Dickens' Geschichten über Kinder, für Kinder erzählt. Charles Dickens

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Dickens' Geschichten über Kinder, für Kinder erzählt - Charles Dickens


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und verkündete, dass er den Job geschmissen hatte. Wo auch immer er hinging, schien dieser nutzlose Tip die Gefängnismauern mitzunehmen und sie bei seiner Anstellung wieder aufzurichten; und innerhalb ihrer engen Grenzen trieb er so lange sein schlampiges, schludriges, zielloses und lustloses Unwesen, bis die echten, unbeweglichen Mauern des Marshalsea ihre Macht über ihn behaupteten und ihn zurückbrachten.

      Nichtsdestotrotz hatte sich das tapfere, kleine Geschöpf so sehr auf die Rettung ihres Bruders versteift, dass sie genug zusammenbettelte und zusammenkratzte, um ihn nach Kanada zu schicken. Als er es leid war, überhaupt nichts mehr zu tun, und sich dafür entschied, auch das noch zu schmeißen, willigte er gütigst ein, dorthin zu gehen. Beim Abschied fühlte Amy sowohl Trauer über die Trennung, als auch Freude über die Hoffnung, dass er nun endlich den rechten Weg einschlagen würde.

      "Gott segne dich, lieber Tip. Sei dir nicht zu schade, uns zu besuchen, wenn du dein Glück gemacht hast."

      "In Ordnung!", sagte Tip und ging.

      Aber nicht den ganzen Weg bis nach Kanada; eigentlich ging er nicht weiter als bis nach Liverpool. Nachdem er von London aus die Reise zu diesem Hafen angetreten hatte, war er des Schiffes schon wieder so müde, dass er beschloss, den ganzen Weg wieder zurückzulaufen. In Ausführung dieser Absicht stand er nach Ablauf eines Monats wieder vor ihr, in Lumpen, ohne Schuhe und viel müder als je zuvor.

      Schließlich, nachdem er wieder einige Zeit Besorgungen erledigt hatte, fand er tatsächlich eine Beschäftigung, die ihm gefiel, und kündigte diese wie folgt an.

      "Amy, ich habe ein Anstellung."

      "Wirklich und wahrhaftig, Tip?"

      "Absolut. Jetzt werde ich es durchziehen. Du musst dich nicht länger um mich sorgen, altes Mädchen."

      "Was ist es, Tip?"

      "Na, du kennst doch Slingo vom Sehen?"

      "Aber nicht den Mann, den man den Händler nennt?"

      "Doch, das ist der Kerl. Er kommt am Montag raus und wird mir einen Job geben."

      "Womit handelt er denn, Tip?"

      "Mit Pferden. Jetzt werde ich es durchziehen, Amy."

      Danach verlor sie ihn monatelang aus den Augen und hörte nur noch einmal von ihm. Unter den älteren Häftlingen wurde geflüstert, dass er bei einer Scheinauktion in Moorfields gesehen worden sei, wo er vorgab, plattierte Gegenstände als echtes Silber zu kaufen, und dafür mit größter Freizügigkeit in Banknoten bezahlte; aber dieses Gerücht kam ihr nie zu Ohren. Eines Abends war sie allein bei der Arbeit – aufrechtstehend am Fenster, um das Dämmerlicht über der Mauer nutzen zu können – , als er die Tür öffnete und hereinkam.

      Sie küsste und begrüßte ihn, traute sich aber nicht, ihm diese eine Frage zu stellen. Er sah, wie besorgt und ängstlich sie war, und etwas schien ihm leid zu tun.

      "Ich habe Angst, Amy, dass du dieses Mal wirklich sauer bist. So wahr ich hier stehe!"

      "Es tut mir sehr leid, dich das sagen zu hören, Tip. Bleibst du hier?"

      "Nun – ja."

      "Da ich diesmal nicht erwartet habe, dass du es wirklich durchziehen würdest, bin ich weniger überrascht und traurig, als ich es vielleicht sonst gewesen wäre, Tip.

      "Ach! Aber das ist nicht das Schlimmste."

      "Nicht das Schlimmste?"

      "Schau nicht so erschrocken. Nein, Amy, das ist nicht das Schlimmste. Ich bin wieder hier, das siehst du; aber – schau nicht so erschrocken – ich bin auf eine, ich möchte es mal so nennen, neue Weise zurückgekommen. Ich bin nicht mehr auf der Freiwilligenliste. Ich bin jetzt einer der Stammgäste. Ich bin im Gefängnis wegen meiner Schulden, wie alle anderen auch."

      "Oh! Sag nicht, dass du jetzt ein Gefangener bist, Tip! Bitte nicht, bitte nicht!"

      "Nun, ich wollte es ja nicht sagen", erwiderte er widerstrebend; "aber wenn du es nicht kapierst, ohne dass ich es sage, was soll ich dann machen? Ich bin mit vierzig Pfund und einem bisschen Kleingeld verschuldet."

      Zum ersten Mal in all den Jahren brach sie unter ihrer Last zusammen. Sie hielt ihre gefalteten Hände über dem Kopf und rief, dass es ihren Vater umbringen würde, wenn er es jemals erfuhr; dann fiel sie vor Tips nutzlose Füße.

      Es war leichter für Tip, sie zur Vernunft zu bringen, als es für sie war, indem sie versuchte ihm klarzumachen, dass der "Vater des Marshalsea" außer sich wäre, wenn er die Wahrheit erführe. Tip fand nichts Merkwürdiges daran, als Gefangener dort zu sein, aber er stimmte mit ihr überein, dass es sein Vater nicht erfahren sollte. Es gab jede Menge Gründe, mit der man seine Rückkehr begründen konnte, und dem Vater wurde alles so glaubwürdig wie möglich präsentiert; die Kollegen, die ein besseres Verständnis für diese Art von Betrug hatten als Tip, schwiegen standhaft.

      Dies war das Leben und die Geschichte des "Kindes des Marshalsea" mit zweiundzwanzig Jahren. Ihr Interesse an diesem jämmerlichen Innenhof und dem Häuserblock als ihrem Geburtsort und ihrem Zuhause war ungebrochen, und sie war sich durchaus bewusst, dass man auf sie zeigte, wenn sie draußen unterwegs war. Seit sie begonnen hatte, jenseits der Mauern zu arbeiten, war es für sie zur Notwendigkeit geworden, niemandem zu sagen, wo sie wohnte, und sich so heimlich wie möglich zwischen der freien Stadt und den Eisentoren, außerhalb derer sie nie in ihrem Leben geschlafen hatte, zu bewegen. Ihre eigene Schüchternheit war mit dieser Verschleierung noch größer geworden, und ihr leichter Schritt und ihre kleine Gestalt mieden die dicht gedrängten Straßen, während sie ihres Weges ging.

      Sie kannte sich aus in den Notwendigkeiten und Bedürfnissen der Armen und Verstoßenen, war arglos in allen anderen Dingen. Arglos, was den Nebel anging, durch den sie ihren Vater sah, das Gefängnis, und den dunklen, lebendigen Fluss, der durch es hindurch- und weiterfloss.

      Dies war das Leben und die Geschichte der kleinen Dorrit, bis der Sohn von Mrs. Clennam, der Dame, in deren Haus Amy Handarbeiten verrichtete, sich für das blasse, geduldige, kleine Geschöpf interessierte. Eines Tages folgte er ihr nach Hause, und als er feststellte, dass sie im Schuldnergefängnis lebte, ging auch er hinein. Als er von ihrem Vater ihre traurige Geschichte hörte, beschloss Arthur Clennam, sein Bestes zu tun, um dessen Freilassung zu erreichen und ihnen allen zu helfen.

      Eines Tages, als er mit Amy nach Hause ging, um die Namen einiger Personen herauszufinden, denen ihr Vater Geld schuldete, hörten sie eine Stimme rufen: "Kleine Mutter, kleine Mutter." Dann rannte eine seltsame Gestalt auf sie zu, fiel vor ihnen hin und verstreute dabei den Inhalt ihres Korbes voller Kartoffeln auf dem Boden. "Oh Maggie", sagte Amy, "was bist du doch für ein ungeschicktes Kind!"

      Sie war etwa achtundzwanzig Jahre alt, groß gewachsen, mit kantigen Gesichtszügen, großen Hände und Füßen, großen Augen und keinen Haaren. Amy erzählte Mr. Clennam, dass Maggie die Enkelin ihres alten Kindermädchens sei, das schon lange tot war, und dass ihre Großmutter sehr unfreundlich zu ihr gewesen sei und sie geschlagen habe.

      "Als Maggie zehn Jahre alt war, hatte sie Fieber, und seitdem ist sie nie älter geworden."

      "Zehn Jahre alt", sagte Maggie. "Aber was für ein schönes Krankenhaus! So gemütlich, nicht wahr? So ein himmlischer Ort! So tolle Betten! So viel Limonade! So viele Orangen! Solch köstliche Brühe und Saft! So leckere Hühnchen! Oh, was für ein entzückender Ort, um dort zu verweilen!"

      "Die arme Maggie dachte, dass ein Krankenhaus der schönste Ort auf der ganzen Welt sei, weil sie noch nie ein richtiges Zuhause erlebt hatte. Jahrelang blickte sie auf das Krankenhaus als eine Art Himmel auf Erden zurück."

      "Als sie schließlich entlassen wurde, wusste ihre Großmutter nicht, was sie mit ihr machen sollte, und war sehr unfreundlich zu ihr. Aber nach einiger Zeit ging es Maggie besser, sie lernte viel und war sehr fleißig, sodass sie jetzt ihren Lebensunterhalt selbst verdienen kann, Sir!"

      Amy


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