Sammelband 7 Schicksalsromane: Von ihren Tränen wusste niemand und andere Romane. A. F. Morland
Читать онлайн книгу.hätte, wenn Bachmann gezahlt gehabt hätte, trotzdem mit Petra geschlafen, um auch ihre einhundertfünfzigtausend Mark zu kriegen.
Na schön, diese clevere Rechnung war also nicht aufgegangen, aber hundertfünfzig Riesen waren ja auch nicht zu verachten. Er war auch so der Gewinner in diesem irren Spiel, und mit dieser schönen Frau ins Bett zu gehen, war für ihn bei Gott alles andere als eine Strafe.
Petra Praetorius stellte den Geldkoffer ab und sah sich unglücklich um.
Himmel, was tue ich hier?, fragte sie sich verzweifelt, und sie bekam plötzlich Angst vor der eigenen Courage.
Sie hatte nicht geglaubt, dass es leicht sein würde, aber sie hätte nicht gedacht, dass es ihr so schwerfallen würde. Es war ihr ja beinahe unmöglich.
Hart und verkrampft war ihr schlanker Körper. Sie war nicht fähig, sich zu regen. Wie eine Statue aus glattem, totem Marmor stand sie mitten im Raum.
Walter sah sie ungeduldig an. Er hätte es nicht so nüchtern angehen dürfen.
Beinahe unfreundlich sagte er: „Na los,worauf wartest du? Zieh dich aus. Oder brauchst du eine Extraeinladung?“
Sie war geschockt. Sollte wirklich so ihr Baby entstehen? Auf diese kalte, unpersönliche, nüchterne Art? Was danach unter ihrem Herzen reifen würde, würde niemals eine Frucht der Liebe sein, sondern – vielleicht – ein Balg, zu dem sie keine Beziehung hatte.
Petra erlebte alles wie in Trance. Sie begann sich zu entkleiden, schämte sich nicht, war sich ihrer Nacktheit überhaupt nicht bewusst, als Walter sagte: „Du hast einen phantastischen Körper.“
Seine Stimme drang wie durch dicke Daunenkissen an ihr Ohr. Sie vernahm die Worte zwar, verstand aber deren Sinn nicht. Sie hatte einen richtigen Blackout, handelte wie ein Roboter – auf Knopfdruck,
„Komm her!“, verlangte Walter.
Sie gehorchte.
„Küss mich!“
Sie tat es.
„Leg dich hin!“
Sie legte sich aufs Bett. Walter legte sich neben sie. Sie spürte seine Hände, ihr war kalt, sie fröstelte. Er hielt das Zittern ihres nackten Körpers für Leidenschaft. Man konnte also doch Gefühle in ihr wecken. Petra empfand Ekel, nicht vor Walter, sondern vor sich selbst. Wie konnte sie nur so etwas Verwerfliches tun?
Seine weichen Lippen waren an ihrem Hals. Er kam allmählich auf Touren, sein Atem beschleunigte und strich heiß über ihre Schultern. Aber ihr blieb trotzdem kalt, und ihr wurde schlecht.
Ihr Magen revoltierte. Gleich würde sie sich übergeben müssen! Alles, was Walter tat, war ihr in höchstem Maße zuwider. Er steigerte sein Bemühen, sie zu stimulieren, wurde immer zudringlicher.
Mit einem Mal packte es sie wie ein wilder, alles vernichtender Feuersturm.
Sie ertrug Walters Zärtlichkeiten nicht länger, konnte es nicht mehr ausstehen, von ihm berührt, gestreichelt zu werden,
„Nein!“, schrie sie fassungslos, doch Walter Schmidt machte weiter. „Hör auf!“, keuchte sie.
Walter dachte nicht daran.
„Ich will nicht!“, krächzte Petra und wehrte sich verzweifelt. Walter ignorierte es. „Ich kann nicht!“, schluchzte Petra. Walter wollte sie zu sich ziehen, da gab sie ihm mit beiden Händen einen so kräftigen Stoß, dass er aus dem Bett fiel. Krachend landete er auf dem Boden. Ein jäher Schmerz durchglühte ihn, und er fluchte laut. Petra sprang aus dem Bett. Panik flackerte in ihrem Blick. Sie zog sich gehetzt an.
„Verdammt, kannst du mir verraten, was das werden soll?“, schrie Walter zornig.
Petra schlüpfte irgendwie in ihr Kleid.
Walter erhob sich. „Das kannst du nicht machen!“
Petra zog ihre Schuhe an und stürmte in heller Panik aus seinem Zimmer.
„Petra!“, brüllte Walter außer sich vor Wut. „Petra, komm zurück! Du kommst auf der Stelle zurück, Petra! Petra!“
Die Wohnungstür knallte zu, und dann war es um Walter Schmidt herum auf einmal so still wie in einer Gruft. Er stampfte mit dem Fuß kräftig auf.
„Das gibt’s ja nicht! Das kann ja alles nicht wahr sein! Jetzt hat sie vollends den Verstand verloren! Kein Wunder bei dem verrückten Vater! Das musste ja mal passieren!“
Sein Blick fiel auf den Geldkoffer, den Petra Praetorius zurückgelassen hatte. „Also, eines steht fest“, knurrte er. „Den kriegt sie nicht wieder.“ Bei diesen Aussichten beruhigte er sich verhältnismäßig rasch.
Petra hingegen beruhigte sich lange nicht. Sie rannte verstört durch die Stadt, planlos, ziellos. Sie hatte keine Ahnung, wo sie war.
Sie war vor sich selbst auf der Flucht, weinte, war unglücklich, verzweifelt und völlig von Sinnen. Wohin sollte sie? Nach Hause?
Nein, nicht nach Hause. Sie schämte sich zu sehr. Zu schlimm war das, was sie beinahe getan hätte. Wie hatte sie nur glauben können, dass sie dazu imstande war?
Ich kann Claus nie wieder in die Augen sehen!, schrie es in ihr. O Claus, mein geliebter Schatz, wirst du mir jemals verzeihen können? Was habe ich getan? Was habe ich nur getan? Ich wünschte, ich wäre tot. Oh, wäre es nur möglich, all das Schreckliche ungeschehen zu machen oder wenigstens zu vergessen.
Vergessen ... Sie stand auf einer der Isarbrücken und starrte geistesabwesend ins Wasser. Vergessen ... Dort unten ...
Ein Mann sprach sie an. „Ist alles in Ordnung?“
Sie sah ihn an, blickte durch ihn hindurch.
„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte der Mann.
Sie eilte weiter, ohne zu antworten. Männer ... Sie wollte nichts mehr von Männern wissen ... Aber das stimmte nicht. Sie liebte Claus nach wie vor, und sie wäre überglücklich gewesen, wenn er ihr vergeben hätte.
Ach, sie war ja so fürchterlich durcheinander, und sie wusste nicht, wohin sie sollte. Wohin? Wohin? Um Himmels Willen, wo sollte sie hin?
Sie hatte kein Zuhause mehr. Sie fühlte sich plötzlich ganz entsetzlich einsam und verlassen. Obwohl sie auf ihrem wirren Weg durch die Stadt so vielen Menschen begegnete, war sie so allein wie nie zuvor im Leben.
Ausgestoßen. Keiner liebte sie mehr. Keiner wollte sie mehr haben. Konnte sie noch tiefer fallen? Sie konnte sich das nicht vorstellen.
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Auf Dr. Sven Kaysers Betreiben hin stellte Dr. Ulrich Seeberg Nachforschungen an, und die brachten zutage, dass Petras Urgroßmutter, die Großmutter und die Mutter die Geburt ihres ersten Kindes tatsächlich nicht überlebt hatten, dass sie jedoch allesamt nicht am „Kinderkriegen“ gestorben waren. Die Urgroßmutter hatte ihr Leben nach einem Zeckenbiss, der eine Hirnhautentzündung zur Folge hatte, verloren. Die Großmutter hatte einen Tag, bevor sie nach der Entbindung das Krankenhaus hätte verlassen dürfen, eine schwere Lungenentzündung bekommen und diese nicht überlebt. Und die Mutter war an einem unentdeckten Myokardschaden im Wochenbett gestorben.
„Ich