf dem ganz anderartigen, von mir eingeschlagenen Wege, mittelst Hinzuziehung des Selbstbewußtseyns, welches den Willen als das An sich unserer eigenen Erscheinung kund giebt, gelangen: dann aber wird das Ding an sich ein von der Vorstellung und ihren Elementen toto genere Verschiedenes; wie ich dies ausgeführt habe.

      Das, wie gesagt, früh nachgewiesene, große Gebrechen des Kantischen Systems in diesem Punkt ist ein Beleg zu dem schönen Indischen Sprichwort: »Kein Lotus ohne Stengel.« Die fehlerhafte Ableitung des Dinges an sich ist hier der


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