Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2). Hans Kneifel
Читать онлайн книгу.die sich schlimmer auswirken konnten als die gleichzeitige Explosion von hundert Supernova.
Eigentlich sah die Kunststoffschachtel, die ich versehentlich von einem Schränkchen stieß, nach rein gar nichts aus. Deshalb hob ich sie lediglich auf und stellte sie als ordnungsliebendes Wesen an ihren Platz zurück.
Erst als ich sie kurz darauf ein zweites und gleich danach ein drittes Mal unabsichtlich herunterstieß, schenkte ich ihr etwas mehr Aufmerksamkeit, wenn auch nur widerwillig und im Grunde genommen nur, weil ich mich über ihre dumme Platzierung ärgerte.
Ich versuchte sie zu öffnen und brach mir dabei einen Fingernagel ab. Wütend warf ich sie auf den Boden, woraufhin sie von selber aufging. Ihr Inhalt verstreute sich über mehrere Quadratmeter.
Es war nichts Besonderes, nur etwa dreißig in allen Farben schillernde Kristalle, wie man sie in jedem Ramschladen finden konnte.
Normalerweise hätte ich sie in die Schachtel zurückgelegt und wieder vergessen, denn was sollte ich schon mit profanem Glitzerkram anfangen. Ich trug keinen Schmuck, und zudem waren die Kristalle nicht einmal gefasst.
Doch dann trat ich unabsichtlich mit dem Stiefelabsatz auf einen Kristall – und unwillkürlich wartete ich auf das Krachen und Knirschen, mit dem er zerbrach.
Als es ausblieb, zog ich verwundert den Fuß weg und sah, dass der Kristall völlig unversehrt geblieben war. Auch das musste nichts weiter zu bedeuten haben, denn es gab genug natürlich vorkommende Kristalle mit hoher Härtezahl.
Dennoch entschloss ich mich, ihn mir näher anzusehen.
Da ich vom langen Herumsuchen müde war, wollte ich mich nicht schon wieder bücken. Darum dirigierte ich statt dessen eines meiner beiden aktivierten Module zu dem Kristall, um die Klassifizierung vornehmen zu lassen – und um mich dann wieder wichtigeren Dingen zuzuwenden.
Aber kaum hatte das Modul mit der Klassifizierung begonnen, gab es Alarm in meinem MR-Sektor.
Ich stand plötzlich ganz still und lauschte den eintreffenden Impulsen des Moduls.
Was sie mir verrieten, stellte eine Sensation dar – jedenfalls für einen Spezialisten der Zeit und Absolventen der Zeitschule von Rhuf.
Der Kristall wies einen klar ausgeprägten Temporal-Tropismus auf, das hieß, alle seine Elementarzellen waren temporal ausgerichtet.
Was das für ihre Funktionen bedeutete, ließ sich ohne Untersuchungen in einem gut ausgerüsteten Labor nicht feststellen. Aber ich wusste sehr wohl, was das hinsichtlich ihrer Geschichte bedeutete.
Denn der Temporal-Tropismus von Kristallen ließ sich nur nach einem ganz bestimmten und – soviel ich wusste – einzigen Verfahren erzeugen: mit dem so genannten Tryzotropie-Verfahren.
Und das war eines der größten Geheimnisse der Zeitschule von Rhuf gewesen!
Meine Finger zitterten, als ich mich bückte und den Kristall aufhob.
Ich fühlte mich irgendwie mit ihm verwandt, denn seine und meine Strukturen waren an ein- und demselben Ort geprägt worden, wenn auch aus unterschiedlichen »Rohmaterialien«.
Langsam richtete ich mich wieder auf. Meine Augen hingen gebannt an dem Kristall auf meiner Handfläche.
Niemals konnte Guray sich diesen Kristall selber aus der Zeitschule von Rhuf beschafft haben. Sie wurden niemals in fremde und unbefugte Hände gegeben. Zu groß war die Gefahr, dass Missbrauch mit ihnen getrieben würde.
Das aber bedeutete, dass sie nur auf einem Weg von Rhuf nach Manam-Turu gelangt waren.
Ein anderer Spezialist der Zeit und Absolvent der Zeitschule von Rhuf musste irgendwann nach Manam-Turu gekommen sein.
Vielleicht befand er sich sogar noch in dieser Galaxis.
Und vielleicht konnte ich ihn treffen und von ihm Antwort auf viele brennende Fragen erhalten – und vielleicht war er sogar ein Artgenosse von mir, ein Tigganoi, denn wegen unserer unerreichten Eignung zu Modulträgern wurden fast ausnahmslos nur Angehörige unseres Volkes in der Zeitschule von Rhuf aufgenommen.
Ich steckte den Kristall ein, ohne recht zu wissen, was ich tat. Es war, als hätte eine andere Wesenheit die Kontrolle über mich übernommen.
Die Liftplattform glitt aufwärts, als ich mich auf sie stellte. Oben angekommen, wandte ich mich sofort dem Ausgang zu. Ich musste unbedingt meiner Partnerin von dem Kristall erzählen und dann mit ihr darüber beraten, wie und wo ich die Suche nach einem zweiten Modulmann beginnen könnte.
Geistesabwesend griff ich mir etwas von dem Geschmeide, das in der oberen Schatzkammer herumlag, und betrat dann den Korridor.
Diesmal, ohne Module vorauszuschicken.
Als es mir einfiel, war es zu spät, denn da befand ich mich bereits an einem anderen Ort.
Mit den Fallen war es hier wie anderswo mit manchen Hofhunden. Sie ließen einen hinein, aber nicht wieder hinaus ...
3.
Neithadl-Off
Es war zum Verzweifeln!
Tag für Tag hatte mich Goman-Largo während der letzten Wochen gefragt, wann Anima endlich soweit sei, diesen verwünschten Planeten wieder zu verlassen, damit er seine eigentlichen Ziele weiterverfolgen könne – und heute, wo ich ihn so dringend gebraucht hätte, war er noch nicht ein einziges Mal aufgetaucht.
Ich litt unter Depressionen.
Das war an sich nicht meine Art. Wahrscheinlich hatte Anima mich angesteckt. Oder dieses rätselhafte Wesen namens Guray, dessen Gefühle den ganzen Planeten in eine Aura von Todessehnsucht hüllten.
Als sich die Bodenschleuse vor mir öffnete, nahm ich überrascht den blauen Himmel und den hellen Sonnenschein wahr. Ich streckte meine Sensorstäbchen weit aus, um möglichst viele Eindrücke in mich aufzunehmen, denn ich traute dem Frieden nicht.
Aber es gab keine Anzeichen für im Hinterhalt lauernde Feinde. Alles war ruhig. Nur ganz schwach spürte ich die Vibration von nervöser Unruhe, die in den Dingen von Barquass verborgen war. Dennoch blieben sie nicht ohne Wirkung auf mich. Sie verstärkten meine Depressionen. Es wurde allerhöchste Zeit, dass der Tigganoi zurückkam. Wenn er wieder bei mir war, würde es mir bestimmt gleich besser gehen. Ich wusste das aus Erfahrung.
War es, weil ich ihn liebte?
Ich wies das impulsiv weit von mir. Womöglich verriet ich mich eines Tages noch, wenn ich es zuließ, dass meine Gefühle zu ihm sich ungezügelt entwickelten. Das durfte auf keinen Fall geschehen. Er hatte gelacht, als er mir erzählte, laut seinem uralten Präkognitiogramm gäbe es für ihn nur eine einzige Möglichkeit der Befreiung aus dem Stasisfeld, in das die Agenten des Ordens der Zeitchirurgen ihn gesperrt gehabt hatten.
Eine Parazeit-Historikerin, die sich in ihn verliebte!
Goman-Largo hatte gelacht, weil er seiner Meinung nach für mich so fremdartig war, dass ich mich natürlich nicht in ihn verlieben konnte. Es hatte mir einen grausamen Stich versetzt.
Wie hatte er so an den Realitäten vorbeidenken können?
Schließlich war ich eine Parazeit-Historikerin – und ich hatte mich in ihn verliebt!
Aber sein Lachen hatte es mir für alle Zeiten unmöglich gemacht, ihm meine Liebe zu offenbaren.
Ich konnte schweigen. Nur die Gefühle in mir konnte ich nicht zum Schweigen bringen.
Wo er nur blieb?
Er musste doch die Schiffssirene gehört haben, die ich mit maximaler Lautstärke mehrmals hatte ertönen lassen, um ihn und möglichst auch Anima herbeizurufen. Mir war das Heulen so laut vorgekommen, als könnte man es auch noch auf der gegenüberliegenden Seite des Planeten hören.
Ich aktivierte den Funksektor meines Multifunktionsarmbands und sandte das vereinbarte Rufsignal aus.
Vergebens.
Ich