Vierundzwanzig Unterredungen mit den Vätern. Johannes Cassianus

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Vierundzwanzig Unterredungen mit den Vätern - Johannes Cassianus


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sein sollte. Das ist, als ob nur der Unterschied der Metalle, aber nicht die Leidenschaft der Begierlichkeit für schädlich gehalten würde, und als ob in kleinen Sachen, während man sich für große nicht erzürnen darf, der Zorn ohne Schuld zugelassen werden könnte; als ob wir endlich nicht deßhalb die kostbarern Gegenstände hingeworfen hätten, damit wir um so leichter die werthloseren verachten lernen. Denn was macht es für einen Unterschied, ob Einer die verwirrende Begierde gegenüber reichen und herrlichen Schätzen oder bei werthlosen Gegenständen zur Geltung kommen läßt? Höchstens ist er darin noch tadelnswerther zu finden, daß er, der das Größte verachtete, durch das Kleinste gefesselt wird. Und so erlangt diese Entsagung nicht die Vollkommenheit des Herzens, weil sie zwar für arm geschätzt wird, aber den Willen des Reichen nicht abwirft. <br

      Fünfte Unterredung

      

       welche die des Abtes Serapion über die acht Hauptsünden ist.

      

       1. Abt Serapion.

      

      In jener Gemeinschaft der ältesten Greise war ein Mann Namens Serapion, 190 gar sehr mit der Gnade der Klugheit geschmückt, dessen Unterredung ich der Mühe werth halte, aufgezeichnet zu werden. Denn als wir ihn angingen, daß er Einiges über die Bekämpfung der Laster bespreche, wodurch deren Entstehung und Ursache anschaulicher dargelegt würde, begann er also:

       2. Abt Serapion zählt die acht Hauptsünden auf.

      

      Acht Hauptlaster gibt es, 191 welche das menschliche Geschlecht beunruhigen, nemlich das erste die Gastrimargie, welches bedeutet die Völlerei des Bauches; das zweite die Unzucht; das dritte die Philargyrie, d. i. der Geiz oder die Geldliebe; das vierte der Zorn; das fünfte die Traurigkeit; das sechste die Acedia, d. i. die Engherzigkeit oder der Überdruß des Herzens; das siebente die Cenodoxie, d. i. die Prahlerei, das eitle Rühmen; das achte der Hochmuth.

       3. Von den zwei Gattungen der Sünden und ihrer vierfachen Verwirklichung.

      

      Es sind nun zwei Gattungen dieser Sünden; denn entweder sind sie natürlich, wie die Gefräßigkeit, oder ausser der Natur wie die Geldsucht. Ihre Verwirklichung aber ist vierfach; denn einige können ohne körperliche Handlung nicht vollbracht werden, wie die Völlerei und Unzucht; andere aber werden ohne jede leibliche That begangen, wie die Ruhmsucht und der Hochmuth; einige erhalten die Ursache ihrer Erregung von aussen, wie Habsucht und Zorn; andere aber entstehen durch innerliche Bewegungen, wie die Verdrossenheit und Traurigkeit.

       4. Das Hauptsächlichste über die Leidenschaft der Völlerei und Unzucht und ihre Heilung.

      

      Das wollen wir nun sowohl durch eine möglichst kurze Besprechung als auch durch die Aussprache der hl. Schrift klarer machen. Da uns die Völlerei und Unzucht von Natur aus so nahe liegen, so entstehen sie auch zuweilen ohne jede Anreizung der Seele bloß durch die Aufstachelung und den Reiz des Fleisches. Sie bedürfen aber, um vollendet zu werden, der Materie von aussen, und so kommen sie durch die körperliche Handlung zur Wirklichkeit. „Denn Jeder wird versucht von seiner Eigenen Begierlichkeit; dann, wann die Begierlichkeit empfangen hat, gebiert sie die Sünde; die Sünde aber, wenn sie vollendet ist, gebiert den Tod.“ 192

      So hätte auch der erste Adam nicht durch die Gaumenlust verführt werden können, wenn er nicht die Materie der Speise zur Hand gehabt und so gegen Erlaubniß mißbraucht hätte. Auch der zweite wurde nicht ohne jede materielle Anreizung versucht, da ihm gesagt wurde: 193 „Wenn du der Sohn Gottes bist, so sprich, daß diese Steine Brod werden.“ Daß auch die Unzucht nur durch den Leib ausgeführt werden könne, ist Allen klar, da von diesem Geiste Gott so zu dem frommen Job spricht: 194 „Und seine Kraft ist in seinen Lenden, und seine Macht in Mitte seines Bauches.“ Deßhalb bedürfen besonders diese zwei, welche mit Hilfe des Fleisches geschehen, ausser jener geistigen Pflege der Seele auch noch einer eigenen körperlichen Enthaltsamkeit. Es reicht ja zur Zurückstoßung ihrer Stacheln nicht die bloße Absicht des Geistes hin (wie das gegenüber dem Zorn, der Traurigkeit und den übrigen Leidenschaften zu geschehen pflegt, welche zuweilen auch ohne jede Betrübniß des Fleisches die Thätigkeit des Geistes allein zu besiegen weiß), — wenn nicht auch die körperliche Kasteiung dazu kommt, welche in Fasten, Wachen und thätiger Zerknirschung besteht; wenn ferner nicht die örtliche Entfernung damit verbunden wird, weil sie nur durch die Anstrengung des Geistes und des Leibes überwunden werden können, wie sie ja auch durch die Schuld beider entstehen. Obwohl nun der hl. Apostel alle Laster gemeinhin fleischliche genannt hat, indem er Feindschaft und Zorn und Spaltung unter die übrigen Werke des Fleisches zählt, so unterscheiden doch wir sie in doppelter Theilung, um ihre Wesensbestimmungen und Heilungsarten genauer zusammenzustellen. So sagen wir also, daß einige von ihnen fleischliche, andere geistige seien; und zwar jene fleischlich, welche nach ihrer Art den Reiz und das Gefühl des Fleisches betreffen, und an denen es sich so ergötzt und weidet, daß es auch ruhige Geister aufregt und die Nichtwollenden zuweilen zur Einstimmung in seinen Willen hinzieht. Von solchen sagt der Apostel: 195 „Auch wir alle wandelten einst nach den Begierden unseres Fleisches und thaten den Willen des Fleisches und des (eigenen) Denkens und waren von Natur aus Kinder des Zornes wie auch die Übrigen.“ — Geistige Sünden aber nennen wir die, welche nur nach dem Drange des Geistes entstehen und dem Fleische nicht nur keine Lust bringen, sondern es auch mit den schwersten Leiden behaften und nur die kranke Seele auf die Weide ihrer elenden Ergötzung führen. Deßhalb bedürfen diese nur eines innern Heilmittels, während die fleischlichen wie gesagt nur durch eine doppelte Kur zur Gesundheit gelangen können. So nützt es also denen, die nach Reinheit streben, am meisten, wenn sie sich die Gegenstände dieser fleischlichen Leidenschaften gleich von vornherein entziehen, insofern durch dieselben für die noch kranke Seele eine Veranlassung zu eben diesen Neigungen oder eine Erinnerung an dieselben entstehen kann. Denn für eine zweifache Krankheit muß man auch eine zweifache Kur anwenden. So ist dem Körper, damit die Begierlichkeit nicht zur That hervorzubrechen suche, nothwendig, die verführerische Gestalt und Materie zu entziehen; und damit die Seele nicht eine solche im Gedanken auffasse, muß ihr überdieß eine aufmerksamere Lesung der Schriften, eine wachsame Sorge und einsame Zurückgezogenheit zugemuthet werden. Bei den übrigen Sünden aber schadet der Umgang mit Menschen nicht; ja er nützt sogar denen sehr viel, die ihn wirklich zu entbehren wünschen, weil sie beim Verkehr mit Menschen mehr in ihrem wahren Wesen zum Vorschein kommen. Wenn nun das Aufgestöberte häufiger offenbar wird, so kommen sie durch die schnell vorhandene Medicin zum Heil.

       5. Wie unser Herr allein ohne Sünde versucht worden sei.

      

      Obwohl unser Herr Jesus Christus nach dem Ausspruche des Apostels 196 in Allem versucht wurde nach der Ähnlichkeit mit uns, so heißt es doch: „ohne Sünde,“ d. i. ohne Berührung mit dieser Leidenschaft, da er durchaus nicht die Stacheln der fleischlichen Begierlichkeit erfuhr, durch die wir nothwendig auch ohne unser Wissen und Wollen getroffen werden. Bei ihm fand ja keine Ähnlichkeit mit menschlicher Zeugung oder Empfängniß statt, da der Erzengel die Weise seiner Empfängniß so verkündet: 197 „Der hl. Geist wird auf dich herabkommen, und die Kraft des Allerhöchsten wird dich überschatten. Deßhalb wird auch das Heilige, das aus dir geboren werden wird, Sohn Gottes genannt werden.“

       6. Über die Art der Versuchung, durch welche der Herr vom Teufel versucht wurde.

      

      Derjenige, welcher das unversehrte Ebenbild und Gleichniß Gottes besaß, mußte in denselben Leidenschaften versucht werden, in denen


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