Dickens' Geschichten über Kinder, für Kinder erzählt. Charles Dickens

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Dickens' Geschichten über Kinder, für Kinder erzählt - Charles Dickens


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Harry zog sich schnell an. Seine Brust begann zu schwellen, als er fast fertig war, und sie schwoll immer mehr an, während er seinen Vater anschaute; und sein Vater schaute ihn an, das stille Abbild von ihm selbst.

      " 'Bitte, darf ich' – der Esprit dieses kleinen Geschöpfes und die Art, wie er seine aufsteigenden Tränen niederkämpfte! – 'Bitte, lieber Paps – darf ich – Norah küssen, bevor ich gehe?'

      " 'Du darfst, mein Kind.'

      "Also nahm der Vater Master Harry an der Hand, während Boots den beiden mit seiner Kerze den Weg in das andere Schlafzimmer zeigte, wo die ältere Dame am Bett neben der armen, kleinen, noch fest schlafenden Mrs. Harry Walmers, Jr. saß. Dort hob der Vater das Kind zum Kissen hoch, sodass dieses sein kleines Gesicht für einen Augenblick neben das warme Antlitz der schlafenden, kleinen Mrs. Harry Walmers, Jr. legen konnte – ein so berührender Anblick, dass eines der Zimmermädchen, die durch die Tür spähten, rief: 'Es ist eine Schande, sie zu trennen!' Aber dieses Zimmermädchen war, wie Boots mir sagte, schon immer sehr weichherzig. Nicht, dass das schlecht gewesen wäre. Ganz im Gegenteil."

      III. DIE KLEINE DORRIT

      Vor vielen Jahren, als Menschen wegen Schulden noch ins Gefängnis gesteckt werden konnten, wurde ein armer Herr, der das Pech gehabt hatte, sein ganzes Geld zu verlieren, in das Marshalsea-Gefängnis gebracht, in dem ausschließlich Schuldner einsaßen. Da es keine Aussicht zu geben schien, seine Schulden tilgen zu können, lebten irgendwann auch seine Frau und seine zwei kleinen Kinder dort mit ihm. Das ältere Kind war ein Junge von drei Jahren, das jüngere ein kleines Mädchen von zwei, und nicht lange danach wurde ein weiteres kleines Mädchen geboren. Die drei Kinder spielten im Hof und waren im Großen und Ganzen glücklich, weil sie zu jung waren, um sich an glücklichere Zeiten erinnern zu können.

      Aber das jüngste Kind, das noch nie außerhalb der Gefängnismauern gewesen war, war ein aufgewecktes. kleines Geschöpf, das sich oft fragte, wie die Welt draußen wohl sein würde. Der Gefängniswärter, der nicht nur ihr größter Freund, sondern auch ihr Taufpate war, hatte sie sehr lieb gewonnen, und sobald sie laufen und sprechen konnte, brachte er einen kleinen Sessel mit, stellte diesen an das Feuer in seinem Häuschen und beschwatzte sie mit billigem Spielzeug, sich zu ihm zu setzen. Da auch das Kind ihn sehr liebte, brachte sie oft ihre Puppe mit und zog diese an und aus, während sie in dem kleinen Sessel saß. Sie war noch sehr, sehr klein, als sie langsam verstand, dass nicht jeder Mensch hinter hohen Mauern mit Dornen an der Spitze eingesperrt lebte, und obwohl sie und der Rest der Familie durch die Tür gehen konnten, die der große Schlüssel öffnete, konnte ihr Vater dies nicht, weswegen sie ihn mit fragendem Mitleid in ihrem kleinen, sanften Herzen ansah.

      Eines Tages saß sie im Häuschen des Wärters und blickte wehmütig durch das vergitterte Fenster in den Himmel. Nachdem der Wärter sie einige Zeit beobachtet hatte, sagte er:

      "Du denkst an die Felder, nicht wahr?"

      "Wo sind sie?", fragte das Mädchen.

      "Na, sie sind – dort drüben, meine Liebe", sagte der Wärter und wedelte vage mit dem Schlüssel, "ungefähr dort."

      "Gibt es dort auch jemanden, der sie öffnet und schließt? Sind sie verschlossen?"

      "Nun", sagte der Wärter, der nicht wusste, was er sagen sollte, "im Allgemeinen nicht."

      "Sind sie hübsch, Bob?" Sie nannte ihn Bob, weil er es so wollte.

      "Hübsch. Voller Blumen. Es gibt dort Butterblumen, und auch Gänseblümchen, und" – hier zögerte er, da er die Namen vieler Blumen nicht kannte – " Löwenzahn und alle möglichen wilden Tiere."

      "Ist es schön, wenn man dort ist, Bob?"

      "Klasse", erwiderte der Wärter.

      "War Vater jemals dort?"

      "Ähem!", hustete der Wärter. "Oh ja, er war dort, manchmal."

      "Tut es ihm leid, dass er nicht mehr dort sein kann?"

      "N – nicht besonders", sagte der Wärter.

      "Auch keinem der anderen Leute?", fragte sie und warf einen Blick auf die lustlose Menge im Innenhof. "Oh, sind Sie sich ganz sicher, Bob?"

      An diesem Punkt hatte Bob ein Einsehen und wechselte das Thema zu Süßigkeiten. Aber nach diesem Gespräch ging er mit der kleinen Amy an seinen freien Sonntagnachmittagen auf einige Wiesen oder grüne Wege, und sie pflückte dort Gras und Blumen, die sie mit nach Hause nahm, während er seine Pfeife rauchte; danach gingen sie in einige Teegärten, wo es Garnelen, Tee und andere Köstlichkeiten gab, und kamen Hand in Hand zurück – es sei denn, sie war schon sehr müde und auf seiner Schulter eingeschlafen.

      Als Amy erst acht Jahre alt war, starb ihre Mutter. Der arme Vater war hilfloser und gebrochener denn je, und da Fanny ein nachlässiges Kind und Edward faul war, führte die Liebe und Selbstlosigkeit der Kleinen, die das tapferste und ehrlichste Herz hatte, schließlich dazu, dass sie in die Mutterrolle der verlorenen Familie schlüpfte und darum kämpfte, für sich selbst, ihren Bruder und ihre Schwester ein wenig Bildung zu erhalten.

      Zunächst konnte so ein Kleinkind nicht viel mehr tun, als ihren amüsanteren Platz am Feuergitter zu verlassen, bei ihrem Vater zu sitzen und diesen still zu beobachten. Aber das machte sie für ihn so unentbehrlich, dass er sich an ihre Anwesenheit gewöhnte und sie immer mehr vermisste, wenn sie nicht da war. Durch dieses kleine Tor verließ sie ihre Kindheit und gelangte hinaus in die mit Sorgen beladene Welt.

      Und was ihr mitleidvoller Blick zu dieser frühen Zeit in ihrem Vater, in ihrer Schwester, in ihrem Bruder und im ganzen Gefängnis sah, wie viel oder wie wenig Gott ihr von dieser elenden Wirklichkeit zeigte, bleibt wohl verborgen wie so manch andere Geheimnisse. Es genügt zu wissen, dass sie dazu inspiriert wurde, anders zu sein als der Rest, fleißig und bemüht, und zwar um des Restes willen. Inspiriert? Ja. Sollen wir von einem Dichter oder einem Priester sprechen und nicht von einem Herzen, das von Liebe und Selbsthingabe zu der niedrigsten Arbeit in der niedrigsten Lebensweise getrieben wurde?

      Die Familie blieb so lange im Gefängnis, dass der alte Mann als "Vater des Marshalsea" und die kleine Amy, die nie ein anderes Zuhause gekannt hatte, als "Kind des Marshalsea" bekannt wurden.

      Mit dreizehn Jahren konnte sie lesen und Buch führen - das heißt, sie konnte in Worten und Zahlen niederschreiben, wie viel das Nötigste, das sie kaufen wollten, kosten würde, und wie viel ihnen dazu noch fehlte. Immer wieder war sie für ein paar Wochen draußen in einer Abendschule gewesen und hatte im Lauf von drei oder vier Jahren ihre Schwester und ihren Bruder zeitweise in Tagesschulen schicken können. Zu Hause gab es für sie nichts zu lernen; aber sie wusste genau – niemand besser als sie – dass ein so gebrochener Mann, der nur der "Vater des Marshalsea" genannt wird, seinen eigenen Kindern kein Vater sein konnte.

      Diesen spärlichen Mitteln zur Verbesserung ihrer Lebensumstände fügte sie bald ein weiteres hinzu, dass sie selbst erdacht hatte. Einmal fand sie in der Menge der Gefangenen einen Tanzlehrer. Ihre Schwester hatte schon immer den großen Wunsch, die Kunst des Tanzens zu erlernen, und schien dafür auch ein Talent zu haben. Im Alter von dreizehn Jahren stellte sich also das "Kind des Marshalsea" mit einem kleinen Säckchen in der Hand dem Tanzlehrer vor und trug ihm ihre demütige Bitte vor.

      "Bitte, ich bin hier geboren, Sir."

      "Oh! Du bist die junge Dame, nicht wahr?", fragte der Tanzlehrer und betrachtete die kleine Figur mit dem erhobenen Gesicht.

      "Ja, Sir."

      "Und was kann ich für dich tun?", fragte er erneut.

      "Für mich nichts, Sir, danke", antwortete das Kind und öffnete vorsichtig die Schnüre des Säckchens; "aber wenn Sie, während Sie hier bleiben müssen, so freundlich wären, meiner Schwester für wenig Geld das Ta – "

      "Mein Kind, ich werde sie umsonst unterrichten", sagte der Tanzlehrer und schloss das Säckchen. Er war der gutmütigste Tanzlehrer, der je vor dem Hof der Mittellosen tanzte, und


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