Gesammelte Werke. Ernst Wichert

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Gesammelte Werke - Ernst Wichert


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im Kampfe große Ehre gewinnen. Aber es komme, wie es bestimmt ist: der Meister ist meines unverbrüchlichen Gehorsams versichert.

      Sternberg lächelte mit halbgeschlossenen Augen. Es ist doch noch nicht so ganz sicher, meinte er, daß in dem bevorstehenden Kampf viel Ehre zu gewinnen ist. Man kann nicht wissen … Er zuckte die Achseln.

      Der Komtur blieb stehen und sah ihn mit seinen ruhigen grauen Augen fragend an. Ihr könntet an unserm Siege zweifeln?

      Ich zweifle nicht an der Tapferkeit unserer Brüder, obschon viele unter ihnen sind, die sich der Waffen entwöhnt haben; aber man führt heute nicht mehr den Krieg wie vor hundert Jahren. Nicht ein Kreuzzug gegen die Ungläubigen wird gerüstet, sondern Land steht gegen Land, Herrschaft gegen Herrschaft. Gegen uns sind die Völker aufgeboten, und gegen Tausende müssen wir Tausende ins Feld stellen. Unsere Ritter sind nur die Anführer, die Hauptleute; ihr guter Wille entscheidet nicht allein. Unter ihnen kämpfen die Städter und Landleute, die nach ihren Briefen zur Heeresfolge verpflichtet sind, aber ungern Haus und Hof verlassen und lieber in Frieden ihre Handelschaft betreiben oder ihren Acker bauen. Den geworbenen Söldnern ist aber wenig Vertrauen zu schenken. Sie kämpfen nicht wie die Scharen, die uns ehedem zu Hilfe eilten, um Gottes willen und zu Ehren der Jungfrau Maria, sondern um klingenden Lohn, und sie werden uns nicht länger treu sein, als unsere Schatzkammer gefüllt ist. Sie ist aber nicht unerschöpflich, und das Land steuert uns nicht nach Bedürfnis, sondern nach alter Gewohnheit. Zieht sich der Krieg in die Länge, so kann Mangel nicht ausbleiben.

      Plauen schüttelte den Kopf. Ihr macht Euch ohne Grund schwere Gedanken, entgegnete er. Sind es doch dieselben Feinde, die wir schon so oft geschlagen haben; sie werden darum nicht tapferer geworden sein, daß sie sich Christen nennen. An der Spitze des Ordens aber steht ein ritterlicher Mann, der die Ehre der Brüderschaft hochhält und uns wohl zum Siege verhelfen soll, wenn wir gesamt desselben Geistes sind.

      Der Vogt ging einige Schritte schweigend neben Plauen her. Er schien zu überlegen, ob er sich ihm noch weiter eröffnen könne. Niemand wird des Herrn Hochmeisters Person höher schätzen als ich, sagte er dann mit vorsichtiger Zurückhaltung, aber er ist ein feuriger Kriegsmann, und ich weiß nicht, ob wir uns bei diesen Händeln nicht lieber ein bedächtiges Haupt zu wünschen hätten. Seit Ulrich von Jungingen gewählt ist, treibt er zum Kriege. Wahrlich, sein Bruder Konrad tat wohl daran, auf dem Krankenbett vor dieser Wahl zu warnen. Man wird zu spät bereuen, auf ihn nicht gehört zu haben.

      Wie? fuhr Plauen auf, und die grauen Augen blitzten plötzlich von lebhaftem Feuer. Sollten wir's noch länger mit Verhandlungen versuchen, da der listige Feind doch offenbar nur Zeit gewinnen wollte? Schon zu lange hat die Friedensliebe Meister Konrads gezögert. Man ist seines Lobes voll, weil unter seiner Regierung Handel und Wandel blühten, die Speicher der Ordenshäuser sich füllten und überall der Wohlstand im Lande sich mehrte. Aber die ihn spöttisch »die gnädige Frau Äbtissin« nannten, wußten, was sie vermißten. Zur rechten Zeit starb er, seiner zahmen Weisheit bis ans Ende froh zu bleiben, aber an der Erbschaft, die er seinem Nachfolger hinterließ, haben wir alle nun schwer zu tragen. Unvermeidlich war von Anfang an der Kampf mit diesen Nachbarn, die nur darauf lauerten, uns zu schaden. Hätte er zugegriffen, als König Jagello noch im Streit mit seinem polnischen Adel und mit seinem Vetter, Herzog Vitowd, verfeindet war, er hätte ihn mit einem kräftigen Schlage vernichtet. Nun hat er sich von seiner Schlauheit überlisten lassen. Immer hoffte er auf den Beistand König Sigismunds von Ungarn und König Wenzels von Böhmen, die doch nur freundliche Worte hatten und für sich selbst sorgten, bis nun der Feind übermächtig geworden ist. Sollten wir die Entscheidung noch länger hinhalten, um uns noch mehr zu schwächen und bei den deutschen Fürsten alles Vertrauen einzubüßen? Vergeßt nicht, daß die Forderungen des Polenkönigs unverschämt werden.

      Gerade wie seine Macht gewachsen ist, sagte Sternberg. Vielleicht habt Ihr recht, Bruder Heinrich, daß vor Jahren unsere Mühe geringer gewesen wäre. Aber was nützt es, mit Zahlen zu rechnen, die längst von der Tafel fortgelöscht sind? Was jetzt, da alles so gekommen ist, am besten geschieht oder unterbleibt, darum handelt es sich. Das Land ist nun einmal durch den Frieden verwöhnt und sähe lieber über sich einen friedlichen Fürsten als eine streitbare Ritterschaft; die Städte trachten nur nach Erweiterung ihrer Privilegien, und der Landadel neidet dem Ritter sein Herrenrecht; in den Konventen selbst aber herrscht Unzufriedenheit bei denen vom niederen Adel, daß sie nicht nach Würdigkeit zu Ämtern befördert werden. So wird zur Zeit überall nicht die volle Kraft eingesetzt werden, und eine verlorene Schlacht könnte üble Folgen haben. Der Hochmeister aber – so scheint mir's – ist des Sieges zu gewiß.

      Soll er seine Sache verloren geben, ehe er zum Kampfe auszieht? fragte der Komtur unwillig. Das gerade freut mich, daß er keinem Bedenken Raum gibt, wo nichts mehr zu bedenken ist, sondern zuversichtlich zum Schwerte greift. Der Mutige gewinnt!

      Sternberg sah mit finsterm Blick über die Brüstung der Mauer hinweg ins Weite, ohne doch einen Gegenstand aufzufassen. Ich komme von der Marienburg, sagte er nach einer Weile, und war wochenlang um den Hochmeister – glaubt mir, ich habe nicht umsonst Augen und Ohren gehabt. Er beherrscht die Dinge nicht, wie es die Klugheit fordert; sein edler Sinn gibt sich Täuschungen hin, weil er seine Umgebung nach sich mißt. Man rüstet mit fieberhafter Eile, etwa in der Art wie vor Jahren zu einem Kreuzzuge, und Ulrich sehnt ungeduldig den Tag heran, wo er in glänzender Rüstung den Streithengst besteigen und den Seinen voran kämpfen kann, erstaunliche Werke der Tapferkeit verrichtend. Man spricht von der Kriegsfahrt wie von einem ritterlichen Turnier, zu dem die ganze Fürstenschaft als Zuschauer geladen ist, und will nicht sehen, mit welchem Feinde man's zu tun hat. Das wird nimmer gut.

      Der Komtur zog die Stirn in Falten. Ich höre ungern, sagte er, daß Ihr den Meister so scharf tadelt. Wir haben ihn über uns gesetzt und müssen nun auch unter ihm stehen. Zudem scheint mir's, Ihr seid ein Schwarzseher geworden, Freund Sternberg. Weil Ihr selbst Euch aufs Ratschlagen und Unterhandeln gut versteht, wollt Ihr des Mannes andere Art nicht gelten lassen. Wir sind aber ein Ritterorden, und es ziemt ihm, einen Ritter an der Spitze zu haben. Fehlt es ihm doch auch nicht an klugen Beratern, die bedenken, was der Krieg fordert. Wie ich erfahre, rüstet man in der Marienburg mit allem Ernst, gießt schweres Geschütz, sammelt Waffen, zieht Söldner heran. In Monatsfrist wird ein Heer aufgestellt sein, wie es dieses Land noch nie vorher gesehen hat, und an tapferen Führern wird es ihm nicht fehlen.

      Sternberg stützte wieder nachdenklich das Kinn in die Hand, während er neben dem Freunde den Parchan entlang ging. Es kann zweierlei geschehen, begann er nach einer längeren Pause, und auf beides muß man sich gefaßt machen. Eine große Schlacht steht bevor, und wir können siegreich sein oder sie verlieren. Hört mich ruhig an, fuhr er fort, da Plauen den Kopf rasch gegen ihn wandte. Beides ist in seinen Folgen fast gleich bedenklich. Wir können siegreich sein, und dann werden wir nach neuen Siegen lüstern werden, die doch dem Orden keinen dauernden Gewinn bringen können, aber des Landes Mark aufzehren. Wir können die Schlacht verlieren, und dann steht unsere ganze Herrschaft auf dem Spiele. Denn der König wird nach einem Siege nicht anders Frieden machen, als wenn wir uns ihm unterwerfen, und es gibt unter den Gutsherren und Bürgern deren genug, die nicht so ungern –

      Nicht weiter! unterbrach der Komtur. Ihr sprecht von Dingen, die man nicht für möglich halten soll. Unsere Untertanen werden nicht vergessen, welchen Dank sie dem Orden schuldig sind, und Verräter will ich sie nicht schelten lassen, ehe sie's verdienen. Wenn aber Unzufriedenheit im Lande umgeht, woher kommt das? Schließen wir nicht die Augen gegen das nächste. Im Orden selbst herrscht nicht mehr die alte ritterliche Zucht. Die strengen Artikel, wie sie uns als unverbrüchliches Gesetz gegeben sind, werden lästig. Man deutet, man umgeht sie, wie man kann, und die Gebieter gehen mit üblem Beispiel voran. Weil der Orden als Körperschaft Herr ist über dieses Land, so meint nun jedes Glied seinen Teil der Herrschaft für sich haben zu können und in Freuden leben zu dürfen. Viele Hunderte kleine Herren aber erträgt das Land unwillig. Darum müssen wir zurück zur alten Einfachheit und Strenge, zurück zu Armut, Keuschheit und Gehorsam, damit wir stark bleiben als ein Ganzes, ob wir gleich viele sind, und allezeit gerüstet bleiben zum Kampf um Gottes willen!

      Sternberg lächelte. Jedes Jahr hat seine Saat und seine Ernte, entgegnete er, und wir zwingen die Welt nicht zum Stillstand. Als der Orden hier einzog, galt's, das Heidentum auszurotten


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